OGH 2Ob503/93

OGH2Ob503/934.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Josef und Maria S*****, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dipl.Ing. Heinz W*****, vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, und 2. S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Norbert Gugerbauer, Dr.Gerhard Schatzlmayr und Dr.Klaus Schiller, Rechtsanwälte in Schwanenstdt, wegen Zahlung von S 75.240,57 und Räumung infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 21.Oktober 1992, GZ R 782/92-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 27. August 1992, GZ 2 C 298/92-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit je S 9.719,82 (darin enthalten S 1.619,97 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Hälfteeigentümer der Grundstücke 432/1 und 428, vorgetragen bei der Liegenschaft EZ 59, KG W*****. Am 19.1.1983 haben sie mit dem Erstbeklagten eine als "Dienstbarkeitsbestellungsvertrag" bezeichnete schriftliche Vereinbarung folgenden wesentlichen Inhalts geschlossen:

"1. Josef und Maria S***** für sich und ihre Rechtsnachfolger im Besitz der vorbezeichneten Grundstücke räumen hiemit Herrn Dipl.Ing. Heinz W***** und dessen Rechtsnachfolgern die Dienstbarkeit ein, auf dem in den diesem Vertrag angeschlossenen Lageplan rot angelegten Teil der oben genannten Grundstücke ab dem Tage der Unterfertigung dieses Vertrages eine Schiliftanlage, eine Schipiste sowie eine Hangrodelbahn zu erstellen, zu erhalten und zu betreiben, wobei die Schipiste nordwestlich und die Rodelpiste südwestlich des Liftes anzulegen sind.

Die Dienstbarkeit ist auf die in dem einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildenden Lageplan bezeichneten Teile der Liegenschaft beschränkt; das Ausmaß dieser Teile beträgt ca. 2.000 m2.

Vorstehende Dienstbarkeit umfaßt das Recht, alle Maßnahmen, die für die Errichtung und Erhaltung sowie für den ordnungsgemäßen ungestörten Betrieb derartiger Anlagen zweckmäßig oder notwendig sind, durchzuführen wie z.B.:

a) Geländeverschiebungen (Abtragen und Anschieben) vorzunehmen,

b) Dränagierungen vorzunehmen und Dränage- sowie Oberflächenwässer abzuleiten,

c) auf den dienenden Grundstücken Bauwerke auf fremdem Grund zu errichten und auf Dienstbarkeitsdauer zu erhalten. Diese Bauwerke verbleiben im Eigentum des Dienstbarkeitsberechtigten,

2. Als Entgelt für die Einräumung und Ausübung der vertragsgegenständlichen Dienstbarkeit sowie für den damit verbundenen Nutzungsentgang und die damit verbundenen Wirtschaftserschwernisse auch auf den angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen wird vereinbart:

Jährlich ein Betrag von S 25.000,-- zuzüglich der Umsatzsteuer in der gesetzlichen Höhe.

3. Die vertragsgegenständliche Dienstbarkeit wird auf unbestimmte Zeit begründet und kann von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer einjährigen Aufkündigungsfrist mittels eingeschriebenen Briefes zum 31. Oktober eines jeden Jahres aufgekündigt werden.

Der Eigentümer der dienenden Liegenschaft verzichtet auf eine Aufkündigung des Vertrages für einen Zeitpunkt vor dem 31.Oktober 2006.

Der Eigentümer der dienenden Grundstücke ist unbeschadet des Kündigungsverzichtes gemäß Abs.1 zu einer sofortigen Auflösung des Vertrages berechtigt, wenn der Dienstbarkeitsberechtigte mit der Bezahlung des Entgeltes trotz Mahnung mittels eingeschriebenen Briefes und Setzung einer Nachfrist von drei Monaten in Verzug ist.

4. Der Eigentümer der dienenden Grundstücke erklärt sich ausdrücklich damit einverstanden, daß der Dienstbarkeitsberechtigte die eingeräumte Dienstbarkeit auf einen anderen Berechtigten entgeltlich oder unentgeltlich überträgt oder seine Rechte aus diesem Vertrag ganz oder teilweise aus welchem Rechtstitel immer durch einen Dritten ausüben läßt.

5. a) bis e) ....

f) Die Vertragsteile vereinbaren ausdrücklich zur Bereinigung allfälliger Streitigkeiten aus dem gegenständlichen Dienstbarkeitsvertrag vor Befassung der ordentlichen Gerichte die Landwirtschaftskammer für Oberösterreich als Schiedsgericht anzurufen.

9. Der Eigentümer der dienenden Grundstücke nimmt zur Kenntnis, daß alle vom Dienstbarkeitsberechtigten errichteten und übernommenen Baulichkeiten als Bauwerke auf fremdem Grund im Sinne des § 435 ABGB anzusehen sind und daher ebenso wie allenfalls vom Dienstbarkeitsberechtigten auf die dienenden Grundstücke eingebrachten Fahrnisse in seinem Eigentum stehen.

10. Zur grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages und in Verdinglichung der bestellten Dienstbarkeit willigen die Vertragsteile bei der Liegenschaft EZ 59, KG W*****, ausdrücklich ein in die Einverleibung der Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung des Betriebes eines Schiliftes, einer Schipiste und einer Hangrodelbahn.... zugunsten des Dipl.Ing. Heinz W*****."

Mit der am 20.5.1992 beim Erstgericht (Bezirksgericht) eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Zahlung von S 75.240,52 samt Zinsen an rückständigem "Jahrespachtzins" für die Jahre 1990 bis 1992; sowie im Hinblick auf diesen Zahlungsrückstand den Abbau und die Entfernung der auf der gegenständlichen Liegenschaft errichteten Anlagen und die Rückversetzung der dienenden Grundstücke in einen zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung geeigneten Zustand. Die Kläger brachten vor, sich im Dienstbarkeitsbestellungsvertrag lediglich damit einverstanden erklärt zu haben, daß der Erstbeklagte die Ausübung seiner Rechte übertrage; einer Übertragung der Pflichten hätten sie jedoch nicht zustimmt.

Die (örtliche) Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes wurde auf § 91 Abs.2 iVm § 93 Abs.1 JN gestützt.

Die Beklagten meldeten bei der ersten Tagsatzung die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes ein, der Erstbeklagte insbesondere auch wegen der zu Punkt 5 lit.f des Dienstbarkeitsvertrages vereinbarten Schiedsklausel.

Die klagenden Parteien brachten dazu vor, daß der Erstbeklagte konkludent auf den Einwand des Schiedsvertrages verzichtet habe, im übrigen sei die Schiedsklausel nur zur Bereinigung allfälliger Streitigkeiten aus dem Dienstbarkeitsvertrag vereinbart worden; da dieser aufgelöst sei, gehe der Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs ins Leere.

Im übrigen wurde ausgeführt, gemäß § 83 Abs.1 JN gehörten die im § 49 Abs.2 Z 5 bezeichneten Streitigkeiten, nämlich Bestandstreitigkeiten, vor das Gericht, in dessen Sprengel die Sache liege.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 6.7.1992 bestritten die Beklagten das Vorliegen eines Bestandvertrages und brachten ergänzend vor, die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes sei nur für Dienstbarkeitsstreitigkeiten bezüglich einer Wohnung gegeben.

Nach Einschränkung des Verfahrens auf die Erörterung der Zuständigkeitsfrage wies das Erstgericht die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück, weil die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen nicht eine Wohnung oder ein Ausgedinge (§ 49 Abs.2 Z 3 JN) betreffenden Dienstbarkeitsstreit sich nach dem Wert des Streitgegenstandes richte.

Das von den Klägern angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung; es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000,-- S und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig.

Zum Zuständigkeitstatbestand des § 49 Abs.2 Z 5 JN (Bestandstreitigkeiten) führte das Rekursgericht aus, die rechtliche Beurteilung eines Vertrages habe nicht nach der von den Parteien vorgenommenen Typisierung, sondern nach dem Vertragsinhalt zu erfolgen; für die Rechtsnatur eines Vertrages sei nicht dessen Bezeichnung, sondern die Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgeblich. Im vorliegenden Fall sei sicher nicht von entscheidender Bedeutung, daß die Vertragsteile im Dienstbarkeitsbestellungsvertrag etwa 28mal das Wort "Dienstbarkeit" oder "Dienstbarkeitsberechtigter" und etwa 11mal den Begriff "dienende Grundstücke" verwendeten, und im Gegensatz dazu Begriffe wie "Bestandvertrag, Pachtvertrag, Mietvertrag" oder dgl. vermieden. Nach dem Vertragsinhalt, der im wesentlichen in der entgeltlichen Überlassung vormals landwirtschaftlicher Grundstücke zum Zwecke der Errichtung, der Erhaltung und des Betriebes eines Schiliftes, einer Schipiste und einer Rodelbahn bestehe, sei zwar die Qualifikation als Bestandvertrag naheliegend, nicht aber dermaßen zwingend, um die von den Parteien gewünschte Wertung als Dienstbarkeitsbestellungsvertrag rundweg auszuschließen. Zu bedenken sei auch, daß jene landesgesetzlichen Vorschriften, welche die zwangsweise Einräumung ähnlicher Benützungsrechte ermöglichen, dies in Form der Begründung von Dienstbarkeiten und nicht in Form von zu begründenden Bestandverhältnissen vorsehen. Das Erstgericht habe sohin zu Recht seine sachliche Zuständigkeit nach § 49 Abs.2 Z 5 JN verneint. Auf die Einrede des Schiedsvertrages brauche nicht mehr eingegangen zu werden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Parteien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß abzuändern und in Stattgebung des Rekurses dem Erstgericht die Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache aufzutragen.

Die beklagten Parteien haben Revisionsrekursbeantwortungen erstattet und beantragt, den Revisionsrekurs der klagenden Parteien zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu einem vergleichbaren Sachverhalt keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; er ist aber nicht berechtigt.

Die Kläger machen in ihrem Rechtsmittel geltend, bei der mit dem Erstbeklagten abgeschlossenen Vereinbarung handle es sich um einen Bestandvertrag, sodaß die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichtes gemäß § 49 Abs.2 Z 5 JN gegeben sei. Bei der Beurteilung eines Vertragsverhältnisses komme es nicht darauf an, was die Vertragsparteien wünschten, vielmehr sei gemäß § 914 ABGB unter der Absicht der Parteien der Geschäftszweck zu verstehen. Daß dieser im vorliegenden Fall auf den Abschluß eines Bestandvertrages gerichtet war, ergebe sich daraus, daß er auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Dienstbarkeiten würden aber gemäß § 524 ABGB durch Verjährung, Aufhebung der Rechte und Verbindlichkeiten bzw. durch den Tod erlöschen. Dazu komme, daß für den Erwerb einer Dienstbarkeit die Eintragung ins Grundbuch erforderlich sei; eine Verbücherung sei aber bislang nicht erfolgt. Schließlich sei es wesentlicher Bestandteil eines Dienstbarkeitsvertrages, daß eine Pflicht zu aktivem Tun oder zu passivem Dulden bestehe. Im vorliegenden Fall sei aber nur eine bestimmte Fläche gegen Entgelt auf unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellt worden. Die Absicht der Parteien, nämlich der Geschäftszweck, sei ausschließlich dazu angetan, ein Bestandverhältnis anzunehmen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Wie das Rekursgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kommt es für die rechtliche Qualifikation eines Vertrages nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung an, sondern ist der von den Parteien erkennbar gewollte Inhalt maßgebend (WoBl. 1991, 73; 3 Ob 575/90; 3 Ob 552/91 uva). Der wesentliche Unterschied zwischen Dienstbarkeiten und inhaltlich gleichen oder ähnlichen Nutzungsrechten, die auf schuldrechtlichem Vertrage beruhen, insbesondere von Pacht und Miete, ist die Dinglichkeit der Dienstbarkeit (Klang in Klang2 II 549; Koziol-Welser9 II 158); die Absicht der Parteien muß auf die Begründung eines dinglichen Rechtes und somit bei verbücherten Liegenschaften auch auf die Einverleibung gerichtet sein (Schwimann/Pimmer, ABGB, Rz 1 zu § 472). Wie sich im vorliegenden Fall aus Punkt 10 der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung ergibt, ist eine Verdinglichung des dem Erstbeklagten eingeräumten Nutzungsrechtes vorgesehen; daß sie nicht erfolgte, vermag an der Rechtsnatur des zwischen den klagenden Parteien und dem Erstbeklagten abgeschlossenen Vertrages nichts zu ändern. Die von den Parteien angestrebte Verdinglichung des Rechtes des Erstbeklagten hätte durch Eintragung eines Bestandrechtes in das Grundbuch - ob eine solche überhaupt möglich wäre, kann dahingestellt bleiben (siehe hiezu Würth in Rummel2, Rz 4 zu § 1095) - nicht bewirkt werden können, weil das Bestandrecht auch durch die Eintragung im Grundbuch nicht zum "dinglichen Recht" wird; die Wirkung der Einverleibung erschöpft sich vielmehr darin, daß jeder spätere Erwerber der Liegenschaft entgegen § 1120 ABGB an den (einverleibten) Bestandvertrag "für die übrige Zeit" gebunden bleibt (Würth, aaO, Rz 1 zu § 1095).

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht spricht der Umstand, daß das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet wurde, nicht gegen das Vorliegen eines Dienstbarkeitsvertrages. Dienstbarkeiten erlöschen nicht nur auf diejenigen Arten, wodurch, nach dem 3. und 4.Hauptstücke des 3.Teiles des ABGB, Rechte und Verbindlichkeiten überhaupt aufgehoben werden (§ 524 ABGB), sondern auch nach allgemeinen Grundsätzen (Petrasch in Rummel2, Rz 1 zu § 524), sohin auch durch Kündigung. Auch der Inhalt der von den Klägern übernommenen Verpflichtungen spricht nicht gegen das Vorliegen eines Dienstbarkeitsvertrages. Eine Dienstbarkeit gewährt dem Berechtigten unmittelbare Nutzung, im allgemeinen ohne Leistung des Eigentümers der belasteten Sache. Dieser ist nur verpflichtet, etwas zu unterlassen, was er an sich zu tun befugt wäre, oder etwas zu dulden, was er sonst untersagen dürfte (Klang in Klang2 II 549). Eine derartige Verpflichtung haben die Kläger nach dem Inhalt des mit dem Erstbeklagten abgeschlossenen Vertrages ohne Zweifel übernommen. Unter Zugrundelegung des von den Parteien angestrebten Vertragszweckes (Verdinglichung eines Nutzungsrechtes des Erstbeklagten) erweist sich die Rechtsansicht der Vorinstanzen, es liege kein Bestandvertrag vor, als zutreffend. Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung SZ 46/92 = RZ 1974/72 = EvBl. 1974/65 = JBl. 1974, 316, in der die Überlassung eines Grundstückes zur Errichtung eines Schischleppliftes, einer Tal- und Bergstation, einer Brücke und den erforderlichen Stützen als Bestandvertrag qualifiziert wurde, kann für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht herangezogen werden, weil in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall der Vertrag nicht zu verbüchern war.

Dem Revisionsrekurs war sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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