OGH 10ObS155/93

OGH10ObS155/9328.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Friederike Grasmuk (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eva L*****, Pensionistin, *****, Argentinien, vertreten durch Dr. Thomas Wanek und Dr. Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in Perchtoldsdorf, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 1993, GZ 34 Rs 10/93-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 28. Oktober 1992, GZ 27 Cgs 8/92-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles insgesamt zu lauten haben:

Das Klagebegehren auf Gewährung der Alterspension im gesetzlichen Ausmaß besteht ab 1.1.1985 dem Grunde nach zu Recht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin ab 1.1.1985 eine vorläufige Zahlung von S 3.000,-- monatlich zu erbringen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung der Alterspension im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom 1.3.1981 bis 31.12.1984 wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 15.706,56 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 2.617,76 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 6.2.1921 geborene Klägerin mußte nach dem Besuch einer mittleren Schule und nach einer Lehrlingsausbildung in der Zeit vom Jänner bis Feber 1939 am 26.2.1939 aus Gründen rassischer Verfolgung aus Österreich auswandern. Sie lebte seither in Argentinien, Brasilien und Spanien, zuletzt wieder in Argentinien. Aufgrund ihres am 27.2.1990 bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eingelangten Antrages auf Gewährung einer Alterspension und "um Beistand und Auskunft über eventuelle betreffende Verfügungen, die meiner Lage günstig sein mögen", erließ die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 13.8.1991; womit der Anspruch der Klägerin auf Alterspension ab 1.4.1990 anerkannt wurde. Die Pension betrug ab 1.4.1990 monatlich S 4.040,80 und ab 1.1.1991 S 4.242,80. Mit Bescheid vom 28.1.1991 hatte die Beklagte die Emigrationszeit vom 26.2.1939 bis 31.3.1959 unter Berücksichtigung der §§ 500 ff ASVG in der Fassung der 19. Novelle als Beitragszeit der Pflichtversicherung in der österreichischen Pensionsversicherungs beitragsfrei anerkannt, und zwar die Zeit vom 26.2. bis 4.5.1939 gemäß § 502 Abs 1 ASVG und vom 5.5.1939 bis 31.3.1959 gemäß § 502 Abs 4 ASVG. Insgesamt ging die Beklagte von folgendem Versicherungsverlauf aus: November 1936 bis Juni 1937 8 Monate Ersatzzeit (Besuch einer mittleren Schule), Juli 1937 bis Oktober 1937 keine Versicherung, November 1937 bis Juni 1938 8 Monate Ersatzzeit (Besuch einer mittleren Schule), Juli 1938 bis Dezember 1938 keine Versicherung bzw. ein Monat Ersatzzeit als Pauschalabgeltung bis Dezember 1938 (für die Bemessung der Leistung wurden pauschal insgesamt fünf Versicherungsmonate berücksichtigt), Jänner bis Februar 1939 zwei Monate Ersatzzeit für eine Lehrlingsausbildung, März 1939 bis März 1959 241 (Beitrags-)Monate der Pflichtversicherung als Arbeiter und von April 1959 bis März 1990 keine Versicherung. Daraus ergaben sich für die Wartezeit 243 Versicherungsmonate, für die Leistung 264 Versicherungsmonate.

Mit der vorliegenden, gegen den Bescheid vom 13.8.1991 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Gewährung der Alterspension bereits ab dem Monatsersten nach Vollendung ihres 60 Lebensjahres, also ab dem 1. März 1981. Sie habe einen Antrag auf die Begünstigung nach § 503 ASVG gestellt. Die Pensionsleistung müßte daher nach § 506 Abs 2 ASVG mit dem Ablauf des Monats beginnen, in dem der Versicherungsfall (des Alters) eingetreten und die Leistungsvoraussetzungen erfüllt seien, dies auch wenn erst durch eine Begünstigung nach § 502 ASVG die Leistungsvoraussetzungen erfüllt seien.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Gemäß § 506 Abs 2 ASVG sei als Überprüfungsstichtag der 1.3.1981 heranzuziehen gewesen. Mit diesem Zeitpunkt seien die Anspruchsvoraussetzungen der Wartezeit sowie der Dritteldeckung nicht erfüllt gewesen. Infolge der Antragstellung am 27.2.1990 könne die Alterspension frühestens ab 1.3.1990 gewährt werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin die Alterspension im gesetzlichen Ausmaß seit 1.3.1981 zu gewähren. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß die Klägerin den Anspruch auf Alterspension erst auf Grund der Bestimmungen des Sozialrechtsänderungsgesetzes 1988 erworben habe, weil erst dadurch Emigrationszeiten anerkannt werden konnten. Ohne diese Zeiten hätte sie die Wartezeit am Stichtag 21.2.1981, an dem sie das 60. Lebensjahr vollendete, nicht erfüllt. Auf Grund der Übergangsbestimmung des Art. IV Abs 15 des SozRÄG 1988 sei der Leistungsbeginn frühestens mit 1.1.1988 anzusehen. Durch den zweiten Satz dieser Bestimmung würden die im Ausland lebenden Personen, die zum begünstigten Personenkreis des § 500 ASVG gehören, begünstigt, weil dadurch der Stichtag auf den Eintritt des Versicherungsfalles vorverlegt werde. Diese Bestimmung sei im Vergleich zu § 506 Abs 2 ASVG die speziellere.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es der Klägerin die Alterspension im gesetzlichen Ausmaß ab 28.2.1990 zuerkannte und das Mehrbegehren für den Zeitraum vom 1.3.1981 bis 27.2.1990 abwies. Grundlage für die Gewährung einer Leistung aus der Pensionsversicherung sei das Vorliegen aller materiellen und formellen Leistungsvoraussetzungen. Die am 6.2.1921 geborene Klägerin habe das 60. Lebensjahr bereits mit Ablauf des 5.2.1981 vollendet, womit der Versicherungsfall des Alters als eingetreten gelte. Ihr Anspruch auf die Alterspension sei jedoch erst am 1.1.1988 entstanden, weil sie erst mit diesem Zeitpunkt auf Grund des § 502 ASVG in der Fassung des Art. V Z 22 der 44. ASVG-Novelle auch die allgemeine Voraussetzung der Wartezeit erfüllt habe. Der Leistungsanspruch sei daher erst mit diesem Zeitpunkt gegeben. Die so entstandene Leistung falle ab 1.1.1988 an, wenn ein darauf gerichteter Antrag bis zum 31.12.1988 gestellt werde, sonst ab dem auf die Antragstellung folgenden Tag (Art. VI Abs 15 der 44. ASVG-Novelle). Der Leistungsantrag der Klägerin sei erst am 27.2.1990 bei der Beklagten eingelangt, so daß die Leistung ab 28.2.1990 zu erbringen sei. In diesem Sinne sei das erstgerichtliche Urteil abzuändern gewesen. Der zweite Satz des Art. VI Abs 15 der 44. ASVG-Novelle beziehe sich nicht auf den Anfall, sondern nur auf den Leistungsanspruch. Für die Anwendung des § 506 Abs 2 ASVG bleibe kein Raum, weil diese Bestimmung ausschließlich auf die Begünstigung nach § 503 ASVG abstelle. Für die Gewährung einer solchen Begünstigung ergebe sich aber aus dem Bescheid kein Anhaltspunkt.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß ihr die Alterspension ab 1.3.1981 gewährt, sohin das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Obwohl die am 6.2.1921 geborene Klägerin das 60. Lebensjahr bereits mit Ablauf des 5.2.1981 vollendet und damit das Anfallsalter erreicht hatte, womit der Versicherungsfall des Alters als eingetreten gilt (§ 223 Abs 1 Z 1 ASVG), entstand ihr Anspruch auf die Alterspension erst am 1.1.1985, weil sie erst mit diesem Zeitpunkt auf Grund der §§ 235 und 236 ASVG in der Fassung des Art. IV Abs 5 der 40. ASVG-Novelle, BGBl. 1984/484, auch die allgemeine Voraussetzung der Wartezeit erfüllt hatte. Nach der Bestimmung des § 236 Abs 4 ASVG über die sogenannte "ewige Anwartschaft" ist die Wartezeit auch erfüllt, wenn bis zum Stichtag mindestens 180 Beitragsmonate erworben sind. Da die Beklagte nach § 502 ASVG in der Fassung der 19. Novelle die Zeit vom 26.2.1939 bis 31.3.1959, das sind 241 Monate als Beitragszeit anerkannte, erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen der "ewigen Anwartschaft". Dies entspricht auch dem Standpunkt der Klägerin, wonach als frühester Zeitpunkt, in dem nicht nur der Versicherungsfall eingetreten ist sondern auch die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, der 1.1.1985 anzunehmen sei (Schriftsatz ON 9). Die Beklagte bezeichnete es ausdrücklich als richtig, daß die Leistungsvoraussetzungen spätestens ab dem 1.1.1985 erfüllt wären (Schriftsatz ON 12). Sie verwies in diesem Zusammenhang jedoch auf Art. IV Abs 5 der 40. ASVG-Novelle, wonach Personen, die erst auf Grund der Bestimmungen der §§ 235 und 236 ASVG in der Fassung dieser Novelle Anspruch auf eine Leistung aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG erhalten, diese Leistung ab 1.1.1985 gebührt, wenn der Versicherungsfall und die besonderen Anspruchsvoraussetzungen vor dem 1.1.1985 eingetreten sind und der Antrag bis 31.12.1985 gestellt wird, sonst ab dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten. Da die Klägerin den Antrag nicht bis zum 31.12.1985 gestellt habe, sei ein Leistungsbeginn 1.1.1985 nicht möglich, sondern die Leistung gebühre ab dem der Antragstellung folgenden Monatsersten.

Dabei übersieht die Beklagte jedoch, daß auf die Klägerin die Bestimmung des § 506 Abs 2 ASVG anzuwenden ist. In Fällen der Begünstigung nach § 503 ASVG beginnt danach die Leistung mit dem Ablauf des Monates, in dem der Versicherungsfall eingetreten und die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, frühestens jedoch ab 1.5.1945, auch wenn erst durch eine Begünstigung nach § 502 ASVG die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Diese Bestimmung will sichern, daß sich die im § 503 ASVG vorgesehene weitgehende Zurückverlegung der Nichtanwendung der Bestimmungen über das Ruhen der Leistungsansprüche bei Auslandsaufenthalt praktisch wirklich zugunsten der damit begünstigten sogenannten Emigranten auswirkt. Deshalb wird verfügt, daß in Fällen der Anwendung des § 503 ASVG - abweichend von den normalen Bestimmungen über den Beginn (Anfall) der Pensionen - die Pension mit Ablauf des Monats beginnt, in dem der Versicherungsfall eingetreten und die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Nun kann es in solchen Fällen sein, daß erst bei Berücksichtigung von nach § 502 ASVG erworbenen Beitragszeiten die Leistungsvoraussetzungen erfüllt wären. Der Nachsatz "auch wenn erst durch eine Begünstigung nach § 502 die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind" soll für solche Fälle verhindern, daß die Leistungsvoraussetzungen erst mit dem Zeitpunkt der bescheidmäßigen Feststellung der Begünstigung als erfüllt angesehen werden, was eine Verzögerung des Anfalles der Leistung herbeiführen kann. Sie sollen vielmehr mit dem Zeitpunkt, auf den das Ende des letzten für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen erforderlichen Versicherungsmonates fällt, als erfüllt gelten (Teschner, ASVG 48. ErgLfg. 1954/2 Anm. 2 zu § 506; vgl. SSV-NF 6/5).

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht für die Anwendung des § 506 Abs 2 ASVG im Fall der Klägerin keinen Raum gesehen. Es ist zwar richtig, daß sich aus dem Bescheid für die Gewährung der Begünstigung nach § 503 ASVG kein Anhaltspunkt ergibt, doch ist dieser Umstand deshalb nicht ausschlaggebend, weil die Beklagte ausdrücklich außer Streit gestellt hat, die Klägerin habe die Begünstigung gemäß der Bestimmung des § 503 ASVG beantragt, diese Begünstigung sei aber bereits von Amts wegen geprüft und festgestellt worden. Steht aber im vorliegenden Fall außer Streit, daß die Begünstigung der Klägerin nach § 503 ASVG festgestellt wurde, dann ist der im Sinne der Entscheidung SSV-NF 6/5 vom Berufungsgericht herangezogenen Argumentation der Boden entzogen.

Wie bereits ausgeführt, genügt es für den Beginn der Leistung nach § 506 Abs 2 ASVG aber nicht, daß der Versicherungsfall eingetreten ist (das wäre hier mit 1.3.1981), sondern es müssen auch die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein, also insbesondere die Wartezeit. Dies war aber erst durch die Einführung der sogenannten "ewigen Anwartschaft" in der 40. ASVG-Novelle mit 1.1.1985 der Fall. Da die Beklagte die Emigrationszeit gemäß § 502 ASVG in der Fassung der 19. Novelle (BGBl 1967/67) als Beitragszeit anerkannte, kann die Ansicht der Vorinstanzen, diese Anerkennung sei erst auf Grund der 44. ASVG-Novelle möglich gewesen, nicht zutreffen. Daß die Klägerin diese Anspruchsvoraussetzungen bei Eintritt des Versicherungsfalls noch nicht erfüllt hatte, wurde von den Vorinstanzen zutreffend dargelegt und von der Revisionswerberin selbst als richtig bezeichnet. Soweit sie als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt, daß das Berufungsgericht nur 243 Versicherungsmonate annahm und nicht, wie in der Berufung begehrt 264 Versicherungsmonate, ist darauf zu verweisen, daß nach den von der Klägerin selbst bereits mit ihrer Klage vorgelegten Unterlagen für die Erfüllung der Wartezeit nur 243, für die Leistungsbemessung hingegen 264 Versicherungsmonate nachgewiesen sind. Insoweit liegt ein Mangel des Berufungsverfahrens daher nicht vor.

Geht man aber davon aus, daß die Leistungsvoraussetzungen für die Alterspension am 1.1.1985 erfüllt waren, dann kann es bei Anwendung des § 506 Abs 3 ASVG keine Rolle spielen, daß die sich in Auswirkung einer aus den Gründen des § 500 Abs 1 ASVG erfolgten Auswanderung noch im Ausland befindliche Klägerin den Pensionsantrag erst am 27.2.1990 stellte. Mit der genannten Bestimmung wird nämlich - zum Unterschied von der allgemeinen Regelung des § 86 Abs 3 ASVG - für die gegenständlichen Fälle, soweit es sich um Leistungen der Pensionsversicherung handelt, der Zeitpunkt der Antragstellung auf die Leistung als maßgebender Umstand für den Anfall der Leistung gänzlich ausgeschaltet (Teschner, ASVG 48. ErgLfg. 1954/3 unter Hinweis auf OLG Wien, JBl. 1958, 610; SVSlg. 28.340).

Der Revision war daher insoweit Folge zu geben, als die begehrte Alterspension ab 1.1.1985 zu gewähren und das Mehrbegehren für den Zeitraum vom 1.3.1981 bis 31.12.1984 abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. a ASGG.

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