OGH 3Ob52/93

OGH3Ob52/9328.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelmine N*****, vertreten durch Dr.Paul Herzog, Rechtsanwalt in Mittersill, wider die beklagte Partei Dr.Werner Sch*****, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (Streitwert S 200.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 3.September 1991, GZ 46 R 908/91-65, womit infolge Berufung beider Teile das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 29.März 1991, GZ 5 C 1/90-54, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten der erfolglosen Revision selbst zu tragen.

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte vertrat die Klägerin in der Zeit vom 2.6.1981 bis 5.11.1983 in verschiedenen Angelegenheiten sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich rechtsfreundlich. Mit vollstreckbarem Notariatsakt und Pfandbestellungsvertrag vom 21.3.1983 anerkannte und bestätigte die Klägerin, daß sie dem Beklagten für dessen Vertretungen in ihren Rechtsangelegenheiten ein Honorar in der Höhe von S 200.000,-- aufrecht schuldig sei. Zur Sicherstellung dieser Honorarschuld bestellte sie die ihr gehörige Liegenschaft EZ 996 KG K***** dem Beklagten zum Pfand. Dieses Pfandrecht wurde intabuliert. Zu E 26.092/86 des Erstgerichtes leitete der Beklagte das Zwangsversteigerungsverfahren dieser Liegenschaft ein.

Im Verfahren 52 Cg 28/85 des Landesgerichtes für ZRS Wien begehrte der Beklagte von der Klägerin über den Betrag von S 200.000,-- hinaus einen restlichen Honorarbetrag von S 70.952,72 samt Anhang. Die Klägerin wendete dort unter anderem ein, daß die Leistung des Beklagten mit dem Betrag von S 200.000,--, der grundbücherlich sichergestellt sei, weitaus abgedeckt wäre und daß sohin der darüber hinausgehende nunmehr eingeklagte Betrag nicht berechtigt sei. In diesem Verfahren wurden alle aus der rechtsfreundlichen Tätigkeit des Beklagten abgeleiteten Honoraransprüche einer Beurteilung unterzogen und schließlich mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11.7.1988, 14 R 10/88-42, über Berufung der Klägerin rechtskräftig entschieden, daß dem Beklagten ein Honoraranspruch von S 32.499,74 samt Anhang zustehe.

Mit der am 29.5.1987 eingebrachten Oppositionsklage begehrt die Klägerin den Ausspruch, daß der Anspruch des Beklagten aus dem vollstreckbaren Notariatsakt vom 21.3.1983 erloschen und die zu E 26.092/86 des Bezirksgerichtes Mödling bewilligte Exekution einzustellen sei. Leistungen seien überhöht verrechnet oder nicht erbracht worden, zwecklose Leistungen könnten nicht honoriert werden, unrichtige Rechtsbelehrungen aus Anlaß eines beabsichtigten Hauskaufes seien erteilt worden. Die Klägerin begehrte die komplette Neuberechnung des tatsächlich gerechtfertigten Honoraranspruches des Beklagten, von dem dann der bereits rechtskräftig zuerkannte Betrag abgezogen werden solle.

Der Beklagte wendete unter anderem ein, daß andere als im Verfahren 52 Cg 28/85 des Landesgerichtes für ZRS Wien bereits erhobene Einwendungen unzulässig seien.

Das Erstgericht sprach aus, daß der Anspruch des Beklagten, soweit er den Betrag von S 81.451,54 samt Anhang übersteige, erloschen sei, das Mehrbegehren wies es ab.

Beide Teile erhoben Berufung.

Das Berufungsgericht gab nur der Berufung des Beklagten Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige, die (ordentliche) Revision sei nicht zulässig. Auszugehen sei davon, daß im Verfahren 52 Cg 28/85 des Landesgerichtes für ZRS Wien geprüft worden sei, welche Honorarforderungen dem Beklagten gegen die Klägerin zustünden. An das Ergebnis dieses Verfahrens seien aber Gerichte und Parteien gebunden. Die Vorfragebeurteilung im Folgeprozeß könne nicht von der rechtskräftigen Entscheidung im ersten Prozeß abweichen. Da mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien die Höhe der dem Beklagten gegen die Klägerin zustehenden Anspruches festgestellt worden sei, sei die Klage abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zwar zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtskraft als Prozeßhindernis setzt entweder Identität des Anspruches oder das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruches voraus. Über diese objektiven Grenzen der Rechtskraft hinaus kann aber eine sachliche Bindung an die Vorentscheidung gegeben sein. In diesem Fall führt die inhaltliche Bindung an die Vorentscheidung dazu, daß unter Ausschluß der sachlichen Behandlung und Prüfung des Gegenstandes dem neuerlichen Urteil die rechtskräftige Entscheidung zugrundezulegen ist (SZ 52/151 ua; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1517). Das Berufungsgericht erkannte richtig, daß hier eine andere sachliche Entscheidung als die Abweisung des Klagebegehrens infolge Bindungswirkung an die rechtskräftige Vorentscheidung zu 52 Cg 27/85 des Landesgerichtes für ZRS Wien nicht in Betracht kommt. Entgegen den Revisionsausführungen machte der Beklagte dort nicht bloß einen Teil seines Honoraranspruches geltend, sondern er rechnete seinen gesamten Honoraranspruch ab. Das zwischen den Parteien bestandene Rechtsverhältnis war somit als Ganzes Entscheidungsgegenstand. Aus diesem Rechtsverhältnis ohne Sachverhaltsänderung abgeleitete Folgerungen bilden nunmehr den Gegenstand der Entscheidung in diesem Verfahren. In solchen Fällen wird neues Vorbringen zu einem nicht geänderten Sachverhalt aber durch die Bindungswirkung ausgeschlossen (RZ 1989/96 ua, zuletzt 1 Ob 576/92). Denn es wäre logisch (vgl. Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht14 986) miteinander nicht vereinbar, im Folgeprozeß davon auszugehen, daß der Honoraranspruch des Beklagten insgesamt nicht höher sei als der im Vorprozeß zuerkannte Betrag, wenn dort geprüft wurde, wie hoch über S 200.000,-- der Anspruch des Beklagten sei. Beide Verfahren stehen somit in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang, daß die gebotene Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie die widersprechende Beantwortung ein und derselben in beiden Fällen zu entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (RZ 1989/96; SZ 55/74; JBl. 1980, 451; RZ 1980/31; RZ 1977/49 uva, zuletzt 9 Ob A 224/92 und 1 Ob 576/92).

Auf die vom Erstgericht als nicht zu Recht bestehend beurteilten Gegenforderungen kommt die Klägerin in dritter Instanz nicht mehr zurück.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Der Beklagte erstattete nach Zustellung des Beschlusses über die Freistellung der Revisionsbeantwortung am 5.6.1992 am 3.7.1992 (Postaufgabedatum), sohin am letzten Tag der Frist, eine - entgegen § 508a Abs 2 ZPO beim Erstgericht eingebrachte - Revisionsbeantwortung, die erst nach Fristablauf beim Obersten Gerichtshof einlangte (9.7.1992) und daher als verspätet zurückzuweisen ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte