OGH 5Ob547/93

OGH5Ob547/939.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Flossmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma S***** Gesellschaft mbH, ***** F*****, F*****-Weg, vertreten durch Dr.Odo Schrott, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei L*****bank T*****, ***** I*****, M*****straße 8, vertreten durch Dr.Hermann Graus, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 4,500.000 s.A. sowie Feststellung (Streitwert S 300.000) und Unterlassung (Streitwert S 100.000) unter Beteiligung der auf der Beklagtenseite beigetretenen Nebenintervenienten 1. B***** AG, ***** I*****, S*****platz 14-16, vertreten durch Dr.Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 2. Dr.Walter Hofbauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma W*****gesellschaft mbH, ***** I*****, M*****-Straße 57, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 25.Mai 1993, GZ 1 R 86/93-24, womit das Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23.Dezember 1992, GZ 41 Cg 309/91-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision in der vorliegenden Rechtssache damit begründet, daß die rechtliche Bedeutung des in Bankgarantien häufigen Hinweises auf das Grundgeschäft zu klären sei und die Judikaturgrundsätze zur rechtsmißbräuchlichen Inanspruchnahme einer Garantie sowie zu den Sorgfaltspflichten des Garanten vertieft werden sollten. Soweit die Entscheidung des Rechtsstreites allgemeingültige, nicht allein durch die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls hervorgerufene Rechtsfragen aufwirft, sind sie jedoch durch die bereits vorhandenen Aussagen der höchstgerichtlichen Judikatur zu lösen. Auch die Revision der klagenden Partei zeigt keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Sie erweist sich daher entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes als unzulässig im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO; es sind gemäß § 510 Abs 3 ZPO nur noch die Zurückweisungsgründe auszuführen.

Der geltendgemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Er wird von der Revisionswerberin darin erblickt, daß nicht geprüft wurde, ob der Garantiebegünstigten (der Firma W*****gesellschaft mbH) überhaupt noch eine Werklohnforderung gegen die Klägerin zustand, weil der Generalunternehmer des Hotelzubaus (die Firma Ing.Norbert H*****gesellschaft mbH) "eine Gegenforderung von S 7,689.572,-- hatte". Offensichtlich sollte damit die Schuldtilgung durch außergerichtliche Aufrechnung eingewendet werden, der jedoch im konkreten Fall nur dann bedeutung zukäme, wenn die Leistungspflicht des Garanten (der beklagten Partei) vom Rechtsbestand der gesicherten Forderung abhinge. Das ist, wie schon das Berufungsgericht in seinen Ausführungen über das Wesen einer echten, d.h. materiell-abstrakten Garantieverpflichtung ausführte, nicht der Fall (vgl Rummel in Rummel2, Rz 5 zu § 880 a ABGB mwN). Zur echten Garantie gehört nämlich, daß der Begünstigte sein vertraglich festgesetztes geldliches Interesse an der Leistung auf jeden Fall, also auch dann erhält, wenn die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht zum Entstehen kommt oder später weggefallen ist (ÖBA 1987, 500 ua). Die Inanspruchnahme einer solchen Garantie wird nur in Fällen evidenten Rechtsmißbrauchs versagt (Rummel aaO), weshalb die klagende Partei hätte darlegen müssen, daß die beklagte Partei im Zeitpunkt des Abrufs ihrer Garantieverpflichtung von der Tilgung der gesicherten Forderung durch die nunmehr behauptete außergerichtliche Aufrechnung wußte oder hierüber durchschlagende Beweise vorliegen hatte (vgl ÖBA 1992, 573; GesRZ 1993, 166 ua). Derartiges hat die klagende Partei nie vorgebracht.

Auch der Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist nicht berechtigt (§ 510 Abs 3 ZPO). Er wird an anderer Stelle unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Streitfalls erhoben und soll darin bestehen, daß das Berufungsgericht bei der Überprüfung des eingeklagten Anspruchs die vereinbarungswidrige Ausstellung der Bankgarantie durch die beklagte Partei außer acht ließ. Tatsächlich sind dem festgestellten Sachverhalt Anhaltspunkte für einen solchen Vertragsbruch zu entnehmen, doch hat sich die klagende Partei - wie schon das Berufungsgericht bemerkte - nie auf diesen Anspruchsgrund berufen. Sie begründete ihr Schadenersatzbegehren im wesentlichen damit, daß die beklagte Partei die Auszahlung der Garantiesumme hätte verweigern müssen, weil ihre Leistungspflicht in Wahrheit vom Bestehen der gesicherten Forderung abhängig war, die formelle Abrufbedingung einer Überprüfung der Schlußrechnung und Freigabe des Zahlungsbetrages durch die Bauleitung nicht erfüllt wurde und/oder der evidente Rechtsmißbrauch bei der Inanspruchnahme der Bankgarantie nicht erkannt wurde. Daß sich die beklagte Partei auch dadurch schadenersatzpflichtig gemacht hätte, daß sie ihre Garantieerklärung anders formulierte, als vereinbart war (etwa in Form einer akzessorischen Gutstehungsverpflichtung oder mit einer Klausel, die dem Begünstigten die Vorlage einer geprüften Schlußrechnung sowie einer Freigabeerklärung der Bauleitung abverlangt), ist hingegen nie geltend gemacht worden. Damit blieben die überschießenden Feststellungen über den Inhalt des Auftrages, den die klagende Partei der beklagten Partei erteilte, zu Recht unbeachtet, weil sie sich nicht im Rahmen der geltend gemachten, eindeutig individualisierten Haftungsgründe hielten (vgl RZ 1992, 155). Was die klagende Partei jetzt erörtert haben möchte, ist ein neu in das Verfahren eingeführter Anspruch, der erst durch die Behauptung einer Nicht- oder Schlechterfüllung des der beklagten Partei erteilten Auftrages alle rechtserzeugenden Faktoren erhalten hat. Daran ändert auch nichts, daß die klagende Partei in ihrem Schriftsatz vom 17.12.1991 erklärte, ihren Anspruch "auf das deliktische vertragswidrige und gesetzwidrige Verhalten der beklagten Partei und auf jeden nur erdenklichen Rechtsgrund zu stützen". Beachtlich sind nämlich nach § 226 ZPO nur die Tatsachenbehauptungen, aus denen sich der Klagsanspruch ableiten läßt (vgl Fasching, ZPR2, Rz 1040). Die Verweisung auf jeden erdenklichen Rechtsgrund ist eine Leerformel, die das Vorbringen der rechtserzeugenden Tatsachen nicht zu ersetzen vermag (vgl 8 Ob 707/89).

Das Hauptargument der Revisionswerberin, warum die beklagte Partei ihre Garantieverpflichtung nicht hätte einlösen dürfen, besteht nach wie vor darin, daß deren Gutstehungsverpflichtung in Wahrheit gar nicht abstrakt, zumindest aber vom strikten Nachweis des Garantiefalles (praktisch vom Nachweis der gesicherten Forderung) abhängig gewesen sei. Ansatzpunkt dieser Überlegung ist der Umstand, daß mit den Worten "als Sicherstellung zur Bezahlung der durchzuführenden Baumeister- bzw Zimmermeisterarbeiten gemäß Punkt 7 des Werkvertrages vom 15.3.1990" im Text der Garantieerklärung auf das Grundgeschäft hingewiesen wurde. Im weiteren Text der Erklärung heißt es jedoch, daß die beklagte Partei der Begünstigten die Garantiesumme "auf ihre Anforderung hin und ohne die Rechtmäßigkeit ihrer Forderung zu prüfen" vergüten wird. Damit wurde ein für die echte, d.h. materiell-abstrakte Garantie typischer Wortlaut gewählt (vgl SZ 50/32; SZ 50/66; SZ 56/55; JBl 1985, 425; RdW 1987, 49; ÖBA 1987, 500; ÖBA 1992, 573 ua). Der Hinweis auf das Valutaverhältnis in einer solchen Garantie ist keineswegs ungewöhnlich und erlaubt für sich allein keinen Schluß auf eine akzessorische Haftung, weil dadurch primär nur umschrieben werden soll, welche Leistung eines bestimmten Dritten dem Begünstigten garantiert werden soll (Koziol, Garantievertrag, 7 f; Dullinger - Rummel in ÖBA 1987, 504 zu 2 Ob 579/86; ÖBA 1991, 822). Die Meinung des Berufungsgerichtes, die beklagte Partei habe eine vom Bestehen der gesicherten Forderung unabhängige Garantieverpflichtung übernommen, ist daher durch Judikatur und Lehre gedeckt.

Auch von einem Vorbehalt besonderer Abrufbedingungen, etwa der Vorlage der geprüften Schlußrechnung oder einer Freigabeerklärung der Bauleitung, kann keine Rede sein. Derartige Effektiv-Klauseln wären zwar vom Begünstigten strikt einzuhalten (ÖBA 1990, 636 ua), können aber nur dort angenommen werden, wo der Garant die Erfüllung seiner Zusage ausdrücklich oder zumindest völlig unmißverständlich von bestimmten Voraussetzungen abhängig machte (vgl WBl 1989, 284). Andernfalls würde der Zweck einer ihrem Wesen nach materiell-abstrakten Gutstehungsverpflichtung verfehlt.

Ähnliche Erwägungen stehen dem Verlangen der Revisionswerberin entgegen, den Garanten schon dann von seiner Leistungspflicht zu entbinden (ihn im konkreten Fall sogar zur Leistungsverweigerung zu verpflichten), wenn der Begünstigte den Eintritt des Garantiefalles nicht ausreichend darlegt. Zur Inanspruchnahme einer Garantie ist nämlich die Substantiierung der Gründe im allgemeinen nicht erforderlich (ÖBA 1988, 601 mit Anm von Koziol, 605). Auch hier gilt, daß nur die Verletzung einer entsprechenden Klausel des Garantievertrages die Abrufung der Garantieleistung unwirksam machen würde.

Was schließlich die Behauptung der Revisionswerberin betrifft, die beklagte Partei habe bei der Erfüllung ihrer Garantieverpflichtung über liquide Beweise verfügt, wonach der Garantiefall gar nicht eingetreten war, ist ihr in Erinnerung zu rufen, daß der Garantiebegünstigte mit unvorhergesehenen Kostensteigerungen der Bauführung zu kämpfen hatte und das Bauvorhaben schon weitgehend abgeschlossen (das Hotel zum Teil sogar von Gästen bezogen) war, als die Garantiesumme ausgezahlt wurde. Damit scheidet eine evident rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie, die die beklagte Partei zur Leistungsverweigerung verpflichtet hätte (vgl EvBl 1982/23; JBl 1985, 425; RdW 1986, 340 und 341; RdW 1988, 134; RdW 1988, 320 ua), aus. Dem Begünstigten kann nämlich noch kein rechtsmißbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn nicht eindeutig feststeht, daß er keinen Anspruch hat. Die Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs erfordert es, daß die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie geradezu evident ist (JBl 1985, 425 ua). Zumindest gleich strenge Anforderungen sind an die von der klagenden Partei im konkreten Fall geltend gemachte Leistungsverweigerungspflicht der garantierenden Bank zu stellen.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 40, 50 ZPO; sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die beklagte Partei auf die dem § 502 Abs 1 ZPO entnommene Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

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