Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden (1.) der 71-jährige Andreas R***** des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB und (2.) der 43-jährige Hermann R***** (sein Sohn) des Verbrechens der Beihilfe zum Mord (gemeint des Verbrechens des Mordes als Beteiligter) nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB schuldig erkannt.
Darnach haben sie in Moosdorf, und zwar
(zu 1) Andreas R***** sich am 15.November 1989 in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lassen, den Peter H***** (seinen Enkelsohn) durch vier Schüsse in den Kopf-, Brust- und Rückenbereich mit einer Pistole Marke Erma, Kaliber 6,35 mm, vorsätzlich zu töten; und
(zu 2) Hermann R***** zur Ausführung der strafbaren Handlung des Andreas R***** dadurch beigetragen, daß er im Jahr 1989 bis zum 14. November 1989 gegenüber Andreas R***** wiederholt erklärte, er, Hermann R***** könne sich die Finger nicht schmutzig machen, Andreas R***** müsse einen Mord selbst ausführen, und am 15. November 1989 Andreas R***** vom Erwerb der Pistole Marke Erma, Kaliber 6,35 mm, durch Elfriede R***** in Kenntnis setzte.
Die Geschwornen hatten in Ansehung des Angeklagten Andreas R***** nach Verneinung der anklagekonform gestellten Hauptfrage 1 nach Mord die auf das Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB) lautende Eventualfrage 2 (stimmeneinhellig) bejaht. Die Zusatzfrage 3, ob sich Andreas R***** bei der in der Hauptfrage 1 bzw in der Eventualfrage 2 geschilderten Tat nur der notwendigen Verteidigung bedient habe, um einen tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriff auf sein Leben, seine Gesundheit oder körperliche Unversehrtheit abzuwenden, oder ob er lediglich aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritten bzw sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung bedient habe, wurde von den Geschwornen (einstimmig) verneint. Hinsichtlich des Angeklagten Hermann R***** wurde die anklagekonform auf Beteiligung am Mord gerichtete Hauptfrage 5 (im Stimmenverhältnis 5 : 3) bejaht. Die nur für den Fall der Bejahung der Hauptfrage 1 oder der Eventualfrage 2 zu beantwortende, auf das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB lautende Eventualfrage 4 blieb demzufolge unbeantwortet.
Andreas R***** und Hermann R***** bekämpfen den Schuldspruch mit (getrennt ausgeführten), von beiden auf den Grund nach Z 10 a, von Hermann R***** auch auf jenen der Z 11 lit a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Die Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich des Angeklagten Andreas R***** gestützt auf die Z 9 der zitierten Verfahrensvorschrift gleichfalls Nichtigkeitsbeschwerde erhoben.
Sämtlichen Beschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten:
Rechtliche Beurteilung
Als nicht berechtigt erweist sich zunächst die Tatsachenrüge (Z 10 a) des Angeklagten Andreas R*****, mit welcher insbesondere unter Hinweis auf die eigenen Angaben in der Hauptverhandlung und auf die Möglichkeit, er könne durch seinen extremen mundartlichen Dialekt, wozu noch komme, daß er "etwas schwerhörig" sei, von der des Innviertler Dialektes nicht mächtigen Untersuchungsrichterin "falsch verstanden" worden sein, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen in bezug auf die Verneinung einer Notwehr- bzw Putativnotwehrsituation getroffenen Tatsachenfeststellungen geltend gemacht werden. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergibt sich indes schon aus den eigenen Angaben des Angeklagten Andreas R*****, daß er in den Mittagsstunden des 15.November 1989 den Entschluß gefaßt habe, seinen gewalttätigen Enkelsohn Peter H***** mit der im Wohnhaus des Mitangeklagten Hermann R***** befindlichen Faustfeuerwaffe zu erschießen. Im Besitz dieser Waffe sei er mit Peter H***** zusammengetroffen, der von ihm Geld gefordert, ihn gestoßen, bedroht und auch zu Boden gedrückt habe, wobei er jedoch von H***** "nur gepackt und hin- und hergestoßen" worden sei. Als ihm dieser dann über sein Ersuchen ausgelassen habe, sei der "Zorn wieder voll dagewesen" und er habe wie auch schon zuvor beim Holen der Pistole aus dem Nebenhaus den Entschluß gefaßt, "jetzt bringe ich ihn um", die Waffe aus der Hosentasche genommen und glaublich "auf die Brust des Peter ... einfach geschossen" (S 11/I). Soweit die Beschwerde ersichtlich mit Beziehung auf die in der Hauptverhandlung geänderte Verantwortung des Angeklagten (S 264 ff/II) insbesondere eine gewisse Schwerhörigkeit und seinen schwer verständlichen Dialekt ins Treffen führt, ergibt sich aus der Aussage der als Zeugin vernommenen Untersuchungsrichterin Dr. H*****, daß sie den Beschwerdeführer, wenn er "schwallmäßig geredet" habe, zwar mitunter etwas schlecht verstanden habe, doch habe sie in derartigen Fällen vor dem Diktat nachgefragt und ihn "letztendlich schon verstanden" (S 355 f/II). Die Tatsachenrüge des Angeklagten Andreas R***** vermag somit weder schwerwiegende unter Außerachtlassung der Verpflichtung des Gerichtes zur amtswegigen Wahrheitserforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung noch an Hand der Akten Beweisergebnisse aufzuzeigen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen Lebenserfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der im Verdikt festgestellten entscheidenden Tatsachen entstehen lassen (EvBl 1988/116 ua). In Wahrheit wendet sich der Angeklagte Andreas R***** ausschließlich gegen die Beweiswürdigung der Geschwornen, zeigt aber nicht auf, inwiefern die Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit in einer Weise verletzt worden wäre, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellen entscheidenden Tatsachen resultieren müßten.
Dies gilt gleichermaßen für die Tatsachenrüge des Angeklagten Hermann R*****, mit der er ins Treffen führt, es gebe "keinen wirklichen Hinweis darauf", daß er zur strafbaren Handlung des Angeklagten Andreas R***** in der ihm vorgeworfenen Form beigetragen habe. Objektiviert sei lediglich, daß er am 15. November 1989 mit seiner Ehefrau Elfriede R***** in die Stadt Salzburg gefahren sei, wo diese die spätere Tatwaffe gekauft habe. Er habe sich zwar "durch gewisse Ungeschicklichkeiten selbst in die Position eines Verdächtigen hineinmanövriert", indem er in einem "völlig nebensächlichen Detail" im Zusammenhang mit der Fahrt nach Salzburg objektiv falsche Angaben gemacht habe. Da seine Ehefrau Elfriede R***** (im selben Verfahren) freigesprochen worden sei, hätten sich die Geschwornen beim Wahrspruch nicht von sachlichen Erwägungen, sondern von Sympathie bzw Antipathie (ihm gegenüber) leiten lassen. Zudem sei im Lauf der Vernehmung des Mitangeklagten Andreas R***** im Vorverfahren "niemandem aufgefallen", daß die Tatwaffe nicht wie vom Angeklagten Andreas R***** damals angegeben, "bereits ein paar Tage" im Haus des Hermann R***** gewesen, sondern erwiesenermaßen erst am Tag davor, nämlich am 15.November 1989, gekauft worden sei.
Die Beschwerde übersieht dabei, daß es bei der Überprüfung einer Tatsachenrüge (Z 10 a) nicht auf die Stichhältigkeit der von den Geschwornen deklarierten Erwägungen ankommt, sondern ausschließlich darauf, ob sich für den Obersten Gerichtshof selbst aus den damit relevierten Verfahrensergebnissen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der dem Verdikt zugrundeliegenden Beweiswürdigung ergeben. Im übrigen ist den bezüglichen Angaben des Angeklagten Andreas R***** im Vorverfahren (S 31/I), wonach ihm sein Sohn (Hermann R*****) einmal gesagt habe, "daß sie eine Pistole gekauft haben", lediglich zu entnehmen, daß er nicht mehr wisse, "wie lange die (Pistole) da war, ein paar Tage vielleicht". Auch das bezügliche Vorbringen des Angeklagten Hermann R***** vermag sohin nach eingehender Prüfung sämtlicher aktenkundigen Verfahrensergebnisse keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im (ihn betreffenden) Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Es versagt aber auch die Rechtsrüge (Z 11 a), mit welcher der Angeklagte Hermann R***** das Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung mit der Argumentation negiert, daß sich sein durch den Wahrspruch festgestellter Tatbeitrag auf das Verbrechen des Mordes und nicht auf die dem unmittelbaren Täter (Andreas R*****) letztlich zur Last liegende Straftat des Totschlags beziehe; mag auch der gleiche Erfolg eingetreten sein, so bestehe doch ein qualitativer Unterschied und weiche die Ausführung vom Tatplan derart ab, daß "die Tat dem Beitragstäter nicht objektiv" zugerechnet werden könne.
Mord und Totschlag unterscheiden sich indes ausschließlich in subjektiver Hinsicht, und zwar allein durch den im § 76 StGB beschriebenen Affekt. Die den (allgemeinen) Tatbestand des Mordes nach § 75 StGB privilegierenden Merkmale des Totschlags nach § 76 StGB, nämlich eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung des Täters, in der er sich zur Tat hinreißen läßt, betreffen ausschließlich die Schuld im Sinn des § 14 Abs. 2 StGB. Nach dem Inhalt des vorliegenden Verdikts, wonach sich Andreas R***** bei seiner Tat in einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung befand, lagen die in Rede stehenden privilegierenden Merkmale beim Angeklagten Hermann R***** jedenfalls nicht vor (vgl SSt 49/53; Kienapfel BT I3 RN 38; Leukauf-Steininger Komm2 RN 14, Moos WK Rz 57 je zu § 76).
Die Beurteilung des im Wahrspruch der Geschwornen zur Hauptfrage 5 festgestellten Sachverhalts als das in der Erscheinungsform eines sonstigen Tatbeitrages im Sinn des dritten Falles des § 12 StGB begangenen Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB erfolgte demnach frei von Rechtsirrtum.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Gestützt auf § 345 Abs. 1 Z 9 StPO rügt die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Andreas R***** die Antwort der Geschwornen auf die gestellten (Schuld-)Fragen als undeutlich bzw in sich widersprechend, weil die Geschwornen dem Angeklagten Andreas R***** durch Bejahung der bezüglichen Eventualfrage (nach § 76 StGB) eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung zubilligten, während sie den Angeklagten Hermann R***** (durch Bejahung der anklagekonformen Hauptfrage) der Beteiligung am Mord schuldig erkannten, begangen dadurch, daß er Andreas R***** in dem bereits seit längerer Zeit bestandenen Mordvorsatz bestärkt habe. Angesichts des "über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr" vorgelegenen Tötungsvorsatzes beim Angeklagten Andreas R*****, dem die Geschwornen (in ihrer Niederschrift) zudem lediglich einen erregten Gemütszustand attestiert hätten, sei eine den Voraussetzungen des § 76 StGB entsprechende heftige Gemütsbewegung ausgeschlossen.
Entgegen diesen Beschwerdeausführungen haftet dem Wahrspruch im gegebenen Zusammenhang die behauptete Nichtigkeit (Z 9) nicht an. Derartige Mängel des Wahrspruchs müssen nämlich aus dem Inhalt desselben abgeleitet werden. Dessen Vergleich mit vermeintlichen oder tatsächlichen Verfahrensergebnissen oder mit der gemäß § 331 Abs. 3 StPO verfaßten Niederschrift entspricht nicht der gesetzmäßigen Darstellung des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes. Die für die Beantwortung der Fragen maßgeblichen, in der bezeichneten Niederschrift festgehaltenen Erwägungen der Geschwornen, auf welche die Staatsanwaltschaft zurückgreift, sind nicht Gegenstand des Verdikts; sie können daher weder im Rahmen der Z 9 des § 345 Abs. 1 StPO noch unter einem anderen Nichtigkeitsgrund erörtert bzw angefochten werden (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 11 zu § 331; ENr 7 zu § 345 Z 9). Im übrigen kann die Privilegierung nach § 76 StGB - wiewohl die Beurteilung einer vorsätzlichen Tötung als Totschlag zwar primär Spontanietät des Tötungsvorsatzs verlangt, die einem schon vor dem Affektausbruch gefaßten und auch in den wesentlichen Ausführungsmodalitäten hinreichend konkretisierten Tötungsentschluß fehlt - jedenfalls dann in Betracht kommen, wenn der im Affekt handelnde Täter zwar vor dem Affektausbruch mit dem Gedanken an die Tat gespielt hatte, zu ihr also schon früher innerlich bereit, aber noch nicht fest entschlossen war und sich erst in der durch ein späteres Verhalten des Opfers ausgelösten heftigen Gemütsbewegung zur Tatausführung hinreißen ließ (vgl NRsp 1990/103; Kienapfel aaO RN 22 a).
Sämtlichen Nichtigkeitsbeschwerden kommt sohin nach keiner Richtung hin Berechtigung zu, weshalb sie zu verwerfen waren.
Über die Berufung des Angeklagten Andreas R*****, der wegen Krankheit (und mangelnder Verhandlungsfähigkeit) zum Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof nicht erschienen war, weshalb die Verhandlung bei ihm auf die Nichtigkeitsbeschwerde beschränkt wurde (§§ 232 Abs. 4, 256 Abs. 2 StPO sinngemäß) wird nach Feststellung seiner Verhandlungsfähigkeit durch das Erstgericht gemäß §§ 296 Abs. 1, 294 Abs. 3 StPO das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden haben, da dann in dieser Strafsache nicht mehr über eine Nichtigkeitsbeschwerde zu erkennen sein wird.
Es hat aber auch der Angeklagte Hermann R***** Berufung erhoben.
Ihn verurteilte das Geschwornengericht nach §§ 41, 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
Dabei wertete es keinen Umstand als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, das Tatsachengeständnis, die langjährigen Bedrohungen und Mißhandlungen der Familienmitglieder durch den Getöteten und den Umstand, daß Hermann R***** an der von Andreas R***** begangenen Straftat nur in untergeordneter Weise beteiligt war, als mildernd.
Der Berufung, mit welcher der Angeklagte Hermann R***** eine (weitere) Herabsetzung der Freiheitsstrafe (auf ein Jahr - § 41 Abs. 1 Z 1 StGB) anstrebt, kommt gleichfalls keine Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend festgestellt. Weitere, vom Geschwornengericht noch nicht berücksichtigte Milderungsgründe vermag der Berufungswerber nicht aufzuzeigen. Die von der Berufung hervorgekehrte besondere Lage des Falles aber wurde durch die unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) erfolgte Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß (von zehn Jahren) erheblich unterschreitenden Freiheitsstrafe ohnedies ausreichend berücksichtigt.
Die vom Geschwornengericht verhängte (fünfjährige) Freiheitsstrafe ist somit tat- und tätergerecht, weshalb auch der Berufung des Angeklagten Hermann R***** ein Erfolg zu versagen war.
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