Normen
HGB §1 Abs1
HGB §2
HGB §1 Abs1
HGB §2
Spruch:
Bauunternehmer sind nicht Kaufleute nach § 1 HGB. Sie können aber die Kaufmannseigenschaft unter den Voraussetzungen des § 2 HGB durch Eintragung in das Handelsregister erlangen
OGH 1. Juni 1978, 2 Ob 522, 523/78 (OLG Wien 6 R 1974/77; LGZ Wien 29 a Cg 204/70)
Text
Die Beklagten beauftragten den Kläger laut Schlußbrief vom 11. Mai 1970 durch ihre planenden Architekten Erd-, Baumeister-, Stahlbeton- und Kanalisierungsarbeiten für ein Bauvorhaben in Wien 13, S-Straße 39 gemäß Kostenvoranschlag vom 27. März 1970 zu einem Pauschalbetrag von 690 000 S, zahlbar zu 20% bei Fundamentgleiche und zu weiteren 15% bei Kellergleiche durchzuführen. Infolge Abänderung der Pläne erstattete der Kläger weitere Nachtragskostenvoranschläge mit Summen von 79 348.20 S und 72 123.05 S.
Der Kläger legte in der Zeit vom 16. Juni 1970 bis 12. August 1970 vier Teilrechnungen. Am 1. September 1970 trat er unter Legung der Schlußrechnung vom Vertrag zurück.
Der Kläger begehrte für erbrachte Bauleistungen einschließlich Preiserhöhungen und Regiearbeiten Ersatz seines Verdienstentganges, Gerätemiete und vorzeitige Baustellenräumung unter Abzug der von den Beklagten geleisteten Akontozahlung von 220 000 S zunächst den in der Schlußrechnung detaillierten Betrag von 255 016.19 S. Nach Bezahlung weiterer 129 526.19 S schränkte er auf 125 490 S und nach Erstattung des Gutachtens durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. Leo G zuletzt auf 89 239.38 S samt 10% Stufenzinsen ein.
Der Kläger brachte vor, daß er sich wegen Nichtleistung vereinbarter Teilzahlungen und Schikanen der Beklagten zum Vertragsrücktritt genötigt gesehen habe. Er habe die Vertragsleistungen bis zur Kellergleiche einschließlich der in den Nachtragskostenvoranschlägen genannten Arbeiten, darunter insbesondere auch die Isolierung, mängelfrei erbracht. Wegen Zahlungsverzug der Beklagten habe er einen mit 10% zu verzinsenden Bankkredit in Anspruch nehmen müssen.
Das Erstgericht stellte die Forderung des Klägers mit 77 657.48 S als zu Recht und eine von den Beklagten eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest und sprach dem Kläger demgemäß 77 657.48 S samt 10% Stufenzinsen zu. Die Abweisung des Mehrbegehrens von 11 581.90 S samt Anhang blieb unbekämpft.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil hinsichtlich der Feststellung des Bestandes der Forderung, des Nichtbestandes der Gegenforderung und des sich daraus ergebenden Zuspruches mit einem Betrag von 61 607.48 S samt 4% Zinsen seit 16. September 1970, wies das Zinsenmehrbegehren von weiteren 6% Zinsen aus 77 657.48 S ab 16. September 1970 und aus 129 526.90 S für die Zeit vom 16. September 1970 bis 20. Dezember 1970 ab und hob es hinsichtlich des restlichen Klagsteilbetrages von 16050 S samt 4% Zinsen seit 16. September 1970 und eines gleich hohen Teiles der eingewendeten Gegenforderung unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen beider Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen: Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe ohne weitere Erörterungen und ohne dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, zur Sache vorzubringen, über das Zinsenbegehren entschieden, so daß das Verfahren in einem wesentlichen Punkte mangelhaft geblieben sei. Die Beklagten hätten wesentliche Veränderungen am Werk des Klägers vorgenommen und damit absichtlich ihre Vertragspflichten grob verletzt.
Diesen Ausführungen ist nicht beizupflichten:
Der Gläubiger einer fälligen, nicht bezahlten Geldschuld hat nach Handelsrecht Anspruch auf den Ersatz jenes die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigenden wirklichen Schadens und entgangenen Gewinnes, der aus dem Verschulden des säumigen Schuldners entstanden ist (Art. 8 Nr. 2 4. EVHGB). Dem säumigen Schuldner, welcher vorgibt, an der Erfüllung einer vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne Verschulden verhindert worden zu sein, obliegt der Beweis (§ 1298 ABGB). Nach bürgerlichem Recht hat der Gläubiger diesen Anspruch nur im Falle der von ihm zu beweisenden bösen Absicht oder auffallenden Sorglosigkeit des Schuldners (§ 1324 ABGB), insbesondere auch im Falle einer auf Verzögerungsabsicht zurückgehenden Prozeßführung (§ 408 ZPO).
Der Kläger war Baumeister. Bauunternehmer sind nicht Kaufleute gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 und 2 HGB. Gegenstand ihrer Tätigkeit ist nicht die Weiterveräußerung der zu diesem Zwecke erworbenen eigenen oder die Bearbeitung fremder beweglicher Sachen, sondern die Lieferung eines unbeweglichen Bauwerkes (oder eines Teiles desselbe Rahmen eines einheitlichen Werkvertrages (Brunner, Sind Bauunternehmer Kaufleute, JBl. 1963, 28 ff.; Schlegelberger, KommzHGB[5], T 22; Brüggemann - Würdinger, GroßkommzHGB[3] T, 123 f.; Hämmerle HR[3] T, 116 FN 14). Die Entscheidung des OGH, Judikatenbuch 223 alt (GlUNF 7415), in der ausgesprochen wurde, daß Anschaffungsgeschäfte der Bauunternehmer, die bewegliche Sachen anschaffen, um die aus ihnen hergestellten Bauwerke zu veräußern, Handelsgeschäfte und Bauunternehmer dieser Art daher Kaufleute seien, beruht auf einer nicht mehr in Geltung stehenden Rechtslage (Art. 4 und 271 Z. 1 AHGB). Während nach dem AHGB jeder Gewerbebetrieb, der Handelsgeschäfte zum Gegenstand hatte, als Gewerbebetrieb galt (Art. 4 Abs. 2 AHGB), die Kaufmannseigenschaft also aus dem Betrieb von Handelsgeschäften folgte, sind nach dem HGB alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB) Handelsgeschäfte. Nach der geltenden Rechtslage ist daher aus der Kaufmannseigenschaft abzuleiten, ob ein Handelsgeschäft vorliegt, und nicht umgekehrt. Das zitierte Judikat, kann daher für die Beurteilung der Frage, ob Bauunternehmer Kaufleute sind, nicht mehr herangezogen werden.
Bauunternehmer können aber die Kaufmannseigenschaft unter den Voraussetzungen des § 2 HGB durch Eintragung ins Handelsregister erlangen (Brunner, Schlegelberger und Brüggemann - Würdinger a. a. O.).
Der Kläger hat es in erster Instanz verabsäumt, entweder zu behaupten, daß er kraft Eintragung ins Handelsregister Kaufmann sei oder daß die Beklagten am Zahlungsverzuge ein grobes Verschulden treffe. Sein Vorbringen, er sei "durch das Verhalten des Erstbeklagten, insbesondere durch den Zahlungsverzug und durch die diversen Schikanen, die sowohl mündlich als auch schriftlich zugefügt wurden" genötigt gewesen, vom Vertrag zurückzutreten, und sein weiteres Vorbringen, er verlange Verdienstentgang "aus dem Titel groben Verschuldens, weil der Beklagte den Bauauftrag einseitig unberechtigt widerrufen und die Baueinstellung begehrt habe" bezieht sich auf die Zeit vor Vertragsrücktritt. Für einen dolosen oder grob fahrlässigen Zahlungsverzug in der Zeit ab Klagseinbringung - nur für diese Zeit werden Zinsen begehrt - ist daraus nichts zu gewinnen.
Dieses Versäumnis hätte der Kläger - auch wenn sein Zinsenmehrbegehren schon durch das Erstgericht abgewiesen worden wäre - im Berufungsverfahren nicht mehr nachholen können, weil das Erstgericht die Sorge um ein ausreichendes Vorbringen seinem Anwalt überlassen durfte (SZ 29/76; JBl. 1967, 647). Eine Verletzung der Prozeßleitungspflicht, die der Kläger infolge Obsiegens in erster Instanz auch noch im Revisionsverfahren hätte geltend machen können, liegt daher nicht vor.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die Berufungswerber nach den getroffenen Feststellungen immerhin in subjektiv berechtigten Zweifeln über den Umfang ihrer Zahlungspflichten sein konnten. Dem ist im Hinblick darauf, daß selbst die Sachverständigen über die prozeßentscheidende Frage der Tauglichkeit der vom Kläger aufgebrachten Isolierung verschiedener Meinung waren, beizutreten. Von einer schuldhaften Prozeßverzögerung kann schon deshalb nicht gesprochen werden, weil die Beklagten trotz Einwendung erhebliche Teilbeträge anerkannten und in der Folge bezahlten. Die vom Revisionswerber behauptete grobe Verletzung der Vertragspflicht durch wesentliche Veränderungen an seinem Werk ist für das Verschulden am Zahlungsverzug ohne Bedeutung.
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