OGH 8Ob640/93

OGH8Ob640/9330.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.V***** I*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ing.W***** Z*****, AZ 5 S 113/89 des Handelsgerichtes Wien, wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer ua Rechtsanwälte in Wien, und den auf seiten der beklagten Partei dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenienten Dipl.Ing.P***** C*****, vertreten durch Mag.Dr.Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 720.596,-

sA (Revisionsinteresse S 500.000,-) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2.April 1993, GZ 3 R 250/92-16, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 6. August 1992, GZ 13 Cg 30/91-11, infolge Berufung der beklagten Partei in der Hauptsache bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit die Abweisung des Klagebegehrens nicht mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist, also hinsichtlich S 500.000,- sA, aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 4.7.1988 beauftragte die beklagte GmbH den späteren Gemeinschuldner als Generalunternehmer, ein Wohnhaus um einen Pauschalpreis von S 1,170.000,- zu errichten. Im Auftragsschreiben wurde ua ein Gesamtfertigstellungstermin 17.LW 89 (31.4.1989) und ein Pönale vereinbart, nach welchem bei Überschreiten des festgelegten Gesamtfertigstellungstermines 1 % der Auftragssumme exklusive MWSt. je Arbeitstag, jedoch mindestens S 500,- in Abzug gebracht werden können; Verzögerungen auf Grund von Schlechtwitterung sollten berücksichtigt werden.

Der spätere Gemeinschuldner geriet sehr bald gegenüber dem Bauzeitenplan in Verzug, sodaß er von dem als Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei beigetretenen Architekten wiederholt auch schriftlich zur Verstärkung seines Arbeitseinsatzes aufgefordert werden mußte. Am 30.4.1989 fehlten noch der komplette Außenputz, die Wärmedämmung des Dachbodens und ca. 15 % der Installationen. Ursächlich dafür war der mangelnde Arbeitseinsatz der von der späteren Gemeinschuldnerin eingesetzten Subunternehmer.

Am 10.7.1989 drohte der Nebenintervenient unter Setzung einer 40-tägigen Nachfrist die Ersatzvornahme an und entzog am 5.9.1989 namens der beklagten Partei dem späteren Gemeinschuldner den Auftrag.

Dieser legte am 13.9.1989 Schlußrechnung, in der er Abzüge für nicht erbrachte Leistungen vornahm, die dann ersatzweise von anderen Unternehmern ausgeführt wurden, fakturierte aber auch seine Mehrleistungen.

Die beklagte Partei erhielt für das Haus vom Bauherrn um S 20.000,-

bis S 30.000,- weniger als vereinbart. Konkrete Bauvorhaben sind ihr durch das negative Beispiel an Bauverzögerung nicht entgangen.

Mit Beschluß vom 3.1.1990 wurde über das Vermögen des Generalunternehmers der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Dieser begehrte mit der vorliegenden Klage den Zuspruch von S 720.596,- sA als restliches Entgelt für die vom Gemeinschuldner erbrachten Leistungen. Der Fertigstellungstermin vom 30.4.1989 sei einvernehmlich außer Kraft gesetzt worden. Die Fertigstellung des Werkes durch Ersatzvornahme sei ausschließlich auf Grund des Zahlungsverzuges der beklagten Partei erfolgt. Die Vereinbarung eines Pönales werde bestritten; eine solche Vereinbarung wäre sittenwidrig, unangemessen und unterläge dem richterlichen Mäßigungsrecht. Die beklagte Partei sei gegenüber ihrem Auftraggeber nicht pönalepflichtig gewesen und habe ihre Rechnung vom Bauherrn zur Gänze kassieren können.

Die beklagte GmbH beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Streitteile hätten einen Haftrücklaß in Höhe von S 50.000,- sowie ein Pönale von 1 % der Auftragssumme pro Arbeitstag bei Überschreitung des Gesamtfertigstellungstermins vereinbart. Der Gemeinschuldner sei vom 1.5.1989 bis 5.9.1989, also 87 Arbeitstage, in Verzug gewesen, wofür sie vertragsgemäß ein Pönale von S 848.250,- geltend gemacht habe; sie sei daher berechtigt, diesen Abzug von der Gesamtrechnungssumme vorzunehmen; in eventu stehe ihr eine Gegenforderung in Höhe der Konventionalstrafe gegen den Kläger zu. Durch den Verzug des Gemeinschuldners sei auch der gute Ruf der beklagten Partei geschädigt worden; dies habe einen Verdienstentgang zur Folge gehabt; auch dieser Schaden sei mit der Vertragsstrafe abgegolten. Der Gemeinschuldner sei Vollkaufmann und auch als solcher aufgetreten.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte GmbH zur Bezahlung von S 500.000,- und wies das Mehrbegehren S 220.996,- sA unbekämpft ab. Zur nun allein noch strittigen Frage der Pönaleforderung führte es aus, der Beklagte sei als Bauunternehmer nicht Kaufmann und deshalb sei die Inanspruchnahme des richterlichen Mäßigungsrechts unabhängig von der Gültigkeit von ÖNormen möglich. Im gegenständlichen Fall sei neben S 20.000,- bis S 30.000,-, die der Bauherr vom Kaufpreis abgezogen habe, lediglich ein - wenn überhaupt - wohl geringfügiger Schaden im Ansehen der beklagten Partei eingetreten, sodaß die Festsetzung der Vertragsstrafe mit S 88.184,88 angemessen erscheine.

Infolge Berufung der beklagten Partei bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil in der Hauptsache. Zur Frage der grundsätzlich zulässigen Mäßigung der Vertragsstrafe führte es aus: Ein Baumeister könne zwar auch nach § 1 Abs 1 Z 1 HGB Kaufmann sein. Dieser Tatbestand setze jedoch die "Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen" voraus, sodaß die Herstellung unbeweglicher Sachen durch Be- oder Verarbeitung beweglicher Sachen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle. Baumeister betrieben daher, soweit bei ihnen die Werkleistung im Vordergrund stehe, auch als Generalunternehmer kein Handelsgewerbe. Daß der Gemeinschuldner Baustofflieferant gewesen wäre, bei dem die Lieferung der Materialien gegenüber dem Einbau im Vordergrund gestanden wäre, habe die beklagte Partei, die für das Vorliegen der Kaufmannseigenschaft die Beweislast trage, nicht vorgebracht. Sei nicht nachgewiesen, daß der Gemeinschuldner Kaufmann gewesen sei, stelle sich die Frage nach dem Ausnahmetatbestand des § 351 HGB (dem Vorliegen eines Minderhandelsgewerbes), für den der Kläger die Beweislast zu tragen hätte, gar nicht. Daß der Kläger in das Firmenbuch eingetragen und daher gemäß § 2 HGB Vollkaufmann sei, habe die beklagte Partei nicht behauptet. Zwar werde derjenige, der sich im allgemeinen Rechtsverkehr oder gegenüber einer bestimmten Person wahrheitswidrig als Kaufmann ausgegeben habe, zugunsten des Vertragspartners auf Grund des von ihm geschaffenen Rechtsscheins als Kaufmann behandelt, ohne es in Wahrheit zu sein. Die Beweislast für einen die Rechtsscheinhaftung begründenden Sachverhalt treffe denjenigen, der sich auf diesen Rechtsschein berufe. Daß sich der Gemeinschuldner wahrheitswidrig auf eine - nicht erfolgte - Eintragung in das Firmenbuch berufen oder vor bzw. bei Vertragsabschluß sonstige Erklärungen abgegeben hätte, die den Anschein seiner Kaufmannseigenschaft hervorgerufen hätten, habe die beklagte Partei nicht dargelegt und sei auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Es könne daher auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Gemeinschuldner kraft Verhaltens als Scheinkaufmann anzusehen wäre. Das richterliche Mäßigungsrecht sei daher nicht durch § 348 HGB ausgeschlossen. Die Mäßigung der Vertragsstrafe auf S 88.194,80 sei nach den konkreten Umständen angemessen. Die Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung von keiner Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren gänzlich abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Revision sei zulässig, weil die Frage, ob der Kläger Vollkaufmann gewesen und daher die Konventionalstrafe nicht gemäßigt werden könne, unrichtig gelöst worden sei: es fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob ausschlaggebend sei, daß der Baumaterialienhandel in den Hintergrund trete; überdies sei die Beweislast hiefür unrichtig verteilt und das richterliche Mäßigungsrecht unzutreffend angewandt worden.

Dem Kläger wurde vom Obersten Gerichtshof die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt; er hat jedoch keine erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem von der beklagten Partei an erster Stelle genannten Grund zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Gemäß § 348 HGB iVm § 351 HGB unterliegt die von einem Vollkaufmann versprochene Vertragsstrafe nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht. Der Frage, ob der Gemeinschuldner Vollkaufmann war oder sich zumindest seinem Vertragspartner gegenüber als solcher gerierte und sich daher auf Grund des von ihm geschaffenen Rechtsscheins als solcher behandeln lassen muß, kommt daher entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Allgemein anerkannt ist heute, daß ein reiner Bauunternehmer nur nach § 2 HGB Kaufmann sein kann. Seine Kaufmannseigenschaft im Sinn des HGB kann daher nicht aus "Art und Umfang" des Unternehmens abgeleitet werden, weil dadurch die Kaufmannseigenschaft nur unter der weiteren unabdingbaren Voraussetzung begründet wird, daß die Firma des Unternehmens in das Firmenbuch eingetragen wird; laut Auskunft des Firmenbuchgerichts ist der Gemeinschuldner nicht registriert. Ein solcher Bauunternehmer ist aber auch nicht nach § 1 Abs 2 Z 1 HGB (Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen) oder Z 2 (Übernahme der Bearbeitung und Verarbeitung von Waren für andere) Kaufmann. Gegenstand seiner Tätigkeit ist nicht die Weiterveräußerung von der zu diesem Zweck erworbenen eigenen oder die Bearbeitung fremder beweglicher Sachen, sondern die Lieferung eines unbeweglichen Bauwerkes (oder eines Teiles desselben) im Rahmen eines einheitlichen Werkvertrages. Die E-OGH JB 233 (alt) ist durch die Einführung des HGB und die damit eingetretene Änderung der Rechtslage seit langem überholt (SZ 51/74; 51/172; 54/4 ua; Brunner, JBl 1963, 28 ff, 31;

Hämmerle-Wünsch HR3 I 20; Straube in Straube HGB Rz 36 zu § 1; für den deutschen Rechtsbereich Brüggemann in Großkomm HGB4 Rz 64 zu § 1;

Schlegelberger-Hildebrandt-Steckhan, KommHGB5 Rz 34 zu § 1;

Baumbach-Duden-Hopt, KurzkommHGB28 Anm 8 A zu § 1 jeweils mwN).

Auch der Generalunternehmer betreibt zweifellos kein Grundhandelsgewerbe; er ist wie jeder andere Bauunternehmer zur Lieferung eines unbeweglichen Bauwerkes verpflichtet; er koordiniert lediglich die Erstellung eines schlüsselfertigen Baues unter Beiziehung verschiedener anderer Professionisten, die als seine Subunternehmer tätig werden (Straube aaO; Brüggemann aaO).

Bauunternehmer können jedoch dann ein Grundhandelsgewerbe gemäß § 1 Abs 1 Z 1 HGB betreiben und daher ohne Registrierung auch in dieser Eigenschaft Kaufmann sein, wenn sie zusätzlich einen Baumaterialienhandel betreiben (OGH 7 Ob 21/73; 2 Ob 523/78; 6 Ob 513/79; SZ 51/172; SZ 54/4; Straube aaO, für den deutschen Rechtsbereich Brüggemann aaO), obwohl dies für das allgemeine Berufsbild eines Bauunternehmers durchaus nicht typisch ist (6 Ob 513/79). Es liegt in einem solchen Fall ein gemischter Betrieb vor, dessen kaufmännischer Teil den Bauunternehmer insgesamt zum Kaufmann macht (vgl Brüggemann aaO Rz 65 für sonstige Bauhandwerker).

Soweit ersichtlich, ist aber die Frage noch ungeklärt, welche Bedeutung der Baustoffhandel im Betrieb des Bauunternehmers haben muß. Genügt es für die Kaufmannseigenschaft nach § 1 HGB, daß der Bauunternehmer überhaupt, wenn auch nur ganz nebenbei, auch Baumaterialien kauft und verkauft, muß dem Verkauf immerhin größere wirtschaftliche Bedeutung (welche?) zukommen oder muß er gar dominierend sein?

Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Blick auf die für sonstige Bauhandwerker entwickelten Grundsätze nützlich, denn diese können als Orientierungshilfe herangezogen werden.

Bei Bauhandwerkern, die sich darauf beschränken, von ihnen beschaffte Materialien selbst einzubauen oder zu montieren, wird zwischen zwei Typen unterschieden:

solche Bauhandwerker, bei denen die Lieferung im Vordergrund steht und ihr gegenüber der Einbau oder die Montage in den Hintergrund tritt, wie das zB bei Lieferung von vorgefertigten Türen oder Fenstern der Fall ist; betreiben ein Grundhandelsgewerbe nach § 1 Abs 1 Z 1 HGB; sie liefern bewegliche Sachen, mögen sie auch zum Einbau bestimmt sein, wobei es gleichgültig ist, ob sie die von ihnen gelieferten Sachen einbauen oder dies der Besteller selbst tut oder durch Dritte einbauen läßt (SZ 53/164; 58/111; Brüggemann aaO Rz 65; Schlegelberger-Hildebrandt-Steckhan aaO Rz 33); für derartige Bauhandwerker gibt es typischerweise kein Pendant im Baugewerbe.

Bauhandwerker hingegen, bei denen das Schwergewicht ihrer Arbeit an der Baustelle selbst liegt und die dort ein Werk nach Plan und Maß erstellen, also eine Werkleistung erbringen, entsprechen der Art ihrer Tätigkeit nach dem klassischen Bauunternehmer und betreiben nach hA kein Grundhandelsgewerbe. Nur wenn hiemit zugleich der reine Handel mit Materialien und Geräten verbunden ist, wie das in manchen Branchen, wie zB beim Elektroinstallateur typisch ist, macht der kaufmännische Teil dann auch den Handwerker insgesamt zum Kaufmann (7 Ob143/72; 7 Ob 621/73; 5 Ob 581/82). Diese Entscheidungen enthalten jedoch alle keinerlei Aussage über die Bedeutung dieses Handels im Gesamtgefüge des Unternehmens. Nur Brüggemann aaO Rz 65 iVm Rz 26 verweist darauf, daß die von einem gewerbetreibenden Nichtkaufmann in seinem Betrieb getätigten Grundhandelsgeschäfte im Vergleich zum Kern der gewerblichen Tätigkeit nicht nur nachrangige Bedeutung haben dürften; er nennt als Beispiel einen Änderungsschneider, der Zwirn und Knöpfe einkauft, denn dies genüge nicht zur Begründung der Kaufmannseigenschaft. Der Hinweis, daß der Einkauf von Hilfsstoffen, die zur Be- und Verarbeitung benötigt werden, nicht genüge (ebenso Schlegelberger-Hildebrandt-Steckhan aaO Rz 35), trifft jedoch nicht den Kern des hier vorhandenen Problems.

Mangels Einschränkung muß angenommen werden, daß die herrschende Lehre und Rechtsprechung dem Handel im Gesamtgefüge des Unternehmens keine besondere Bedeutung beimessen. Gleiches wird auch für den Baumeister, der auch einen Baumaterialienhandel betreibt, gelten.

Der Baumaterialienhandel muß jedenfalls nicht umfänglich bedeutender als das Baugewerbe oder zumindest diesem gleichwertig sein. Andererseits kann für die Begründung der Kaufmannseigenschaft des Baumeisters nach § 1 Abs 1 Z 1 HGB nicht genügen, daß dieser nur gelegentlich und nicht gewerbsmäßig Baumaterialien verkauft; es könnte zB für die Begründung eines Grundhandelsgewerbes nicht genügen, wenn ein Bauunternehmer aus Gefälligkeit gelegentlich Nachbarn, Freunden oder Kunden einen von ihm gekauften Zementsack entgeltlich überläßt. Es muß vielmehr gefordert werden, daß der Baumaterialienhandel für sich allein betrachtet Kaufmannseigenschaft, wenn auch nur die eines Minderkaufmanns, begründen würde; der Bauunternehmer muß also selbständig, auf Dauer angelegt und mit Gewinnerzielungsabsicht den Baumaterialienhandel betreiben. Ist dies der Fall und ist das Bauunternehmen nicht völlig vom Handel getrennt, sondern weist das Unternehmen eine einheitliche Organisation auf, liegt ein gemischter Gewerbebetrieb vor; der kaufmännische Bestandteil macht dann das ganze Unternehmen zum Handelsgewerbe der grundhandelsgewerbliche Baumaterialienhandel (§ 1 Abs 2 Z 1 HGB) demnach den gesamten Betrieb zum Grundhandelsgewerbe und ein vollkaufmännischer Bestandteil den gesamten Betrieb zum Vollhandelsunternehmen (Brüggemann aaO Rz 26). Zur Begründung der Vollkaufmannseigenschaft (§ 4 Abs 1 HGB) genügt es aber auch, wenn der durch den grundhandelsgewerblichen Baumaterialienhandel zur Gänze zum Grundhandelsgewerbe gewordene Betrieb insgesamt, also unter Einbeziehung des bauunternehmerischen Teils, die für die Vollkaufmannseigenschaft nötigen Kriterien aufweist (undeutlich Brüggemann aaO Rz 26).

Feststellungen darüber, ob und in welchem Umfang der Gemeinschuldner auch einen Baumaterialienhandel betrieb, fehlen; zur Ergänzung der Entscheidungsgrundlage muß deshalb die Rechtssache unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen, an das Erstgericht zurückverwiesen werden. Der Behauptung des Berufungsgerichts, die beklagte Partei hätte hiezu nichts vorgebracht, ist entgegenzuhalten,

daß der Gemeinschuldner diesen Umstand auf Befragen des Beklagtenvertreters sogar zugestanden hat (ON 8 S 12: Baumaterialienhandel "nicht in erster Linie"). Dieses - nicht festgestellte - Eingeständnis durch den Gemeinschuldner spricht dafür, daß er einen solchen Handel gewerbsmäßig und mit Gewinnabsicht betrieb.

Sollte im fortgesetzten Verfahren diese Frage und damit die Handelsgewerbeeigenschaft für den gesamten Betrieb positiv zu beantworten sein, bedarf es noch Feststellungen darüber, ob sein nicht registriertes Unternehmen insgesamt einen vollkaufmännischen Umfang erreichte (vgl hiezu die Aussagen des Gemeinschuldners ON 8 S 12: elf eigene Dienstnehmer und zahlreiche Subunternehmer), weil Voraussetzung für den Ausschluß des richterlichen Mäßigungsrechts gemäß §§ 348 iVm § 351 HGB die Vollkaufmannseigenschaft ist.

Die Beweislast für beide Umstände trägt allerdings der Beklagte, weil er damit den für ihn günstigen Umstand des Ausschlusses des richterlichen Mäßigungsrechts beweisen will; der Kläger wäre lediglich dafür beweispflichtig, daß das vorliegende Geschäft entgegen der Vermutung des § 344 Abs 1 HGB nicht zum Betrieb seines Unternehmens gehörte; ein Umstand, der beim vorliegenden Sachverhalt nahezu ausgeschlossen erscheint.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren jedoch ergeben, daß der Gemeinschuldner keinen Baumaterialienhandel im oben beschriebenen Sinn betrieb aber zumindest und sein Betrieb insgesamt einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erforderte, wird sich das Erstgericht auch mit dem von der beklagten Partei behaupteten und von ihr zu beweisenden Umstand auseinanderzusetzen und die hiefür angebotenen Beweise (insbesondere die Vernehmung ihres Geschäftsführers als Partei) aufzunehmen haben, daß der Gemeinschuldner ihr gegenüber als Vollkaufmann aufgetreten sei; das Berufungsgericht erkennt selber, daß sich der Kläger einen solchen Umstand zurechnen lassen müßte (SZ 44/90 mwN; Straube aaO Rz 15 ff zu § 5 HGB mwN - "Scheinkaufmann kraft kaufmännischen Verhaltens"), hat aber die Aufnahme dieses Beweises mit der aktenwidrigen (siehe ON 8 aus S 14) und dem Inhalt ihrer eigenen Entscheidung (S 6) widersprechenden Behauptung als entbehrlich angesehen, daß die beklagte Partei dies nicht vorgebracht hätte.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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