OGH 4Ob508/93

OGH4Ob508/9323.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Thomas M*****, geboren am 1.März 1975 infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch seine Mutter Ingeborg Marie M*****, diese vertreten durch Dr.Alfred Haslinger und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 3.Dezember 1992, GZ 18 R 796/92-64, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 2.November 1992, GZ 28 P 52/88-58, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Vergleich vom 9.6.1989 verpflichtete sich der Vater, für seinen minderjährigen Sohn ab 1.7.1989 einen monatlichen Unterhalt von S 4.000 zu zahlen. Diesem Vergleich war ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von S 31.842 sowie seine Unterhaltspflicht für die Tochter Edith und die Mutter des Minderjährigen zugrunde gelegt worden (ON 30).

Mit Beschluß vom 16.1.1992, ON 39, wurde die Unterhaltsleistung des Vaters ab 1.1.1992 auf S 5.000 erhöht. Der Minderjährige hatte (durch seine Mutter) diese Erhöhung mit der Behauptung begehrt, daß sein Vater monatlich rund S 40.000 verdiene (ON 37); der Vater hatte der beantragten Erhöhung zugestimmt (ON 38).

Mit der Behauptung, daß diese Unterhaltserhöhung nicht die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Vaters berücksichtige, welcher über ein monatliches Durchschnittseinkommen von mindestens S 40.000 verfüge, begehrte der Minderjährige durch seine Mutter am 20.2.1992 eine rückwirkende Unterhaltserhöhung ab 1.7.1989 auf S 7.000; für die Zeit ab 1.3.1992 begehrte er monatlich S 7.200 (ON 41).

Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht trug dem Vater auf, anstelle des bisherigen Unterhaltes von S 4.000 (auf Grund des Vergleiches vom 9.6.1989 ON 30) bzw von S 5.000 (auf Grund des Beschlusses vom 16.1.1992 ON 39) dem Minderjährigen folgende monatliche Unterhaltsbeträge zu leisten:

a) vom 1.7. bis 31.12.1989 S 4.500;

b) vom 1.1.1990 bis 31.12.1990 S 5.500;

c) vom 1.1.1991 bis 30.9.1992 S 6.000;

das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Das Erstgericht stellte folgende monatliche Nettobezüge des Vaters (einschließlich der Sonderzahlungen) fest:

1989 S 33.791,66,

1990 S 36.832,80,

1991 S 39.385,33 und

1992 S 38.756,41.

Der Vater habe noch für die Mutter des Kindes, Ingeborg M*****, Unterhalt zu leisten, und zwar seit 1.6.1989 in der Höhe von monatlich S 11.200 und seit 1.1.1990 in der Höhe von monatlich S 12.200, zuzüglich jeweils rund S 790 für Krankenversicherung. Für seine großjährige Tochter Edith sei der Vater zunächst zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.500, ab 1.1.1992 zu monatlich S 3.500 und ab 1.10.1992 zu monatlich S 6.000 verpflichtet gewesen.

Rechtlich hielt das Erstgericht eine Neubemessung der Unterhaltsleistungen für gerechtfertigt, weil der Vater ein höheres Einkommen beziehe, als dem Vergleich zugrunde gelegt worden war. Nach Abzug der nunmehr festgesetzten Unterhaltsbeträge verbleibe dem Vater ein ausreichend hohes Einkommen zur Bestreitung seiner eigenen Bedürfnisse. Ab 1.10.1992 habe sich aber die Unterhaltsverpflichtung für seine Tochter Edith derart erhöht, daß eine Erhöhung über den bisherigen Betrag von monatlich S 5.000 hinaus nicht gerechtfertigt erscheine.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes teilweise ab und legte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters insgesamt wie folgt fest:

a) vom 1.7.1989 bis 31.12.1989 S 4.500;

b) vom 1.1.1990 bis 28.2.1990 S 5.500;

c) vom 1.3.1990 bis 31.12.1990 S 6.000;

d) vom 1.1.1991 bis 31.12.1991 S 6.500;

e) vom 1.1.1992 bis 30.9.1992 S 6.000;

f) ab 1.10.1992 bis auf weiteres,

jedoch längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen, S 5.000.

Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Was den Zeitraum vom 1.7. bis zum 31.12.1989 angehe, stehe der dem Vergleich zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage von monatlich durchschnittlich rund S 31.846 netto der tatsächliche Bezug des Vaters von S 33.791,66 gegenüber. Diese geringfügige Einkommenssteigerung von knapp über 6 % vermöge aber die Leistungsfähigkeit des Vaters nicht so zu steigern, daß von geänderten Umständen gesprochen werden könnte. Nach den von den Eltern im Vergleich herbeigeführten Relationen wäre daher der vom Vater zu leistende Unterhalt für diesen Zeitraum bei S 4.000 zu belassen gewesen. Durch die vom Erstgericht vorgenommene Erhöhung auf monatlich S 4.500 könne sich der Minderjährige daher keinesfalls beschwert erachten. Für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 28.2.1990 liege kein Rekursantrag auf Abänderung der erstgerichtlichen Bemessung vor, so daß sich eine weitere Stellungnahme erübrige. Für den Zeitraum vom 1.3. bis 31.12.1990 rechtfertige die Einkommenssteigerung des Vaters auf monatlich S 36.832,80 eine rückwirkende Unterhaltserhöhung. Die Prozentmethode sei aber nach wie vor kein normiertes Kriterium, sondern nur eine Orientierungshilfe. Unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten für die Gattin und die großjährige Tochter erscheine für diesen Zeitraum ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 6.000 angemessen, um den Minderjährigen an den Lebensverhältnissen des Vaters entsprechend teilnehmen zu lassen. Für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12.1991 sei unter Berücksichtigung des Einkommens des Vaters von monatlich S 39.385,33 und der altersbedingten Bedürfnissteigerung des Minderjährigen ein Unterhaltsbetrag von monatlich S 6.500 angemessen. Was die Zeit ab dem 1.1.1992 betreffe, so müsse beachtet werden, daß der Minderjährige in seinem dem Beschluß vom 16.1.1992, ON 39, zugrunde liegenden Antrag ohnehin von einem monatlichen Einkommen des Vaters in der Höhe von S 40.000 und den nunmehr festgestellten Sorgepflichten ausgegangen sei; angesichts dieser Einkommensverhältnisse des Vaters habe der Minderjährige einen Unterhalt von monatlich S 5.000 ab 1.1.1992 für angemessen erachtet. Tatsächlich habe der Vater 1992 durchschnittlich monatlich nur S 38.756,41 verdient. Da der Minderjährige ausdrücklich nur S 5.000 verlangt habe, sei von einem Verzicht auf einen höheren Unterhaltsbetrag auszugehen. In seinem Antrag könne nicht eine bloß teilweise Geltendmachung seines Unterhaltsanspruches erblickt werden. Der Minderjährige könne sich daher durch die vom Erstgericht beschlossene Unterhaltserhöhung für den Zeitraum ab 1.1.1992 auf monatlich S 6.000 nicht beschwert erachten. Für die Zeit ab 1.10.1992 sei ferner zu berücksichtigen, daß sich die Sorgepflicht des Vaters für seine Tochter Edith von S 3.500 auf S 6.000 erhöht habe. Es bestehe daher auch für den laufenden Unterhalt kein Anlaß, einen höheren Betrag als S 5.000 zuzusprechen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Minderjährigen mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der monatliche Unterhalt vom 1.7. bis 31.12.1989 mit S 5.100, vom 1.3. bis 31.12.1990 mit S 6.300, vom 1.1. bis 31.12.1991 mit S 6.700 und ab 1.1.1992 fortlaufend mit S

6.600 bestimmt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht teilweise von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. (§ 14 Abs 1 AußStrG); er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Dem Rechtsmittelwerber ist darin beizupflichten, daß in seinem Antrag vom 6.1.1991, ON 37, die monatliche Unterhaltsleistung seines Vaters, dessen Einkommen er mit S 40.000 geschätzt hatte, (nur) auf S 5.000 zu erhöhen, kein Verzicht auf einen höheren Anspruch zu erblicken ist, geht doch niemand durch bloßes Unterlassen der Geltendmachung eines Anspruches seines Rechtes verlustig (SZ 34/106; SZ 49/127; JBl 1982, 426; ÖA 1991, 18). Bloßes Untätigsein genügt auch nicht für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes (RZ 1978/41; RZ 1985/75; ÖA 1991, 18; RZ 1991/26; 4 Ob 565/91 ua). Ein Unterhaltsverzicht hätte im übrigen auch der - hier nicht vorhandenen - pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft (Schlemmer-Schwimann in Schwimann, ABGB, Rz 86 zu § 140).

Einem weitergehenden Erhöhungsantrag steht auch nicht die Rechtskraft - der auch Entscheidungen im außerstreitigen Verfahren fähig sind (JBl 1974, 268; SZ 44/82; EFSlg 44.706; 4 Ob 565/91 uva) - entgegen. Der zusätzlich geltend gemachte Unterhaltsbetrag war ja nicht Gegenstand der vorangegangenen Entscheidung, weil das Gericht infolge des trotz der Untersuchungsmaxime (§ 2 AußStrG) auch im außerstreitigen Unterhaltsbemessungsverfahren geltenden Dispositionsgrundsatzes (4 Ob 565/91 mit Nachweisen aus dem Schrifttum) darüber nicht entscheiden konnte. Ein Anspruch aber, den der Minderjährige gar nicht erhoben hatte, konnte - ungeachtet der Tatsache, daß der frühere Antrag nicht als Teilantrag bezeichnet und eine Nachforderung nicht ausdrücklich vorbehalten worden war - nicht Gegenstand der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung sein (SZ 22/190; SZ 48/113; SZ 49/114; ÖA 1991, 18; RZ 1992/13; 4 Ob 565/91 ua; Wit, Probleme der Teileinklagung und Rechtskraft, JBl 1981, 406 ff [409 ff, 416 f]; Fasching aaO Rz 1516; Pichler, Gedanken zum Unterhalt für die Vergangenheit, ÖA 1988, 68 ff [69 f]), ist doch die Identität der Ansprüche Voraussetzung der materiellen Rechtskraftwirkung (Fasching aaO Rz 1515; 4 Ob 565/91).

Der Unterhaltserhöhungsbeschluß vom 16.1.1992, ON 39, stünde demnach einem höheren Unterhaltszuspruch nicht entgegen. Damit ist aber für den Minderjährigen nichts gewonnen:

Wie das Rekursgericht bei der Behandlung des Unterhaltserhöhungsbegehrens für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.1989 zutreffend ausgeführt hat, ist nämlich auf den Vergleich vom 9.6.1989 Bedacht zu nehmen. In Punkt 3 dieses Vergleiches hatten die Partei festgehalten, daß der einvernehmlich festgelegten Unterhaltsbemessung die in einem vorangegangenen Beschluß festgestellten Einkommensverhältnisse - also ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von etwas mehr als S 31.840 (S. 100) - sowie die Sorgepflicht für die Tochter und die Mutter zugrunde lägen. Dieser Vergleich wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 30.6.1989, ON 33, pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Im Hinblick auf die in den Vergleich aufgenommene Bestimmung, mit welcher der Unterhaltsvereinbarung die für sie wesentlichen Bemessungskriterien ausdrücklich zugrunde gelegt wurden, kann es nicht zweifelhaft sein, daß die Eltern weitere Unterhaltsfestsetzungen an die dort festgehaltenen Bemessungsparameter binden wollten, entbehrte doch sonst diese Vertragsbestimmung jeder rechtlichen Bedeutung. Punkt 3 des Vergleiches kann daher nur dahin verstanden werden, daß die darin festgehaltenen Relationen auch für weitere Unterhaltsfestsetzungen gelten sollten. Da dieser Vergleich pflegschaftsgerichtlich genehmigt wurde, darf die Entscheidung über das Unterhaltserhöhungsbegehren nicht einfach von der bisherigen vergleichsweisen Regelung abgekoppelt und von der darin unter Bedachtnahme auf die damals gegebenen Verhältnisse zum Ausdruck gebrachten Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze völlig losgelöst getroffen werden (EFSlg 48.150; 59.518; RZ 1992/58; 4 Ob 566/91; Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 8 a zu § 901). Aus diesen Grundsätzen folgt jedoch entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht allein, daß der Minderjährige für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.1989 jedenfalls nicht mehr als den ihm vom Erstgericht rechtskräftig zugesprochenen Unterhaltsbetrag von monatlich S 4.500 verlangen kann; vielmehr muß an dieser Vergleichsbestimmung der Revisionsrekurs auch, soweit er andere Zeiträume betrifft, scheitern. Da sich die Parteien - mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung - bei einem Einkommen des Vaters von rund S 31.840 und seinen Sorgepflichten für ein weiteres Kind und seine Gattin auf eine monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters in der Höhe von S 4.000 geeinigt hatten, kann der Minderjährige unter Bedachtnahme auf die darin zum Ausdruck gekommenen Relationen nicht ab 1.10.1992 - in welchem Jahr der Vater monatlich durchschnittlich S 38.756,41 verdiente - mehr als den ihm schon zuerkannten Betrag von monatlich S 5.000 verlangen. Daß mittlerweile die Bedürfnisse des Minderjährigen altersbedingt angestiegen sind, kommt ohnehin in der prozentmäßig höheren Belastung des väterlichen Einkommens zum Ausdruck. Die weiteren Sorgepflichten des Vaters haben sich seit dem Vergleichsabschluß nicht verringert. Die mit Beschluß vom 16.1.1992, ON 39, - auf Grund übereinstimmender Erklärungen der Parteien - mit S 5.000 festgelegte monatliche Unterhaltsleistung des Vaters entspricht - zumal der Vater im Jahre 1991 im Monatsdurchschnitt mehr als S 39.000 verdient hatte - den Vergleichsrelationen.

Im Hinblick auf den Vergleich kann der Minderjährige nicht mit Erfolg beanstanden, daß die Vorinstanzen bei der Unterhaltsbemessung die üblichen Prozentsätze (vgl Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 5 a zu § 140) teilweise unterschritten haben. Dem Revisionsrekursmußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

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