OGH 14Os80/93

OGH14Os80/9311.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.‑Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hautz als Schriftführer, in der bei dem Landesgericht St. Pölten zum AZ 21 Vr 46/93 anhängigen Strafsache gegen Dr. Kurt S* wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Dr. Kurt S* gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 5. April 1993, AZ 27 Bs 98/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00080.9300000.0511.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Durch den bezeichneten Beschluß wurde Dr. Kurt S*im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

 

Gründe:

 

In dem im Spruch bezeichneten Verfahren befindet sich Dr. Kurt S*seit 14. Jänner 1993 in Untersuchungshaft (ON 7 und 8 des Strafaktes).

Der am 22. April 1993 erhobene Strafantrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten (ON 49) legt Dr. S* das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB sowie die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und nach § 36 Abs 1 lit a (richtig: Z 1) WaffenG zur Last.

Mit Beschluß vom 5. April 1993 (ON 43) verfügte das Oberlandesgericht Wien auf Grund einer Beschwerde des Untersuchungshäftlings gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes St. Pölten vom 10. März 1993 (ON 23), daß die Untersuchungshaft (nur) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO fortzusetzen ist.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Grundrechtsbeschwerde wendet sich - der Sache nach nur - gegen die Annahme der Tatbegehungsgefahr, aber auch gegen die Dauer der Untersuchungshaft, die im Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe unangemessen sei. Sie ist indes nicht berechtigt.

Dr. Kurt S* steht nach dem bekämpften Beschluß (von der Beschwerde an sich nicht in Frage gestellt) im dringenden Verdacht, von April bis Dezember 1992 der N*kasse gewerbsmäßig betrügerisch durch Verzeichnung tatsächlich nicht erbrachter Leistungen einen (weiteren) Schaden von jedenfalls mehr als 25.000 S (96.000 S) zugefügt zu haben.

Die Gefahr, daß Dr. S* auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens weiterhin Vermögensdelikte mit nicht bloß leichten Folgen begehen werde, begründete das Oberlandesgericht mit den vorliegenden - der Verdachtslage nach - wiederholt und gewerbsmäßig begangenen Betrügereien, die Dr. S* überwiegend für einen Zeitraum angelastet werden, in welchem gegen ihn bereits zum AZ 18 Vr 283/92 des Landesgerichtes St. Pölten wegen zwischen Juni 1990 und Juni 1992 begangener Versicherungsbetrügereien ein weiteres Verfahren (ua) wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB anhängig war.

Der Einwand, daß der im letztgenannten Verfahren in erster Instanz ergangene Schuldspruch nicht rechtskräftig sei, trifft zwar zu (siehe die kassatorische Entscheidung in hg. 14 Os 47/93), jedoch steht dieser Umstand der Annahme der Tatbegehungsgefahr - ungeachtet der prozessualen Unschuldsvermutung (vgl. Foregger‑Serini MKK5, § 180 StPO, Erl II) - nicht entgegen. Bei der Intensität des Dr. S* treffenden Verdachtes, in vielen Angriffen durch einen längeren Zeitraum, zum Teil während eines bereits anhängigen Verfahrens gewerbsmäßig Betrügereien zum Nachteil verschiedener Geschädigter begangen zu haben, ist auch der von der Beschwerde relevierte Umstand, daß die N*kasse den Kassenvertrag mit dem Angeklagten aufgekündigt habe, nicht geeignet, die bekämpfte Annahme der Begehungsgefahr weiterer Vermögensdelikte zu entkräften.

Angesichts der bis zu fünf Jahren reichenden Strafdrohung des § 148 StGB (erster Strafsatz) ist die bisherige Dauer der Untersuchungshaft auch nicht offenbar unangemessen.

Der Beschwerdehinweis auf eine im vorliegenden (gesondert geführten) Verfahren bloß zu erwartende Zusatzstrafe (gemäß §§ 31, 40 StGB) ist nach Aufhebung des im (konnexen) Verfahren zum AZ 18 Vr 283/92 ergangenen erstinstanzlichen Urteils wegen eines formellen Begründungsmangels durch den Obersten Gerichtshof und der Verweisung (u.a.) der Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung auf diese Entscheidung gegenstandslos. Davon, daß "eine Sanktion in Form einer unbedingten Freiheitsstrafe keinesfalls angemessen und zu gewärtigen wäre", kann ‑ entgegen der Beschwerdeauffassung - nach Lage des Falles nicht ohne weiteres ausgegangen werden.

Die behauptete Saumseligkeit der Gerichte in der Entscheidung der Haftfrage ist nicht zu erkennen. Im übrigen könnte aus tatsächlichen Verzögerungen dieser Art eine (mit Grundrechtsbeschwerde bekämpfbare) Grundrechtsverletzung erst dann abgeleitet werden, wenn sie zu einer Unverhältnismäßigkeit der Haft führt, was aber hier - wie dargelegt - noch nicht der Fall ist (vgl. 13 Os 47/93).

Der Grundrechtsbeschwerde war somit ein Erfolg zu versagen.

Damit entfällt auch eine Entscheidung über das Kostenbegehren.

 

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