OGH 4Ob82/92

OGH4Ob82/9224.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. Dr.Robert Jungk, ***** vertreten durch Dr.Gerhard O.Mory und Dr.Heinrich Schellhorn, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Jörg Haider, ***** vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer und Dr.Wolfram Themmer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zahlung von 5.000 S, Unterlassung, Widerruf und dessen Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 200.000 S; Revisionsrekursinteresse: 125.000 S) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 7.Juli 1992, GZ 6 R 115, 116/92-18, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13.April 1992, GZ 21 Cg 93/92-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird in seinem den Antrag auf Widerruf und dessen Veröffentlichung im Fernseh-Abendprogramm des Österreichischen Rundfunks abweisenden Teil bestätigt; im übrigen wird er dahin abgeändert, daß der erste und der letzte Satz der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes (Unterlassungsgebot und dessen Befristung) wiederhergestellt werden.

Die klagende Partei, die im übrigen die Kosten der einstweiligen Verfügung vorläufig selbst zu tragen hat, ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.616 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 936 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist als Publizist und Schriftsteller sowie als Zukunftsforscher und führender Aktivist in der Friedensbewegung an die Öffentlichkeit getreten und in Österreich bekannt. Er war Kandidat der "Grünen Alternative" für die Wahl des österreichischen Bundespräsidenten am 26.4.1992.

In dem 1990 erschienenen Heyne-Sachbuch Nr.19/40 "Robert Jungk:

Deutschland von außen - Beobachtungen eines illegalen Zeitzeugen" sind (ua) auch 35 Artikel (wieder)abgedruckt, die der damals als Flüchtling in der Schweiz lebende Kläger in den Jahren 1940 bis 1942 unter dem Pseudonym "F.L." in der Züricher Wochenzeitung "Die Weltwoche" publiziert hatte, darunter auf den Seiten 101 bis 105 auch der nachstehende, in der Zeitungsausgabe vom 9.1.1942 erschienene Artikel mit dem Titel "Auswirkungen des totalen Krieges in Deutschland":

"Daß der moderne Krieg ein 'totaler Krieg' ist, gehört nachgerade schon zu den Binsenwahrheiten. Trotzdem maskiert dieses häufig gebrauchte Wort 'total', eben weil es zur abgebrauchten Münze geworden ist, sehr oft die wirklichen Tatbestände in ihrer jenseits aller abgegriffenen Formen stehenden schrecklichen Eindringlichkeit. 'Totaler Krieg', das ist nicht nur die dramatische Bombardierung von Städten hinter der Front oder das packende Schauspiel einer Schiffsversenkung, sondern vor allem das nur schwer zu beobachtende Wirken wochen-, monate- und schließlich jahrelanger Mangelwirtschaft, der die kriegführenden Völker in ihrer Gesamtheit unterworfen sind.

Da machte ein übermüdeter Arbeiter eine falsche Handbewegung: Er ist ein Kriegsopfer. Da bricht in einem Kinderheim eine ansteckende Krankheit aus und nimmt in schneller Folge ein Kinderleben nach dem anderen: Sie alle sind Kriegsopfer. Denn die mangelnde Widerstandskraft, hervorgerufen durch jahrelange Kriegsernährung, ist vor allem schuld an dem leichten Sieg, den der Tod hier errang. Auf diese langsame Schwächung von innen her, diesen Angriff auf die biologischen Grundlagen des gegnerischen Volkes haben es Blockade und Gegenblockade abgesehen. Wir wissen, welche entscheidende Rolle die Minderung der deutschen Volksgesundheit besonders gegen Ende des ersten Weltkrieges spielte. Waren bis 1916 die Wirkungen der Hungerblockade noch nicht in wirklich entscheidendem Ausmaß spürbar geworden, so änderte sich das mit dem Jahre 1917. Von Woche zu Woche stieg die Zahl der Krankheitsfälle, und der Kohlrübenwinter vor Anbruch des letzten Kriegsjahres ist mit Recht als die 'Entscheidungsschlacht des Weltkrieges' bezeichnet worden.

Die volksbiologisch sehr fortschrittliche Regierung des Dritten Reiches hat sehr viel wirkungsvollere Maßnahmen als die kaiserliche Regierung ergriffen, um ein solches Debakel der Zivilbevölkerung zu verhindern. Niemand kann bestreiten, daß vom ersten Kriegstage an alles versucht wurde, um eine zum Durchhalten ausreichende Nahrungsmenge auf Jahre hinaus sicherzustellen. Die erweiterte Kenntnis, die uns die Wissenschaft während der Zeit zwischen den beiden Kriegen in bezug auf die unbedingt notwendigen Nährstoffe geschenkt hat, wurde in großem Maßstab anzuwenden versucht; die Fortschritte der Chemie bei der Herstellung künstlicher Nahrungsmittel und Lebensstoffe wurden bewußt und großzügig nutzbar gemacht. Eine genauere ärztliche Überwachung des ganzen Volkes ist zudem angeordnet und durchgeführt worden. Jeder deutsche Soldat trägt heute sein Gesundheitsbuch bei sich, jeder Hitlerjunge wird von frühester Kindheit an mit den Grundgesetzen der Hygiene bekannt gemacht, die ärztlichen Pflichtuntersuchungen sind stark angestiegen.

Kurz: Man kann sagen, daß die Gesundheitskontrolle in der Zivilbevölkerung wie im Heer einen wohl noch nirgends erreichten Hochstand besitzt.

Trotz all dieser vorbeugenden Maßnahmen aber ist die deutsche Führung heute im dritten Kriegswinter vielleicht von keiner Sorge so schwer bedrückt, wie von der Sorge um die nächste Zukunft der deutschen Volksgesundheit. Man unterschätzt gewiß nicht die Schwere der kommenden Kämpfe gegen die verbündeten Riesenreiche an den verschiedensten Fronten. Doch scheint den Deutschen ihre taktische und materielle Überlegenheit hier groß genug, um mit allen diesen Gegnern fertig zu werden. Wie aber steht es mit den alten Widersachern, den langsam vorrückenden Erzfeinden Hunger und Krankheit? Wie ist die Lage an dieser Front?

In ihrer letzten Novembernummer hat die 'Münchner Medizinische Wochenschrift' den Vortrag eines leitenden Arztes im Wehrbezirk XIII, Dr.G.Seiffert, abgedruckt, der einige interessante Aufschlüsse über die letzten Entwicklungen der deutschen Volksgesundheit gibt. Der Vortrag war schon einige Monate vorher gehalten worden, wurde aber wohl vor allem deshalb gerade jetzt noch publiziert, weil er sich besonders eingehend mit der Gefahr und Bekämpfung des Fleckfiebers befaßt, das bekanntlich augenblicklich zu einem brennenden Problem für die Truppen im Osten geworden ist.

Dr.Seiffert kommt zu dem Resultat, daß die Entwicklung der Epidemien seit Kriegsbeginn eigentlich nicht so sehr ungünstig sei. Die Zahlen, die er dazu veröffentlicht, sprechen allerdings eine sehr viel weniger optimistische Sprache. Sie setzen jeweils die ersten fünfundzwanzig Wochen der Berichtsjahre 1931, 1939 und 1941 in Vergleich zueinander. Danach stieg die Zahl der Diphterieerkrankungen von 25.144 im Jahre 1931 auf 65.144 im Jahre 1939 und dann verhältnismäßig geringfügig auf 65.775 im Jahre 1941. Sehr viel bedrohlicher ist das schroffe Emporsteigen der Scharlachkurve. Wurden während der ersten Jahreshälfte von 1931 nur 19.494 Fälle gezählt, so gab es in der gleichen Zeitspanne des Jahres 1940 schon 56.154 und 1941 bereits 167.428 Scharlacherkrankungen. Ähnlich sieht es mit dem Anwachsen der Ruhrfälle aus. Hier erkrankten 1931 noch 2.596 Personen, 1939 schon 6.135 und 1940: 12.705! Die Zahl der Lebensmittelvergiftungen, der Keuchhustenerkrankungen, der Tuberkulosefälle weist ähnliche Entwicklungen auf. Fast durchwegs läßt sich feststellen, daß die Zahl der Erkrankungen von 1931 bis 1939 sich verdreifacht, von 1939 bis zu Beginn des Rußlandkrieges (im Vergleich zu 1931) versechsfacht hat. Wird - so fragt man sich - dieser potenzierte Zuwachs schwerster ansteckender Erkrankungen sich fortsetzen? Kann die Offensive des Todes angehalten werden?

Die deutschen Ärzte - und sicher nicht nur sie - möchten diese Frage gerne mit einem eindeutigen 'Ja' beantworten können. Aber es gibt verschiedene Überlegungen, die sie daran hindern, allzu optimistisch zu sein.

Deutschland hat nach dem vierjährigen Weltkrieg, der es zutiefst erschöpfte, noch weitere sechs Mangeljahre von 1919 - 1924 durchlitten. Es folgte dann die sehr kurze Periode eines gewissen Wohlstandes von 1925 - 1931 und danach (zuerst weil die Krise eine Verarmung herbeiführte, dann weil ab 1933 das Autarkiesystem den Konsum immer mehr beeinträchtigte) eine neue, nun schon zehn Jahre dauernde Mangelperiode. Eine Gesamtrechnung vom August 1914 bis Ende 1941 ergibt als Fazit zwanzigeinviertel Mangeljahre gegenüber sechs normalen Jahren. Und auch diese sehr bedenkliche Rechnung mag manchem noch sehr optimistisch erscheinen, der daran denkt, daß in den sechs 'fetten Jahren' ja doch auch viele hunderttausend Deutsche (1931 waren es sogar schon Millionen) arbeitslos waren. Nun hat man aber immerhin doch feststellen können, daß diejenigen Soldaten, deren wichtigste Wachstumszeit (etwa das Alter von neun bis sechzehn Jahren) in die 'gute Zeit' von 1925 bis 1931 fiel, tatsächlich ihren jüngeren und älteren Kameraden an Ausdauer und Schnelligkeit beträchtlich überlegen waren. Die im folgenden Jahre einrückenden neuen Rekruten haben die Entwicklung vom Kind zum Mann schon während der großen, in den zweiten Weltkrieg ausmündenden Mangelperiode durchmachen müssen.

Solche Überlegungen führen dann natürlich weiterhin zu der Frage, ob das bereits durch mehr als zwanzig Mangeljahre biologisch geschädigte und in seiner Widerstandskraft von vorneherein belastete deutsche Volk nicht heute vielleicht gesundheitlich noch gefährdeter sei als zu Beginn des Jahres 1917, wo man noch von der Substanz einer reichen glücklichen Friedenszeit von mehr als vierzig Jahre zehren konnte. Wird die Führung mit ihrer geschickten, an alle Energiereserven neu appellierenden Propaganda dieses Handicap so ohne weiteres ausgleichen können? Man darf ja nicht vergessen, daß außerdem noch sowohl der technisierte Kampf wie die technisierte Arbeit größere Anspannung verlangen als vom Frontsoldaten und Arbeiter der vier Weltkriegsjahre. So ist die Frage der Ermüdung diesmal viel dringlicher als von 1914 bis 1918. Die in Berlin erscheinende 'Deutsche Medizinische Wochenschrift' hat ja nicht zufällig gerade diesem Problem den größten Teil von zwei Dezemberheften gewidmet. Und das Ergebnis der dort auf Grund im Krieg gemachter Beobachtungen veröffentlichten Aufsätze heißt: 'Nur ausgiebige Erholung kann die oft sehr tiefgreifenden Ermüdungserscheinungen beseitigen.' Alle Versuche mit Reizstoffen wie Benzedrin und Pervitin sind radikal fehlgeschlagen. Als typisch mag der dort (in einem Aufsatz von Eichholtz) erwähnte Fall eines Arztes der Luftwaffe wiedergegeben werden. Der Betreffende teilt mit, daß er zweimal zwei Tabletten des bei der Luftwaffe sehr verbreiteten Pervitins ohne jeden Schaden genommen habe, nach dem dritten Mal aber einen so entsetzlichen Zustand geistiger Verwirrung erlebte, daß er das Reizmittel sein Leben lang nicht mehr schlucken werde. Die mehrfach gemachte Feststellung, daß der Genuß solcher Mittel nicht nur zu Kollapsen führte, sondern auch zum Wegbereiter anderen Rauschgiftgenusses wurde, bestärkt die Ärzte darin, eine solche Ermüdungsbekämpfung immer mehr abzulehnen.

Zu allen diesen Überlegungen fallen noch erschwerend die Tatsachen ins Gewicht, daß in Deutschland (in der Heimat wie an der Front) die Ärzte bei weitem nicht ausreichen, daß die im feindlichen Gebiet hervorgebrachten Grundstoffe mancher Medizinen und anästhesierenden Präparate zu fehlen beginnen. Und so - vielleicht noch mehr als vom politischen und militärischen Geschehen her - wird uns der ernste, sorgenvolle Ton der deutschen Neujahrsaufrufe verständlich. Die deutsche Führung übersieht den totalen Krieg eben an allen Fronten, und wenn sie dem deutschen Volk von den Opfern des neuen Jahres spricht, so meint sie nicht nur das Opfer des Blutes im direkten Kampf, sondern auch das Opfer an Gesundheit, das jeder Deutsche gleich welchen Alters heute in einer letzten Kraftanstrengung noch einmal bringen muß."

Der Beklagte war als Bundesparteiobmann der "Freiheitlichen Partei

Österreichs", welche gleichfalls eine eigene

Präsidentschaftskandidatin nominiert hatte, in der am Sonntag, dem

5. April 1992, live ausgestrahlten Fernsehsendung "Pressestunde" des

Österreichischen Rundfunks zu Gast. Im Verlaufe der Wechselrede mit

den ihn befragenden Journalisten wurde er von einem Redakteur auf die

"Umvolkungsängste" eines FPÖ-Bundesrates und auf dessen Stellung in

der FPÖ angesprochen. Auf die Frage, ob auch er (der Beklagte) dies

so formuliert hätte ("Umvolkung"), antwortete der Beklagte, es gehe

um das "Recht auf Heimat", da - bei aller natürlichen Buntheit, für

die in Österreich durchaus Platz sei -, eine derartige Politik nicht

in großem Stil betrieben werden könne; dies vor allem, solange

ungelöste soziale Probleme im Inland vorherrschten. Im Anschluß daran

hielt der Beklagte ein bereits auf seinem Platz liegendes, von ihm

selbst mitgebrachtes Exemplar des Heyne Sachbuches Nr.19/40 gegen die

Kamera und sagte: "Und wenn man sich über den Mölzer so aufregt, so

bitte ich Sie einmal, auch das mit dem Robert Jungk zu tun. Da ist

jetzt ein Buch erschienen von ihm, in den 90iger Jahren, da schreibt

er, ist abgedruckt seine Artikel, die er im 42iger und 41iger Jahr

als Redakteur der 'Weltwoche' in der Schweiz geschrieben hat". Sodann

begann der Beklagte aus dem Buch den letzten Satz auf Seite 101

vorzulesen: "Die volksbiologisch sehr fortschrittliche Regierung des

Dritten Reiches hat......." - hier unterbrach der Beklagte sein Zitat

und fügte erklärend hinzu: "Also, er bezeichnet die Regierung des

Dritten Reiches aus der Distanz der Schweiz als 'volksbiologisch sehr

fortschrittliche Regierung'", um dann fortzusetzen - : ........hat

sehr viel wirkungsvollere Maßnahmen als die kaiserliche Regierung ergriffen, um ein solches Debakel der Zivilbevölkerung zu verhindern." An dieser Stelle fügte der Beklagte kommentierend hinzu:

"Sprich: Hygiene, sozialer Schutz." Die anschließenden Sätze des Artikels übersprang der Beklagte; er las erst wieder den letzten Satz des ersten Absatzes auf Seite 102 wörtlich vor: "Kurz: Man kann sagen, daß die Gesundheitskontrolle in der Zivilbevölkerung wie im Heer einen wohl noch nirgends erreichten Hochstand besitzt." Im Anschluß an dieses Zitat sagte der Beklagte: "Also eine Jubelbroschüre fürs Dritte Reich vom Herrn Jungk, Präsidentschaftskanditat einer Partei, die immer so tut, als wäre sie jenseits des Verdachtes, irgendwelche faschistoide Züge zu haben."

Auf den Einwurf eines Journalisten, daß man auch lesen müsse, was vor und nach diesen zitierten Textstellen in dem Artikel steht, antwortete der Beklagte, daß man dies jederzeit tun könne, daß dies hochinteressant sei; sinngemäß fügte er hinzu, daß er den Kläger nicht "in die Pfanne hauen" würde, wenn das nicht stimme. Wörtlich fuhr er sodann fort: "und ich glaube, da soll die Diskussion geführt werden. Ist es immer nur kriminalisierbar, wenn ein Freiheitlicher etwas sagt, wo er auch von mir aus was Dummes einmal sagen kann, bitte, da gebt ihm die Möglichkeit, sich zu erklären, und das wird auch der Robert Jungk mitbekommen müssen. Er muß sich erklären über solche Textstellen." Auf den Einwurf eines Teilnehmers der Gesprächsrunde, ob dann nicht der Kläger den ursprünglich angesprochenen FPÖ-Bundesrat ersetzen könne, wenn er so etwas schreibe, bemerkte der Beklagte: "......Ja, wenn er das zurücknimmt, was er geschrieben hat an Jubel, dann ist er für mich schon akzeptabel, denn der Mölzer hat noch nie derartige Dinge von sich gegeben."

Die Äußerungen des Beklagten in der "Pressestunde" waren der Anlaß für zahlreiche kommentierende Artikel, (ua) auch in den Tageszeitungen "Salzburger Nachrichten", "Kurier" und "Neue Kronen-Zeitung".

Mit der Behauptung, der Beklagte habe mit dem von ihm in der "Pressestunde" vom 5.April 1992 erhobenen Vorwurf, daß der Kläger "eine Jubelbroschüre für das Dritte Reich" verfaßt habe, nicht nur den wirtschaftlichen Ruf und das Fortkommen des Klägers gefährdet, sondern auch dessen Ehre in einem unerträglichen Maß verletzt, beantragt der Kläger zur Sicherung inhaltsgleicher Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und dessen Veröffentlichung, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Behauptung, der Kläger habe durch den von ihm im Jänner 1942 verfaßten, in der Schweizer Wochenzeitung "Die Weltwoche" veröffentlichten Artikel "Auswirkungen des totalen Krieges in Deutschland", wiederveröffentlicht auf Seite 101 bis 105 des Buches "Robert Jungk: Deutschland von außen - Beobachtungen eines illegalen Zeitzeugen", Heyne-Verlag 1990, "eine Jubelbroschüre für das Dritte Reich" verfaßt oder Behauptungen ähnlichen Inhaltes zu untersagen und ihm den - vorformulierten - Widerruf dieser Behauptung und dessen Veröffentlichung im Abendprogramm des Fernsehens des Österreichischen Rundfunks sowie in den Tageszeitungen "Kurier", "Salzburger Nachrichten" und "Neue Kronen-Zeitung" aufzutragen. Durch das Herausreißen zweier Sätze aus dem Gesamttext des Artikels und durch seine Kommentierung habe der Beklagte den wahren Inhalt und die wahre Sinnbedeutung des Artikels vorsätzlich, gezielt und planmäßig in ihr Gegenteil verkehrt, um so den Hörern und Sehern der Sendung den unrichtigen Eindruck zu vermitteln, daß der Kläger während des Zweiten Weltkrieges als Artikelschreiber in einer Schweizer Zeitung die Politik Hitlers und des Dritten Reiches gutgeheißen, ja mehr noch, sie "bejubelt", also nicht nur kritiklos und zustimmend zur Kenntnis genommen, sondern ihr sogar applaudiert habe. Diese unwahre Tatsachenbehauptung des Beklagten sei nicht nur geeignet, den wirtschaftlichen Ruf des Klägers als Schriftsteller zu gefährden, sondern auch sein "Fortkommen" im laufenden Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten zu beeinträchtigen. Die beanstandete unrichtige Tatsachenbehauptung sei zugleich eine schwere Ehrenbeleidigung des Klägers, werde doch mit ihr ein Verhaltens- und Charaktervorwurf zum Ausdruck gebracht und damit der Tatbestand einer üblen Nachrede erfüllt. Ohne Erlassung der einstweiligen Verfügung drohe dem Kläger insbesondere im Hinblick auf den laufenden Präsidentschaftswahlkampf ein unwiederbringlicher Schaden, zumal der Beklagte seine Diffamierungskampagne gegen den Kläger in einer Pressekonferenz am 8. April 1992 fortgesetzt habe. Nur durch den sofortigen öffentlichen Widerruf des Beklagten noch vor dem Wahltermin könne ein Fortwirken der hier beanstandeten, unrichtigen und ehrverletzenden Tatsachenbehauptung hintangehalten werden.

Mit seiner - ohne vorherige Anhörung des Beklagten erlassenen - einstweiligen Verfügung gab das Erstgericht dem Unterlassungsbegehren Folge und trug dem Beklagten auf, die beanstandete Behauptung durch die vom Kläger vorformulierte Erklärung im Abendprogramm des Fernsehens des Österreichischen Rundfunks zu widerrufen; der darüber hinausgehende Sicherungsantrag auf Veröffentlichung des Widerrufes auch in den Tageszeitungen "Kurier", "Salzburger Nachrichten" und "Neue Kronen-Zeitung" wurde - mittlerweile rechtskräftig - abgewiesen. Die beanstandete Äußerung des Beklagten sei kein Werturteil, sondern eine Tatsachenbehauptung, werde sie doch allgemein dahin verstanden, daß der Kläger das Dritte Reich belobigt und bejubelt, es also unkritisch als überaus positiv beurteilt habe. Das treffe aber auf den Artikel des Klägers, auf den sich der Beklagte bezogen hatte, nicht zu. Um den für den Kläger drohenden unwiederbringlichen Verlust von Wählerstimmen bei der Präsidentschaftswahl hintanzuhalten, sei auch der sofortige Widerruf der beanstandeten Behauptung durch den Beklagten sowie die Veröffentlichung dieses Widerrufes im Österreichischen Fernsehen geboten.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag des Klägers zur Gänze ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der beanstandete Vorwurf des Beklagten sei keine Tatsachenbehauptung im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB, sondern eine wertende Beurteilung von Textpassagen des Klägers noch innerhalb der - bei Politikern weit gezogenen - Grenzen zulässiger Kritik. Der Beklagte habe die beanstandete Schlußfolgerung im Verlauf einer Wechselrede gezogen, als er auf die "Umvolkungsängste" eines Bundesrates seiner Partei angesprochen wurde. Im Zusammenhang mit dem Textzitat des Klägers habe es für den interessierten Fernsehzuseher evident sein müssen, daß der Beklagte mit der - wenn auch überspitzten - Formulierung "Jubelbroschüre" im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung (nur) zum Ausdruck bringen wollte, daß auch der Kläger Artikel in angepaßter Sprache und unter Verwendung angepaßter Begriffe veröffentlicht habe. Die so verstandene Äußerung des Beklagten sei aber weder ehrenrührig noch rufschädigend, habe doch der Beklagte zwei Sätze aus einem Buch des Klägers wörtlich vorgelesen und aus ihrer Wortwahl - subjektiv wertend - auf eine "Jubelbroschüre" geschlossen, also den Kläger keineswegs pauschal und undifferenziert als "Verfasser von Jubelbroschüren für das Dritte Reich" bezeichnet.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes.

Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung des Beklagten schon deshalb zulässig, weil die Beurteilung der hier beanstandeten Behauptung des Beklagten durch das Rekursgericht mit den von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 1330 ABGB entwickelten Grundsätzen nicht im Einklang steht; das Rechtsmittel ist auch teilweise berechtigt.

Der Kläger stützt die durch den Provisorialantrag zu sichernden Ansprüche auf Unterlassung sowie auf Widerruf und dessen Veröffentlichung ausdrücklich sowohl auf Abs 1 als auch auf Abs 2 des § 1330 ABGB. Diese Bestimmung greift Platz, wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinnes verursacht wurde; er ist dann gemäß § 1330 Abs 1 ABGB berechtigt, den Ersatz zu fordern. Nach § 1330 Abs 2 Satz 1 ABGB gilt dies auch, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte. Aus §§ 16, 1330 ABGB und §§ 111 ff StGB ergibt sich, daß sowohl das Recht auf Ehre als auch das Recht auf Wahrung des wirtschaftlichen Rufes - welcher im Kredit, im Erwerb und im Fortkommen des Betroffenen zum Ausdruck kommt (SZ 56/124 ua) - zu den absolut geschützten Rechtsgütern gehören. Dieser Schutz ist umfassend und nicht etwa nur auf die strafgesetzlichen Tatbestände bzw die konkretisierenden Bestimmungen des § 1330 ABGB beschränkt (Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 1330; MR 1991, 235 mwN; zuletzt etwa 4 Ob 31/92, insoweit von der Veröffentlichung in ecolex 1992, 696 nicht umfaßt); eine Ehrenbeleidigung nach bürgerlichem Recht ist vielmehr schon jedes der Ehre eines anderen nahetretende Verhalten, ohne daß es darauf ankommt, ob im konkreten Fall auch eine strafgerichtliche Ahndungsmöglichkeit besteht (ecolex 1992, 233 mwN; 4 Ob 31/92). Dem Verletzten steht daher zum Schutz gegen Ehrenbeleidigung und zur Wahrung seines wirtschaftlichen Rufes bei Vorliegen der Wiederholungsgefahr auch ohne die besonderen Voraussetzungen des § 1330 Abs 2 ABGB für den Widerruf und dessen Veröffentlichung ein - verschuldensunabhängiger (Reischauer aaO Rz 4, 7 und 23 zu § 1330; Korn-Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 73 mwN) - Unterlassungsanspruch zu (SZ 56/124; SZ 61/193; MR 1988, 159; MR 1989, 15; MR 1991, 235 ua; zuletzt etwa 4 Ob 31/92; 4 Ob 75/92). Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind dem Verletzten in den Fällen einer Rufschädigung, die zugleich eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB ist, nach seiner Wahl auch Ansprüche nach § 1330 Abs 2 ABGB zuzuerkennen (Reischauer aaO Rz 6 zu § 1330; Korn-Neumayer aaO 45 f; MR 1991, 20; ecolex 1992, 696), wobei er in diesem Fall nur das Verbreiten der Tatsachen, nicht aber auch die Unwahrheit dieser Tatsachen zu beweisen (im Provisorialverfahren: zu bescheinigen) hat; der Wahrheitsbeweis (die Wahrheitsbescheinigung) sowie - bei Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen und/oder Ansprüchen auf Widerruf und dessen Veröffentlichung neben dem verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch - der Beweis (die Bescheinigung) für die fehlende Vorwerfbarkeit des Verbreitens obliegen hier vielmehr dem Beklagten (Reischauer aaO Rz 17 zu § 1330; Korn-Neumayer aaO 64 f; MR 1991, 18; ecolex 1992, 696).

"Tatsachen" im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sind - im Gegensatz zu objektiv nicht überprüfbaren Werturteilen, welche erst auf Grund einer Denktätigkeit gewonnen werden und eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben -, Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind (Reischauer aaO Rz 8 zu § 1330; Korn-Neumayer aaO 26 ff; SZ 60/255; ÖBl 1990, 256 ua; zuletzt etwa 4 Ob 58/92; 4 Ob 75/92). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist nach Lehre und ständiger Rechtsprechung weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilung ("konkludente Tatsachenbehauptung": Reischauer aaO Rz 12 zu § 1330; Koziol, Haftpflichtrecht2 175; Korn-Neumayer aaO 27; SZ 62/208; SZ 63/2; ÖBl 1991, 58 uva; zuletzt etwa 4 Ob 58/92). Auch "Urteile" sind nämlich objektiv nachprüfbar, wenn sie greifbare, einem Beweis zugängliche Vorgänge zum Gegenstand haben und von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Empfänger in diesem Sinn aufgefaßt werden (ÖBl 1991, 58). Bei der Beurteilung der Frage, ob "Tatsachen" verbreitet wurden, kommt es demnach immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend (Korn-Neumayer aaO 27 und 39; EvBl 1992/65 mwH; 4 Ob 75/92).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann es entgegen der Meinung des Rekursgerichtes keinem Zweifel unterliegen, daß die hier beanstandete Äußerung des Beklagten über den Inhalt der vom Kläger in den Jahren 1941 und 1942 verfaßten und damals unter einem Psydonym in der Schweizer Wochenzeitung "Die Weltwoche" veröffentlichten Artikel, im besonderen über jenen des am 9.1.1942 erstmals publizierten Artikels, aus dem er vorher zwei - völlig aus dem Zusammenhang gerissene - Sätze zitiert hatte, eine "konkludente Tatsachenbehauptung" im Kleide einer wertenden Schlußfolgerung war. Der durchschnittliche Seher und Höhrer konnte (und mußte) nämlich dieser Äußerung des Beklagten entnehmen, daß der Kläger mit dem in Rede stehenden Artikel im Jahre 1942 von der sicheren Schweiz aus das Dritte Reich "bejubelt", also insbesondere dessen gesundheits- und sozialpolitische Maßnahmen und Vorsorgen vorbehaltlos und zustimmend gepriesen hat. Anders als die der Entscheidung ÖBl 1990, 256 = MR 1990, 184 zugrunde liegende Wertung der Reaktion des Beklagten auf die damaligen französischen Präsidentschaftswahlen durch einen Politiker einer anderen Partei als "Identifizierung mit Le Pen" knüpft nämlich die vorliegende wertende Äußerung des Beklagten ausdrücklich und erkennbar an ein bestimmtes Verhalten des Klägers im Jahre 1942 an, das sich in dem damals in der genannten Schweizer Wochenzeitung erschienenen Artikel manifestiere. Das ist aber ein Umstand, der an Hand des Artikels objektiv überprüft werden kann, und zwar umso mehr, als der Beklagte, nachdem er auf die Bedenklichkeit seiner Schlußfolgerung auf Grund zweier, aus dem Zusammenhang gerissener Satzzitate sogleich aufmerksam gemacht worden war, den in seiner Äußerung enthaltenen Vorwurf mit der Behauptung, daß man den gesamten Artikel des Klägers jederzeit lesen könne und daß er den Kläger "nicht in die Pfanne hauen" würde, wenn das nicht stimme, ausdrücklich in bezug auf den gesamten Inhalt des Artikels aufrecht erhalten hat. Entgegen der wertenden Tatsachenbehauptung des Beklagten hat aber der Kläger in dem hier bezogenen Artikel weder das Dritte Reich noch im speziellen dessen Gesundheits- und Sozialpolitik "bejubelt", sondern sich durchaus kritisch mit den Auswirkungen des "totalen Krieges" im Kriegswinter 1941/42 in Deutschland beschäftigt. Zwar habe die Regierung des Dritten Reiches - im Gegensatz zur kaiserlichen Regierung im ersten Weltkrieg - sehr viel wirkungsvollere gesundheitspolitische Maßnahmen getroffen und in bezug auf die Gesundheitskontrolle einen "wohl noch nirgends erreichten Hochstand in der Zivilbevölkerung wie im Heer" herbeigeführt; trotz aller dieser vorbeugenden Maßnahmen sei es aber durchaus fraglich, ob die infolge des totalen Krieges eben an allen Fronten geführte Offensive des Todes aufgehalten werden könne, zumal die veröffentlichten Zahlen ein signifikantes Ansteigen der Epidemien und sonstiger Krankheiten indizierten und die Bevölkerung durch mehr als 20 Mangeljahre biologisch geschädigt sei, so daß sich die Frage der Ermüdung viel dringlicher stelle als im ersten Weltkrieg. Dazu komme noch der Ärzte- und Präparatemangel in der Heimat wie an der Front, so daß der ernste, sorgenvolle Ton der deutschen Neujahrsaufrufe verständlich werde. Daraus folgt aber, daß sich der Kläger in dem beanstandeten Artikel - unter Berücksichtigung der damals in der Schweiz bestehenden Möglichkeiten, aber auch Risken - zwar vorsichtig, aber doch erkennbar kritisch mit der Lage in Deutschland auseinandergesetzt hat; die Tendenz seiner Ausführungen geht eindeutig dahin, daß selbst die weitreichenden gesundheitspolitischen Maßnahmen des Dritten Reiches gegen den "totalen Krieg" letztlich nichts ausrichten würden. Damit erweist sich aber der Vorwurf, daß Kläger damit eine "Jubelbroschüre für's Dritte Reich" verfaßt habe, sowohl insgesamt als auch in bezug auf die beiden Satzzitate des Beklagten als unrichtig, wurde doch schon mit diesen Zitaten der Gesamtinhalt des Artikels durch das Verschweigen ihres wahren Sinnes im Textzusammenhang entstellt (vgl Korn-Neumayer aaO 34 f; ÖBl 1984, 130).

Die unrichtige Tatsachenbehauptung des Beklagten war aber auch geeignet, den wirtschaftlichen Ruf des Klägers zu gefährden: Dessen Position war ja durchaus auch von seinem politischen Erfolg als Präsidentschaftskandidat abhängig, so daß jede Aussage, die - wie die beanstandeten Äußerungen des Beklagten - dem Ziel diente, den politischen Einfluß des Klägers zu schwächen, auch geeignet war, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zu beeinträchtigen (vgl SZ 60/255). Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes war die rufschädigende Tatsachenbehauptung des Beklagten zugleich auch eine Ehrenbeleidigung des Klägers im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB, enthielt sie doch den Vorwurf, der Kläger habe trotz seiner jüdischen Abstammung und seiner betont antifaschistischen Einstellung in den Kriegsjahren sehr wohl das verbrecherische Regime Hitlerdeutschlands "bejubelt". Ein derartiger Charakter- und Verhaltensvorwurf setzt die soziale Wertstellung des Klägers als Mensch und politische Persönlichkeit schwerstens herab. Damit ist aber nur eine rufschädigende Tatsachenbehauptung im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB, sondern zugleich auch eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB gegeben.

Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes und des Beklagten bestätigt auch die noch zusätzlich erforderliche umfassende Interessenabwägung (Korn-Neumayer aaO 59 ff; ÖBl 1991, 161 mwN) die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten:

Wenngleich der Beklagte mit der beanstandeten Vorgangsweise auf die Frage nach einer in der Öffentlichkeit umstrittenen Äußerung eines bekannten Mitgliedes seiner Partei reagiert hat und damit sichtlich zum Ausdruck bringen wollten, daß Äußerungen von politischen Gegnern gleichermaßen "erklärungsbedürftig" seien, hat er doch das Maß einer zulässigen Kritik überschritten, wenn er dies zum Anlaß nahm, den Kläger durch unwahre Tatsachenbehauptungen herabzusetzen. In diesem Fall versagt selbst die Berufung auf das verfassungsgesetzlich (Art 13 StGG; Art 10 MRK) gewährleistete Recht, seine Meinung einschließlich Stellungnahmen (Kritik) und Wertungen frei zu äußern. Auch Politiker in ihrer öffentlichen oder in der von ihnen angestrebten Funktion haben nämlich Anspruch auf Schutz ihres guten Rufes im Sinne des Art 10 Abs 2 MRK. Das Recht auf freie Meinungsäußerung kann eine Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen, mit denen er eines verwerflichen Verhaltens bezichtigt wird, nicht rechtfertigen (NRsp 1992/199). Da sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch hier auf unwahre Tatsachenbehauptungen bezieht, ist für den Beklagten aus den vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen EuGRZ 1986, 424 und MR 1989, 129 ebensowenig zu gewinnen wie aus der Entscheidung EuGRZ 1991, 216 (4 Ob 1027/92, insoweit von der Veröffentlichung in NRsp 1992/199 nicht umfaßt).

Der Unterlassungsanspruch des Klägers läßt demnach die beantragte einstweilige Verfügung schon zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen (§ 381 Z 2 EO), zumal die Auswirkungen der Rufschädigung des Klägers kaum zu überblicken sind und sich durch Geldersatz keineswegs völlig ausgleichen lassen (vgl Heller-Berger-Stix, Komm.z.EO4, 2724; Korn-Neumayer aaO 72; MR 1988, 158; SZ 61/193; 6 Ob 671/90).

In teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses war daher die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes in Ansehung des Unterlassungsgebotes wiederherzustellen.

Die Abweisung des noch in Rede stehenden Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruches des Klägers auf Widerruf und dessen Veröffentlichung im Fernseh-Abendprogramm des Österreichischen Rundfunks erweist sich aber schon aus folgenden Gründen als im Ergebnis berechtigt:

Wenngleich der Rechtssatz, daß einstweilige Verfügungen der endgültigen Entscheidung nicht vorgreifen dürfen, im Falle einer Gefahr im Sinne des § 381 Z 2 EO nicht gilt (Heller-Berger-Stix aaO 2693, 2733; SZ 23/203; SZ 49/69; JBl 1988, 112 ua), kann doch eine einstweilige Verfügung immer nur eine vorläufige Regelung zum Gegenstand haben; sie darf daher keine Sachlage schaffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil damit kein Provisorium eintreten, sondern ein endgültiger Zustand herbeigeführt würde, der im Fall eines die einstweilige Verfügung nicht rechtfertigenden Urteils im Hauptprozeß die Wiederherstellung des früheren Zustandes unmöglich macht (JBl 1951, 343; SZ 27/317; JBl 1955, 252; EvBl 1971/141; JBl 1988, 112 ua). Das trifft auch auf den Anspruch auf Widerruf und dessen Veröffentlichung im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB zu. Mag diesem auch vom Gesetzgeber die Funktion einer Buße und Sühne zugedacht gewesen sein (Reischauer aaO Rz 22 zu § 1330), so handelt es sich doch seiner rechtlichen Natur nach - ebenso wie im Fall des § 7 Abs 1, letzter Satz, UWG (ÖBl 1991, 58 mwN) - um einen Beseitigungsanspruch. Der Widerruf ist eine Art der Naturalherstellung, soll er doch die Wirkungen der unwahren Äußerung beseitigen (Koziol aaO 177). Damit ist aber die Anordnung des öffentlichen Widerrufes als vorläufige Maßnahme als unzulässig anzusehen, weil sie endgültig wirkt. Sie ist kein Sicherungsmittel, das gemäß §§ 382 ff EO "nach Beschaffenheit des im einzelnen Fall zu erreichenden Zweckes" auf Antrag angeordnet werden könnte, führt sie doch einen dem Wesen einer Sicherungsmaßnahme widersprechenden endgültigen Zustand herbei.

Der Beklagte hat im Rechtsmittelverfahren mit einem Fünftel des auf Grund der Bewertung des Klägers noch in Rede stehenden Streitgegenstandes von 125.000 S obsiegt; der Kläger, welcher im übrigen die Kosten der einstweiligen Verfügung gemäß § 393 Abs 1 EO vorläufig selbst zu tragen hat, hat daher dem Beklagten gemäß § 402 Abs 2, § 78 EO und §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO die auf der Bemessungsgrundlage von 25.000 S errechneten Kosten der Rechtsmittelverfahren zu ersetzen.

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