OGH 14Os47/93

OGH14Os47/9320.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.April 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Zawilinski als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr.Kurt S***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 13.Jänner 1993, GZ 18 Vr 283/92-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie der Angeklagte mit seiner Berufung werden auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde der nunmehr 39-jährige praktische Arzt Dr.Kurt S***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Waidhofen a.d.Ybbs mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Meldung einer völligen Arbeitsunfähigkeit, zu Handlungen, nämlich zur Zahlung von Betriebsunterbrechungsentschädigungen verleitet, wobei er durch die Taten einen 500.000 S übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar

1. Angestellte der S***** Limited für Krankenstände,

a) in der Zeit vom 1. bis 17.Juni 1990 zur Auszahlung von 155.554 S,

b) in der Zeit vom 27.August bis 2.September 1990 zur Auszahlung von

77.777 S,

c) in der Zeit vom 23.Dezember 1990 bis 6.Jänner 1991 zur Auszahlung von 166.665 S und

d) in der Zeit vom 28.Februar bis 10.März 1991 zur Auszahlung von 65.000 S, sowie

2. Angestellte der A***** Österreichische Versicherung AG für einen Krankenstand in der Zeit vom 19.Dezember 1991 bis 6.Jänner 1992 zur Auszahlung von 133.328 S.

Den insoweit wesentlichen Urteilsfeststellungen zufolge hatte der Angeklagte mit den zuvor genannten Versicherungsunternehmen jeweils eine Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen. Nach den allgemeinen, ihm bekannt gewesenen Bedingungen dieser Betriebsunterbrechungsversicherung "gilt als Krankheit ein nach medizinischen Begriffen anomaler körperlicher oder geistiger Zustand, auch wenn er als Folge eines Unfalles eintritt, sofern daraus eine völlige (100 %ige) Arbeitsunfähigkeit entsteht, sodaß die den Betrieb verantwortlich leitende Person ihre berufliche Tätigkeit nach objektivem ärztlichen Urteil in keiner Weise ausüben kann und auch nicht ausübt, also weder mitarbeitend noch aufsichtführend oder leitend in ihrem Beruf tätig ist und sein kann" (US 6 iVm S 253/I = 393/II). Ein (tatbestandsmäßiges) Handeln des Angeklagten mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz leitete das Schöffengericht unter pauschaler Bezugnahme auf "die Gendarmerieerhebungen (zusammengefaßt Band II S 31-39 mit den dort angeführten Beilagen)" daraus ab, daß er während der bezüglichen Zeiträume, zu denen er laut seinen Versicherungsmeldungen völlig arbeitsunfähig gewesen sei, Patienten in der Ordination behandelt und Bereitschaftsdienst geleistet habe, ferner als Betriebsarzt tätig gewesen sei, aber auch Reisen unternommen und die Ordination wegen Urlaubes geschlossen gehalten habe (US 9).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; die Staatsanwaltschaft hinwieder strebt unter Anziehung der Nichtigkeitsgründe nach Z 5 und 10 der bezeichneten Verfahrensvorschrift einen (anklagekonformen) Schuldspruch wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges (auch nach § 148 zweiter Fall StGB) an.

Schon der nach ihrer Zielrichtung primär relevanten Beschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu, wenn er im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) in der Nichterörterung der ärztlichen Bestätigungen des praktischen Arztes Dr.S***** vom 25.Juni 1990 (S 215/II), vom 7. Jänner 1991 (S 285 iVm 35/II) und vom 11.März 1991 (S 351 iVm 37/II), wonach er vom 1. bis 17.Juni 1990 "nicht arbeitsfähig" sowie vom 23.Dezember 1990 bis 6.Jänner 1991 und vom 28.Februar bis 10.März 1991 "nicht in der Lage war, den Dienst auszuüben", ferner der (undatierten) Bestätigung des Facharztes für Innere Medizin Prim.Dr.A***** (S 251 iVm 289/II), derzufolge er vom 27.August bis 2. September 1990 "nicht arbeitsfähig war" und des Arbeitsunfallberichtes des Krankenhauses Amstetten (Prim.Dr.V*****) vom 20.Dezember 1991, wonach ihm nach einem am 19.Dezember 1991, 7.10 Uhr, erlittenen Arbeitsunfall ("Patient rutschte am Glatteis aus und kippte mit dem linken Fuß um") "strenge Schonung für fünf Tage" verordnet worden sei (S 359 iVm S 37, 39/II), eine Unvollständigkeit der angefochtenen Urteilsbegründung erblickt. Erstreckt sich doch die gerichtliche Begründungspflicht ungeachtet ihrer gesetzlichen Beschränkung auf eine bloß gedrängte Darstellung (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) auf eine Abwägung sämtlicher für die Lösung der Schuldfrage ausschlaggebenden Verfahrensergebnisse. Daß sie vorliegend, schon im Hinblick auf die Bezugnahme des Angeklagten auf seine ärztliche Hilfeleistungspflicht (gemäß §§ 21, 22 ÄrzteG), die ausdrückliche Würdigung der (zunächst) seine Arbeitsunfähigkeit bescheinigenden ärztlichen Bestätigungen mitumfaßt, welcher Beweiswert diesen Urkunden im Kontext mit den übrigen Verfahrensergebnissen - nicht zuletzt mit den Angaben der Ordinationshilfe Heidemarie G***** (S 177 f/I = 225 f/II, 37/II) und der dem Akt zu entnehmenden Tätigkeit des Angeklagten als Betriebsarzt trotz bescheinigter Arbeitsunfähigkeit (vgl. insbesondere S 39, 379/II) - auch immer zukommen mag, versteht sich von selbst.

Der vom Angeklagten zutreffend gerügte Begründungsmangel macht eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens des Angeklagten und der von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Qualifikation gewerbsmäßiger Tatbegehung ins Treffen geführten unzureichenden Begründung (Z 5) und des insoweit geltend gemachten Rechtsirrtums (Z 10) bedarf.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

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