OGH 12Os31/93

OGH12Os31/936.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Markel, Dr. Hager und Mag. Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kobler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich J***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 22. Oktober 1992, GZ 34a Vr 323/92-62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig und des Verteidigers Dr. Breitenfeld, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 27. Juni 1929 geborene Friedrich J*****wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt. Demnach hat er am 3. Februar 1992 in Linz Franz Z***** absichtlich eine schwere Körperverletzung zugefügt, indem er ihm mit einem Küchenmesser je einen Stich in den fünften und sechsten Zwischenrippenraum versetzte, wobei die Tat schwere Dauerfolgen, nämlich eine auffallende Verunstaltung und ein schweres Leiden nach sich zog.

Rechtliche Beurteilung

Die aus § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9, 10 und 10a StPO gegen dieses (auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltende) Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die Aufnahme des strafsatzändernden Umstandes der schweren Dauerfolgen in die Schuldfrage nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung (Eventualfrage zu Punkt 4 des Fragenschemas) bedeutete dem Beschwerdestandpunkt zuwider keinen Urteilsnichtigkeit begründenden Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 312 bis 317 StPO über die Fragestellung (Z 6), weil eine sachgerechte Tatbeurteilung durch die Geschworenen keineswegs auf eine dazu selbständige (Zusatz-)Frage angewiesen war. Gemäß § 317 Abs 2 StPO bleibt es nämlich dem Ermessen des Schwurgerichtshofes anheimgestellt, den Geschwornen entweder eine neben den gesetzlichen Merkmalen des Grundtatbestandes (hier der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB) auch die im Einzelfall indizierten Qualifikationsmerkmale (im konkreten Fall nach § 87 Abs 2 erster Fall StGB) umfassende einheitliche Schuldfrage vorzulegen oder aber strafsatzändernde Kriterien zum Gegenstand einer selbständigen Zusatzfrage zu machen (ua Mayerhofer-Rieder StPO3 EGr 8, 8a und 9 zu § 316).

Im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur trifft es der Instruktionsrüge (Z 8) zuwider auch nicht zu, daß den Geschwornen das Verhältnis der Zusatzfrage (8 des Fragenschemas) nach Zurechnungsunfähigkeit iS des § 11 StGB zu den - den jeweiligen Schuldfragen (1 bis 7) entsprechenden - Eventualfragen in Richtung der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (9 bis 15 des Fragenschemas) unrichtig dargelegt worden wäre. Wird doch der zunächst lediglich das Verhältnis der (als Haupt- und Eventualfragen) gestellten Schuldfragen und der Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit berührende Teil der Rechtsbelehrung (501 und 517) durch weitere Ausführungen ergänzt, die ausschließlich die - zutreffend auf dem sogenannten Dreifragenschema (Mayerhofer-Rieder StPO3 EGr 73 zu § 314) beruhende - Fragestellung nach § 287 Abs 1 StGB zum Gegenstand haben und dabei unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß im Falle der Bejahung einer der Schuldfragen sowie der Zusatzfrage nach § 11 StGB auch die jeweils entsprechende Eventualfrage in Richtung § 287 Abs 1 StGB zu beantworten ist (499, 519 f). Bei dem gebotenen Verständnis der Rechtsbelehrung als umfassende Einheit (aaO EGr 49 und 50), liegt die behauptete Beirrbarkeit der Geschwornen sohin nicht vor.

Auch soweit der Angeklagte einen ausdrücklichen Hinweis in der Rechtsbelehrung auf die Möglichkeit der Herbeiführung einer vollen Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) infolge einer (hier durch seine Verantwortung aktualisierten) Wechselwirkung von Alkohol- und Medikamentenkonsum vermißt, ist er nicht im Recht. Geht doch die Rechtsbelehrung ohnedies zutreffend darauf ein, daß als Ursache einer tatbildmäßigen vollen Berauschung neben Alkohol auch der Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels (wie etwa von Drogen, deren Eignung zu voller Berauschung im Rahmen der Erläuterungen zur Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit iS des § 11 StGB unmißverständlich klargestellt wird) in Betracht kommen kann (520 iVm 518). Da derartigen anderen Mitteln auch Medikamente mit berauschender Wirkung zuzuzählen sind (Leukauf-Steininger StGB3 RN 7 zu § 287), entspricht die Rechtsbelehrung auch in diesem Punkt dem Gesetz. Auf in den Ergebnissen des Beweisverfahrens begründeten Besonderheiten tatsächlicher Natur (wie die vom Angeklagten reklamierte Möglichkeit der Wechselwirkung von Alkohol- und Medikamentenkonsum) war hingegen in der schriftlichen Instruktion nicht einzugehen, weil sich diese nur auf die Darlegung rechtlicher Umstände zu beschränken hat. Ein Eingehen auf konkrete Verfahrensergebnisse tatsächlicher Art bleibt vielmehr - wie auch die in der schriftlichen Rechtsbelehrung vermißte Bezugnahme auf in der Regel einer vollen Berauschung entsprechende Blutalkoholwerte (dazu 12 Os 89/72 und 13 Os 6/86) - der gemäß § 323 Abs 2 StPO dem Vorsitzenden obliegenden Besprechung der einzelnen Fragen mit den Geschwornen vorbehalten.

Dem Beschwerdestandpunkt zuwider bedurften die hier aus der Sicht schwerer Dauerfolgen (§ 87 Abs 2 erster Fall StGB iVm § 85 StGB) erheblichen Begriffe der "auffallenden Verunstaltung" (§ 85 Z 2 StGB) sowie der "Berufsunfähigkeit" und des "schweren Leidens" (§ 85 Z 3 StGB) keiner besonderen Erklärung, weil es sich dabei um deskriptive Qualifikationsmerkmale handelt, deren gesetzliche Bezeichnungen sich mit dem nach dem allgemeinen Sprachgebrauch vermittelten Begriffsverständnis decken (Mayerhofer-Rieder StPO3 Nr. 31, 31c und 34 zu § 345 Abs 1 Z 8). Daß die Geschwornen durch den bloßen Hinweis auf die für die Annahme dieser Tatqualifikation entscheidenden Kriterien einer hohen Intensität und zumindest langfristigen Wirksamkeit der schon durch die verba legalia ausreichend umschriebenen Dauerfolgen nicht beirrt oder verunsichert wurden, ergibt sich im übrigen schon aus der dem Wahrspruch zu entnehmenden differenzierten Beurteilung der in Rede stehenden (rechtlich gleichwertigen) Qualifikationsmerkmale.

Soweit der Angeklagte unter Hinweis auf eine (angebliche) Diskrepanz zwischen dem Inhalt der Niederschrift der Geschwornen und dem Wahrspruch zum Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB eine Undeutlichkeit dieses Wahrspruches behauptet (Z 9) und überdies aus dem (vermeintlichen) Widerspruch (der Sache nach) den Vorwurf ableitet, eine Einleitung des Moniturverfahrens sei zu Unrecht unterblieben (Z 10), bringt er weder die dazu geltend gemachten noch sonst einen der in § 345 Abs 1 StPO normierten Nichtigkeitsgründe zur Darstellung:

Die Geschwornen haben die Eventualfrage (4 des Fragenschemas) nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung (§ 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB) stimmenmehrheitlich mit 7 : 1 bejaht (529) und in ihrer Niederschrift hiezu (unter Punkt 4) festgehalten (553):

"keine Absicht (1 x nein)". Durch diesen Vermerk, bei dem es sich ersichtlich bloß um eine (entbehrliche) Wiedergabe des Votums des einzig überstimmten Geschwornen handelt, wird der Inhalt des unmißvertändlich ein absichtliches Handeln (§ 5 Abs 2 StGB) des Angeklagten bejahenden Wahrspruchs - entgegen der Beschwerdeauffassung - nicht berührt. Von einer Undeutlichkeit oder Widersprüchlichkeit des Verdikts in der Bedeutung des § 345 Abs 1 Z 9 StPO, die sich im übrigen schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut ausschließlich aus dem Wahrspruch selbst ergeben muß (Mayerhofer-Rieder, StPO3 Nr. 7 und 8a zu § 345 Abs 1 Z 9; ebenso ua. 13 Os 100/90, 14 Os 23/91), kommt hier sohin nicht in Betracht. Nichts anderes gilt für eine Geltendmachung der vermeintlichen Divergenz zwischen der Niederschrift der Geschwornen und dem Wahrspruch aus § 345 Abs 1 Z 10 StPO, weil der von der Beschwerde reklamierte Auftrag des Schwurgerichtshofes an die Geschwornen zur Verbesserung des Wahrspruchs der Behauptung eines bei der Abstimmung unterlaufenen Mißverständnisses durch zumindest einen Geschwornen bedurft hätte, welche Voraussetzung im konkreten Fall nicht vorlag.

Auch die Tatsachenrüge (Z 10 a), die sich gegen die der Qualifikation der schweren Dauerfolgen (§§ 87 Abs 2 erster Fall StGB iVm § 85 Z 2 und 3 StGB) zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen wendet, schlägt nicht durch. Der Sachverständige Univ.Prof. Dr. Klaus Jarosch kam in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis, daß die tatbedingten Dauerfolgen dem nach § 85 StGB qualifizierenden Ausmaß "schon sehr nahe kommen" (199), und hat in der Hauptverhandlung am 22. Oktober 1992 - unter umfassender Berücksichtigung der insgesamt erzielten Verfahrensergebnisse - die rechtliche Faßbarkeit der aus der Tat resultierenden langfristigen Invalidität des Tatopfers infolge situationsbedingt auftretender Atembeschwerden und der (wie aus den im Akt erliegenden Lichtbildern - 205 und 464 - ersichtlich vor allem im Bereich des Oberkörpers) als auffallend einzustufenden bleibenden Narben nach § 85 StGB letztlich der (ausschließlich dem richterlichen Aufgabenbereich vorbehaltenen) rechtlichen Beurteilung anheimgestellt. Diese abschließende Expertise steht daher dem der bekämpften Qualifikationsannahme zugrunde liegenden Tatsachensubstrat keineswegs unvereinbar entgegen. In Anbetracht der vom Tatopfer angegebenen Intensität und Dauer sowie des durch Lichtbilder belegten Erscheinungsbildes der konstatierten Tatfolgen (zur Auffälligkeit einer Verunstaltung genügt bereits deren Wahrnehmbarkeit in Badekleidung - Leukauf-Steininger StGB3 RN 13 zu § 85) erweist sich auch die (der Sache nach in Zweifel gezogene - Z 12) rechtliche Tatbeurteilung als gesetzeskonform.

Die aus den dargelegten Erwägungen zur Gänze unberechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach § 87 Abs 2 erster Strafsatz StGB viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Dabei wertete es sieben einschlägige Vorstrafen, die "massive Vorgangsweise" bei der Tat und den Umstand, daß das Opfer "nur knapp überlebt hat" als erschwerend, als mildernd hingegen die durch Alkoholmißbrauch bewirkte Wesensveränderung der Täterpersönlichkeit.

Der dagegen erhobenen, eine (weitgehende) Strafreduktion anstrebenden Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Selbst wenn man dem Angeklagten im Sinne des Berufungsvorbringens zugute hält, daß sein zur Schmerzengeldforderung des Tatopfers erklärtes Anerkenntnis nach Lage des Falles mehr wiegt als eine bloße Bereitschaft zur Schadensgutmachung, so erweist sich die dem erstgerichtlichen Strafausspruch zugrunde liegende Gewichtung der vorliegend in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe im Ergebnis als zutreffend. Die mit viereinhalb Jahren in der unteren Hälfte der hier aktuellen gesetzlichen Strafdrohung (von einem bis zu zehn Jahren) bemessene Freiheitsstrafe trägt sowohl der Persönlichkeit des Täters und seiner Schuld als auch dem verwirklichten Tatunrecht in angemessener Weise Rechnung und erweist sich solcherart als der beantragten Korrektur nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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