OGH 3Ob575/90

OGH3Ob575/9024.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Wilhelm J***, Gast- und Landwirt, Treffen, Winklern 19, und 2) Horst A***, Gast- und Landwirt, Treffen, Köttwein 3, beide vertreten durch Dr. Edwin Kois, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Volkmar M***, Steinbruchunternehmer, Mittertrixen, Aich 10, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Entfernung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20.April 1990, GZ 2 R 64/90-15, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18.Dezember 1989, GZ 26 Cg 85/89-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Eigentümer von Grundstücken, auf denen sich ein Steinbruch befindet. Der Beklagte übt seit dem Jahr 1985 die Nutzung aus. Zwischen den Streitteilen ist strittig, welche Vereinbarungen dieser Nutzung zugrunde liegen.

Die Kläger behaupten, es sei zwischen den Streitteilen nie zur Einigung über einen Abbauvertrag gekommen. Mit einem Vorvertrag hätten die Kläger nur den vorläufigen Abbaubeginn gestattet. Da es nicht zu dem darin vorgesehenen Abschluß eines schriftlichen Pachtvertrages innerhalb von zwei Monaten gekommen sei, stehe den Klägern das Recht zu, die vorläufige Regelung zu widerrufen. Trotz Erklärung des Widerrufs weigere sich der Beklagte, die Grundstücke zu räumen und die Nutzung zu beenden. Nach ihrem vor Schluß der mündlichen Verhandlung ergänzten Vorbringen könnten die Kläger die Auflösung des Vertragsverhältnisses auch deshalb begehren, weil der Beklagte den Abbau im Steinbruch nicht bescheidmäßig durchführe. Die Kläger begehren die Unterlassung des Betretens ihrer Grundstücke und weiterer Abbaumaßnahmen sowie die Entfernung der Fahrnisse des Beklagten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete ein, daß es zwischen den Streitteilen zu einer wirksamen mündlichen Einigung über den Abbau gekommen sei. Die Unterfertigung des schriftlichen Vertrages sei zunächst nur unterblieben, weil sich die Kläger noch nicht schlüssig gewesen seien, in welcher gesellschaftsrechtlichen Rechtsform sie auftreten wollten. Bis zur Klärung dieses Punktes sei jedoch mit den Beklagten ein schriftlicher "Vorvertrag" abgeschlossen worden, nach welchem dem Beklagten alle Rechte aus der mündlichen Vereinbarung zustehen sollten. Das zwischen den Streitteilen bestehende Pachtverhältnis sei für die vereinbarte zehnjährige Bestandzeit unkündbar. Ein bescheidwidriger Abbau liege nicht vor, denn unter Zugrundelegung einer zehnjährigen Nutzungsdauer würden die im Bescheid vorgesehenen Stufen erreicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die beiden Vorinstanzen gingen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Als sich der Beklagte an die Kläger wandte, um den Abschluß eines Abbauvertrages zu erreichen, kam es zunächst zu keiner vollen Einigung. Strittig war vor allem die Preisgestaltung. Über einen vom Beklagten vorbereiteten Vertragsentwurf, der beginnend mit 1.8.1985 eine zehnjährige Vertragsdauer vorsah, wurde bei Verhandlungen am 22.8.1985 keine Einigung erzielt.

Am 23.8.1985 kam der Beklagte den Klägern preislich weiter entgegen und räumte ihnen zur Klärung der von ihnen gewünschten Gesellschaftsform eine Frist von zwei Monaten ein. Es kam zu einer Einigung zwischen den Streitteilen, daß der Inhalt der "Vereinbarung" Beilage 2, das ist der schon erwähnte Vertragsentwurf, ausgenommen den dort in Punkt VI genannten Preis, zwischen ihnen als sofort wirksamer Vertrag gelten solle. Dieser Punkt VI sollte so gelten, daß der Beklagte 5 S je Tonne zu zahlen habe. Die Streitteile unterfertigten über die von ihnen erzielte Einigung die als Vorvertrag bezeichnete Urkunde Beilage 1, in der im Punkt I vorgesehen war, daß sich die Streitteile zum Abschluß eines schriftlichen Pachtvertrages im Sinn des erwähnten Vertragsentwurfes (mit der Preismodifikation) binnen zwei Monaten verpflichteten, und die im Punkt II den sofortigen Beginn des Abbaues durch den Beklagten gestattete.

Da die Abbaumengen des Beklagten und damit die Einnahmen der Kläger seit dem Jahr 1986 immer mehr zurückgingen, entschlossen sich die Kläger Ende 1988, die Geschäftsbeziehung mit dem Beklagten zu beenden, kündigten den "Vorvertrag" auf und begehrten die Räumung bis 28.2.1989.

Das Erstgericht traf weiters folgende, vom Berufungsgericht teilweise nicht übernommene Tatsachenfeststellungen:

Der Beklagte hat während seiner Abbaumaßnahmen den Abraum auf einer Seite des Steinbruchs gelagert, was einem Bescheid widersprach, entfernte dann aber das Material und führte eine Rekultivierung durch. Der Bescheid sah weiters einen näher umschriebenen Abbau in Stufen vor. Es kann nicht festgestellt werden, daß diese Auflagen nicht eingehalten werden. Die Kläger legten auf diesen Umstand erst während dieses Rechtsstreites Wert. Die Verwaltungsbehörde erließ gegen den Beklagten, der mehrere Steinbrüche betreibt, zwar einmal in der Vergangenheit eine Verwaltungsstrafe, seither jedoch nicht mehr.

Beide Vorinstanzen waren der Auffassung, daß der von den Streitteilen unterfertigte "Vorvertrag" in Wahrheit ein rechtswirksamer Abbauvertrag sei, sodaß die Kläger in den ersten zehn Jahren nicht kündigen könnten. - Zum vom Erstgericht nicht als erwiesen angenommenen bescheidwidrigen Abbau führte das Berufungsgericht aus, daß hier zwar eine weitere Klärung möglich und das Verfahren des Erstgerichtes insofern mangelhaft wäre. Selbst wenn jedoch der geltend gemachte bescheidwidrige Abbau vorläge, stelle dies keinen vorzeitigen Auflösungsgrund dar. Aus den ganzen Umständen ergebe sich, daß die Kläger diesen Auflösungsgrund in Wahrheit nur vorschützten. Nach ihrem eigenen Vorbringen drohe ihnen für den Fall der Bescheidwidrigkeit erst bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Schaden, sodaß auch aus diesem Grund kein wichtiger Auflösungsgrund gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Für die rechtliche Qualifikation eines Vertrages kommt es nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung an, sondern es ist der von den Parteien erkennbar gewollte Inhalt maßgebend (HS 12.908 f). Nach den dazu getroffenen Feststellungen habeicdye Parteien von vorneherein einen sofort wirksamen Vertrag abgeschlossen und diesen auch längere Zeit hindurch tatsächlich erfüllt. Nach den so teils ausdrücklich, teils konkludent abgegebenen Erklärungen beider Streitteile bedeutete dann die Formulierung, es werde die Verpflichtung übernommen, binnen zwei Monaten einen schriftlichen Pachtvertrag abzuschließen, weder, daß der Vertrag überhaupt erst künftig abgeschlossen werden sollte (§ 936 ABGB), noch daß die Parteien vor der Erfüllung der vereinbarten Form noch nicht gebunden sein wollten (§ 884 ABGB). Auf den möglichen Inhalt anderer Abbauverträge kann es dabei nicht ankommen.

In der Annahme eines endgültigen Vertragsabschlusses liegt daher bei dem hier gegebenen Sachverhalt kein Abgehen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und auch keine über den vorliegenden Einzelfall hinaus bedeutsame Auslegung getroffener Vereinbarungen.

Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichtes ist aber auch im Zusammenhang mit der Verneinung des außerordentlichen Kündigungsrechtes - nur dazu hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gegeben.

Zwar könnte ein bescheidwidriger Abbau durch die beklagte Partei unter Umständen einen Auflösungsgrund bilden. Jedes Dauerschuldverhältnis kann aus wichtigen Gründen vorzeitig gelöst werden (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 1 und 2 zu § 1118; Rummel aaO Rz 27 zu § 859), was auch für einen Abbauvertrag gilt (JBl 1962, 319 ua). Ein solcher wichtiger Grund wird aber nur angenommen, wenn das Verhalten des einen Vertragsteiles so schwer wiegt, daß dem anderen Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses billiger Weise nicht mehr zumutbar ist (SZ 46/109; MietSlg 36.183). Tatsächlich stützen sich aber die Kläger nur auf Vorkommnisse, denen durch eine relativ kurzfristige andere Abhilfe ausreichend begegnet werden könnte. Wenn nämlich ein bescheidwidriger Abbau erfolgen sollte, müßten die Kläger nur die entsprechenden Anzeigen an die Verwaltungsbehörde erstatten oder selbst auf Abhilfe dringen. Wenn das Berufungsgericht den dazu vorgetragenen Sachverhalt als zu geringfügig bewertete und daher aus dieser rechtlichen Überlegung die Aufnahme von dazu angebotenen Beweisen für entbehrlich erachtete, ist auch insoweit keine über den vorliegenden Einzelfall hinaus bedeutsame erhebliche Rechtsfrage erkennbar. Die Revision der Kläger war daher zurückzuweisen. Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, hat sie gemäß den §§ 40, 41 und 50 ZPO die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

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