Spruch:
Den Rekursen wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt:
Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, ob der Liegenschaft EZ *****, bestehend aus den Grundstücken ***** und *****, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes zugunsten des Klägers einzuwilligen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 138.111,01 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 39.000,-- Barauslagen und S 16.410,83 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die deutsche Staatsangehörige Eleonore O*****, ist am 29.6.1989 in Lippstadt in der Bundesrepublik Deutschland verstorben. Sie war Eigentümerin einer Liegenschaft mit Einfamilienhaus in Pfunds. Dieser in Österreich gelegene Nachlaß wurde beim Bezirksgericht Landeck abgehandelt und den beiden Beklagten, die aufgrund des Gesetzes eine bedingte Erbserklärung abgegeben hatten, mit Einantwortungsurkunde vom 9.7.1991 eingeantwortet. Das Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung wurde am 21.8.1991 verbüchert. Der Kläger war am inländischen Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligt. Ihm wurde am 26.7.1991 vom Amtsgericht Lippstadt ein Erbschein ausgestellt, der ihn als Alleinerben nach der Erblasserin ausweist. Er begehrt die Einwilligung der Beklagten zur Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der im Inland gelegenen Liegenschaft.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen war die Erblasserin von 1929 bis zu ihrem Tod an ihrem letzten Wohnsitz in Lippstadt gemeldet. Sie hatte jedoch seit 1940 auch einen Wohnsitz in Pfunds, in Österreich. Sie lebte seit 1940 bis etwa drei Jahre vor ihrem Tod vorwiegend - etwa 3/4 des Jahres - in Pfunds. Sie war dort berufstätig und bezog in Österreich auch eine kleine Rente. Am 11.2.1954 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann, der am 2.3.1955 verstorben ist, ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich wechselseitig als Erben und ihre gemeinsame Tochter Vera als Erbin des Letztversterbenden einsetzten. Am 9.5.1980 errichtete die Erblasserin ein privatschriftliches Testament, in dem sie ihren Enkel Florian B*****, den einzigen Sohn ihrer Tochter Vera, zum Erben ihres Grundbesitzes berief und ihrer Tochter Vera lediglich ein lebenslanges Fruchtnutzungsrecht vermachte. Florian B***** ist am 14.10.1982 verstorben. Nach dessen Tod errichtete die Erblasserin ein weiteres privatschriftliches Testament, in dem sie hinsichtlich ihres Grundstückes in Lippstadt ihre Tochter Vera als Vorerbin einsetzte und zu Nacherben zu je einem Hälfteanteil die Töchter ihrer damals bereits vorverstorbenen Schwester Helene K***** und die Schwester ihres Ehemannes Käthe S***** bzw. deren Nachkommen bestimmte. Das Grundstück in Pfunds vermachte sie in diesem Testament ihrer Tochter. Am 16.12.1983 errichtete die Erblasserin zwei inhaltlich gleichlautende privatschriftliche Testamente folgenden Wortlautes: "Testament! Meine Tochter Frau Vera B***** ist meine Alleinerbin....". Die Tochter der Erblasserin ist am 4.2.1989 verstorben. Der Kläger, ihr Ehemann, ist aufgrund eines gemeinschaftlichen Testamentes ihr Erbe. Nach dem Tod ihrer Tochter Vera errichtete die Erblasserin kein weiteres Testament mehr.
Am 19.11.1990 hat das Amtsgericht Lippstadt im Zuge des Erbscheinerteilungsverfahrens nach der Erblasserin nach Erhebung von Zeugenbeweisen durch Beschluß einen Vorbescheid erlassen, durch den die Erteilung eines Erbscheines entsprechend dem von den Beklagten gestellten Antrag angekündigt wurde, falls nicht innerhalb von zwei Wochen Beschwerde eingelegt werde. Der Kläger hat Beschwerde erhoben. Mit Beschluß vom 25.3.1991 hat das Landgericht Paderborn nach teilweiser Beweiswiederholung und Einvernahme weiterer Zeugen den vom Amtsgericht Lippstadt erlassenen Vorbescheid aufgehoben. Dagegen erhoben die Beklagten Beschwerde. Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluß vom 1.7.1991, der in Rechtskraft erwachsen ist, diese Beschwerde zurückgewiesen. Am 26.7.1991 hat daraufhin das Amtsgericht Lippstadt einen Erbschein ausgestellt, der den Kläger als Alleinerben der Erblasserin ausweist. Auf den Liegenschaftsbesitz der Erblasserin in Lippstadt wurde der Kläger als Eigentümer eingetragen.
Nicht festgestellt werden konnte, daß die Erblasserin eine Aufteilung des Nachlaßvermögens nach dessen Belegenheit oder die Anwendung österreichischen materiellen Erbrechtes für das in Österreich gelegene Liegenschaftsvermögen gewollt hat.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß nach § 28 Abs.1 IPRG für die Frage der Rechtsnachfolge von Todes wegen im vorliegenden Fall deutsches Recht als Erbstatut zur Anwendung zu kommen habe. Nach dem darin ausgedrückten Gedanken der Nachlaßeinheit werde der gesamte Nachlaß dem letzten Personalstatut des Erblassers unterstellt. Danach sei insbesondere die Frage zu beurteilen, welche Personen als Erben berufen seien. Daran änderten die Bestimmungen des § 32 IPRG (iVm § 31 IPRG) und des § 28 Abs.2 IPRG nichts. Diese bezögen sich nur auf den dinglichen Erbschaftserwerb, nicht aber auf die Voraussetzungen des erbrechtlichen Titels. Das aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit der Erblasserin anzuwendende Recht sei von Amts wegen wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Es könne daher der vom Oberlandesgericht Hamm erfolgten Auslegung des Testamentes vom 16.12.1983 als einem zugunsten des Klägers gültigen Testament gefolgt werden. Darin liege kein Verstoß gegen die Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG. Nicht schon jeder Verstoß gegen zwingendes österreichisches Recht sei schon als Verstoß im Sinne dieser Klausel zu qualifizieren. Nur bei Verletzung unverzichtbarer Grundprinzipien der inländischen Rechtsordnung könne die Vorbehaltsklausel angewendet werden. Eine solche gravierende Verletzung unverzichtbarer Grundprinzipien liege aber nicht vor. Auch im Sinne des § 565 ABGB sei bei der Auslegung von Testamenten auf den wahren Willen des Testators abzustellen. Nach österreichischer Auffassung müsse zwar die Interpretation einer letztwilligen Verfügung immer darauf beschränkt bleiben, den Sinn des Wortlautes einer Verfügung zu erklären, sodaß eine noch so deutlich erwiesene Absicht des Testators dann unbeachtlich sei, wenn sie in der letztwilligen Verfügung keinen Ausdruck gefunden habe; es müsse die Auslegung an Hand sonstiger Beweismittel jedenfalls einen, wenn auch noch so geringen Anhaltspunkt in der Verfügung selbst finden. Ansonsten würde das kategorische Formgebot des § 601 ABGB bedeutungslos. Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß die nach deutschem Recht vorgenommene extensive Auslegung nicht dem österreichischen Recht entspreche, würde dadurch das inländische Rechtsempfinden nicht in unerträglichem Maße verletzt. Hinzu komme, daß es sich bei allen Beteiligten um deutsche Staatsangehörige handle. Daher sei ein besseres Erbrecht des Klägers zu unterstellen und dem Klagebegehren stattzugeben.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf und trug dem Gericht erster Instanz eine neuerliche nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.
Das Berufungsgericht teilte im wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es erörterte auch die Rechtswirkungen des Erbscheines und dessen Anerkennung in Österreich. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes könne der Erbschein nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, da sich an der Erbfolge durch seine Erteilung oder Ablehnung nichts ändere. Der Erbschein habe nur die Wirkung einer widerlegbaren Rechtsvermutung. Er sei nach Art.2 Z 3 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages vom 6.6.1959, BGBl. 1960/105, in Österreich auch nicht anzuerkennen, weil gemäß § 22 AußStrG die Abhandlung inländischen unbeweglichen Nachlaßvermögens ausländischer Erblasser immer österreichischen Gerichten zukomme. Daraus folge, daß sich der Kläger nicht auf die Rechtsvermutung des Erbscheins berufen könne. Das Erstgericht hätte sich aber nicht mit der Wiedergabe der wesentlichen Entscheidungsgründe des Oberlandesgerichtes Hamm begnügen dürfen, sondern die entsprechenden Tatsachengrundlagen ermitteln müssen, um über die Erbschaftsklage selbständig entscheiden zu können.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz erhobene Rekurs der Beklagten ist berechtigt; dem Rekurs des Klägers kommt nur insoweit, als er eine Endentscheidung anstrebt, Berechtigung zu.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß sich in Österreich die Auslegung letztwilliger Verfügungen am subjektiven Willen des Erblassers zu orientieren hat, der Absicht des Erblassers aber nur gefolgt werden darf, wenn sie noch irgendeinen Anhalt im Wortlaut der letztwilligen Verfügung selbst findet, weil sonst die Formvorschriften umgangen würden, entspricht der Lehre und Rechtsprechung (Welser in Rummel2 Rz 7 f zu den §§ 552, 553; Schwimann-Eccher ABGB III § 655 Rz 2 f; Kralik, Erbrecht 119 f; NZ 1985/26; EvBl. 1980/59; SZ 38/221; 3 Ob 546/84 ua). Letzteres gilt auch für die ergänzende (hypothetische) Auslegung, für die größte Zurückhaltung gefordert wird (Kralik aaO 125; vgl. NZ 1980/128).
Diese Auslegungsgrundsätze gelten aber auch für das deutsche Erbrecht. Auch dort gilt die Willenstheorie; es ist der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln. Die Auslegung muß aber nach herrschender Ansicht an der vorliegenden Willenserklärung irgendeinen, wenn auch geringen Anhaltspunkt finden. Ist ein bestimmter Wille des Erblassers in der letztwilligen Erklärung auch nicht andeutungsweise zum Ausdruck gekommen, ist er als nicht formgerecht erklärter Wille unbeachtlich (NJW 1981, 1736; BGB-RGRK12 § 2084 RNr 7; Soergel-Loritz12 § 2084 RNr 8; MünchKomm-Leipold2 § 2084 RNr 9). Auch bei der ergänzenden Auslegung verlangt die bisherige ständige Rechtsprechung einen Anhalt für die Willensrichtung des Erblassers in der Testamentsurkunde selbst. Die Rechtsprechung hat aber wiederholt schon in der Einsetzung einer dem Erblasser nahestehenden Person einen aus dem Testament hervorgehenden Anhalt für den Willen des Erblassers erblickt, daß bei Wegfall des Bedachten dessen Abkömmlinge als Ersatzerben an dessen Stelle treten (NJW 1988, 2744 mwN). Den Ausgangspunkt bildete hiebei die Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach im Zweifel anzunehmen ist, daß dann, wenn der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht hat und dieser nach der Errichtung des Testamentes wegfällt, dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden, und der dieser Regelung zugrundeliegende Gedanke der Stammeserbfolge. Es wurde in derartigen Fällen als naheliegend angesehen, daß die Zuwendung des Erblassers nicht nur dem im Testament Bedachten persönlich, sondern als Erstem seines Stammes gelten soll (RGZ 99, 82; NJW 1973, 240). Eine stillschweigende Ersatzberufung wurde aber bisher - soweit überblickbar - nur in bezug auf Abkömmlinge bedachter naher Angehöriger angenommen (vgl. die Rechtsprechungsübersicht in Staudinger-Otte12 § 2069 RNr 24; Palandt51 1926). Die Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der ergänzenden Testamentsauslegung wird in einem Teil des Schrifttums wegen der Unsicherheit der Bestimmung des hypothetischen Erblasserwillens und wegen der Gefahr der Auswechslung des Zuwendungsempfängers durch ergänzende Auslegung gebilligt (Staudinger-Otte, Vorbemerkungen zu den §§ 2064 bis 2086 RNr 100). Da der Kläger nicht zu dem obgenannten Personenkreis gehört, erscheint es fraglich, ob die Auslegung des Testamentes der Erblasserin vom 16.12.1983 durch das Oberlandesgericht Hamm den Testamentsauslegungsregeln, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland gehandhabt werden, entspricht. Diese Frage braucht aber nicht abschließend beurteilt zu werden.
Der Kläger stützte sich lediglich auf den Erbschein, der nach seinem Prozeßstandpunkt materielle Wirkung entfaltet und in Österreich anzuerkennen ist. Beides trifft, wie schon das Berufungsgericht richtig dargelegt hat, nicht zu.
Der Erbschein ist ein Zeugnis über das Erbrecht mit Klarstellungsfunktion und soll dem Erben über die Schwierigkeit des Nachweises seines Erbrechtes und seiner Rechtsnachfolge hinweghelfen. Er ist mit der allerdings widerlegbaren Rechtsvermutung des § 2365 BGB versehen. Danach wird vermutet, daß demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zusteht. Das Prozeßgericht ist aber in einem Streit zwischen Erbanwärtern an die Erbscheinsvermutung nicht gebunden. Gleichwohl ist diese im Rechtsstreit zwischen Erbanwärtern hinsichtlich der Beweislast von Bedeutung. Die herrschende Lehre stellt hiebei auf die Parteirolle ab; als richtiger wird der Ansatz beim Erbschein gesehen (MünchKomm-Promberger § 2365 RNr 24 mwN). Der Kläger könnte sich demnach, da der Beweis eines besseren Erbrechtes durch die Beklagten nicht einmal angetreten wurde, ohne weiteren Beweis auf den Erbschein stützen. Der Erbschein ist jedoch, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, in Österreich nicht anzuerkennen. Gemäß Art.2 Z 3 des österreichisch-deutschen Vollstreckungsvertrages, BGBl. 1960/105, ist die Anerkennung einer Entscheidung zu versagen, wenn nach dem Rechte des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird (das ist hier Österreich), die Gerichte dieses Staates kraft Gesetzes ausschließlich zuständig wären. Diese Bestimmung ist im Grunde ein Sonderfall der Beachtung des inländischen ordre public. Die Entscheidung des Erststaates, hier der Bundesrepublik Deutschland, kann also im Zweitstaat, hier Österreich, nicht anerkannt werden, wenn der Zweitstaat eine ausschließliche gesetzliche Zuständigkeit der eigenen Gerichte in Anspruch nimmt (3 Ob 79/89). Nach § 22 AußStrG kommt die Abhandlung über die innerhalb des österreichischen Staates liegenden unbeweglichen Güter eines verstorbenen Ausländers dem zuständigen österreichischen Gericht im vollen Umfang zu, zumal im Verhältnis zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland durch Staatsverträge keine andere Regelung getroffen wurde (vgl. ZfRV 1987, 275; Schwimann in NZ 1979, 102). Dem Kläger kommt daher die Erbscheinsvermutung nicht zu. Es genügte nicht, nur die Rechtsbehauptung seines Erbrechtes aufzustellen. Der Kläger hätte die sein Erbrecht begründenden Tatsachen behaupten und beweisen müssen. Mangels eines entsprechenden Prozeßvorbringens ist aber die von der zweiten Instanz aufgetragene Verfahrensergänzung verfehlt. Das Berufungsgericht darf nicht eine Verfahrensergänzung auftragen, die durch die Prozeßbehauptungen der Parteien nicht gedeckt ist (JBl. 1976, 591; 1 Ob 587/82; 6 Ob 662/84 ua).
Da somit die Streitsache zur Entscheidung reif ist, sind die Rekurse im Ergebnis berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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