OGH 1Ob587/82

OGH1Ob587/8221.4.1982

SZ 55/53

Normen

ABGB §970
ABGB §1090
ABGB §970
ABGB §1090

 

Spruch:

Der Campingplatzbenützer hat in der Regel das Risiko der Beschädigung seines auf dem Campingplatz aufgestellten Fahrzeuges, Wohnwagens oder Zeltes und des Diebstahls von Sachen daraus durch Dritte selbst zu tragen

OGH 21. April 1982, 1 Ob 587/82 (LG Innsbruck 3 R 971/81; BG Kitzbühel C 1488/79)

Text

Der Beklagte betreibt in K einen Campingplatz. Der Platz ist auf denjenigen Seiten, die nicht durch Wald abgegrenzt sind, von einem Lattenzaun umgeben. Er wird während des Jahres von zwei bis drei Platzwarten beaufsichtigt, in der Weihnachtszeit des öfteren von vier Platzwarten. Im Oktober oder November 1972 vereinbarte die Mutter des Klägers mit einem Platzwart, daß sie den Wohnwagen des Klägers gegen Entrichtung einer jährlichen Gebühr auf dem Campingplatz stehenlassen kann. Der Kläger und seine Eltern suchten den Campingplatz ab und zu, zuletzt zu Weihnachten 1974, auf. Als der Kläger am 16. 6. 1976 wieder nach K kam, fand er den Wohnwagen nicht mehr auf dem ursprünglichen Standplatz. Der Wohnwagen stand am Waldrand auf einem entlegenen Teil des Platzes und war verwahrlost und beschädigt. Einige Gegenstände fehlten aus dem Wohnwagen. Als der Kläger vor seiner Abreise am 20. 6. 1976 zur Begleichung der aufgelaufenen Platzgebühren in der Höhe von 10 500 S aufgefordert wurde, verweigerte er die Bezahlung mit dem Hinweis, daß der Wohnwagen beschädigt worden sei. Es ist auf dem Campingplatz des Beklagten nicht unüblich, daß Wohnwagen durch den Platzwart fallweise auf andere Abstellplätze überstellt werden. Normalerweise sind die Wohnwagen, wenn sie nicht benützt werden, versperrt. Manchmal wird der Schlüssel von den Wagenbesitzern im Büro des Campingplatzes hinterlegt. Der Schlüssel zum Wohnwagen des Klägers wurde nicht hinterlegt. Es steht nicht fest, ob in der Zeit zwischen Weihnachten 1974 und dem 16. 6. 1976 in den Wohnwagen des Klägers eingebrochen wurde und wer die Beschädigungen verursachte. Die Mutter des Klägers hat diesem ihre Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis mit dem Beklagten abgetreten.

Das Erstgericht wies das auf Ersatz des Schadens an dem Wohnwagen und für die fehlenden Gegenstände gerichtete Klagebegehren ab. Die Vereinbarung mit dem Beklagten sei nicht als Verwahrungsvertrag anzusehen; es fehle an dem für einen Verwahrungsvertrag wesentlichen Element der Obsorgeverpflichtung und im Hinblick auf die Größe des Campingplatzes auch an der Möglichkeit einer wirksamen Überwachung. Eine Haftung des Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes sei zu verneinen, da weder ein Verschulden des Beklagten noch seiner Gehilfen erwiesen sei.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei. Zu Unrecht berufe sich der Kläger auf die Bestimmungen des Tiroler Campingplatzgesetzes vom 30. 5. 1967, LGBl. 28/1967. Nach § 4 dieses Gesetzes müsse der Campingplatz so gelegen sein, daß die körperliche Sicherheit der Personen, die sich auf dem Campingplatz aufhielten, und deren Eigentum durch äußere Einwirkungen, wie Überschwemmungen, Vermurungen, Erdrutsche usw., nicht gefährdet würden. Eine absolute Verpflichtung zur Umzäunung enthalte das Gesetz nicht. Im § 6 Abs. 1 sei lediglich normiert, daß der Campingplatz in geeigneter Form einzufrieden sei, soweit es die örtlichen Verhältnisse und die nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 zu wahrenden Interessen erforderten. Nach § 4 seien aber die Interessen der Campingplatzbenützer nur vor den dort genannten äußeren Einwirkungen zu schützen. Aus dem Tiroler Campingplatzgesetz lasse sich somit eine generelle Verwahrungspflicht der auf dem Platz abgestellten Zelte und Wohnwagen nicht ableiten. Die mit dem Beklagten abgeschlossene Vereinbarung sei als Bestandvertrag iS des § 1090 ABGB zu beurteilen. Ob den Beklagten hiebei auch Pflichten eines Verwahrers träfen, sei, da eine Abrede nicht getroffen worden sei, durch ergänzende Vertragsauslegung oder nach der Übung des redlichen Verkehrs zu beurteilen. Die Frage, ob den Vermieter einer Abstellfläche auf einem Campingplatz nach der Verkehrsübung eine Verwahrungspflicht treffe, sei auf Grund der jeweiligen Umstände im Einzelfall zu beurteilen. Die Übernahme der Obsorge werde dann zu bejahen sein, wenn der Campingplatz gegen den Zutritt nicht berechtigter Personen entsprechend abgesichert und überdies das ganze Jahr hindurch durch einen Platzwart beaufsichtigt werde. Es seien daher weitere Feststellungen darüber erforderlich, wie der Campingplatz des Beklagten geführt werde; insbesondere müsse festgestellt werden, ob der Campingplatz über das ganze Jahr oder nur während der Saisonen in Betrieb sei, ob Platzwarte während des ganzen Jahres am Campinggelände anwesend seien und welcher Aufgabenbereich diesen zukomme. Festzustellen sei auch, ob zwischen den Parteien ein bestimmter Abstellplatz vereinbart worden sei. Bei Vereinbarung eines bestimmten Standplatzes in der Nähe der Räumlichkeiten, in denen sich der Platzwart aufhalte, sei die Beaufsichtigung des Wohnwagens leichter als auf einem weit entfernten Platz. Ferner sei festzustellen, ob durch das Verstellen des Wohnwagens die Gefahr einer Beschädigung erhöht worden sei. Die Verbringung des Wohnwagens auf einen ungünstigeren Standplatz sei unter diesen Umständen als Verletzung der jeden Vertragspartner treffenden Schutz- und Sorgfaltspflicht zu werten. Um sich der Haftung aus einer solchen Vertragsverletzung zu entziehen, müsse der Beklagte gemäß § 1298 ABGB beweisen, daß weder ihn noch seine Erfüllungsgehilfen ein Verschulden an der Schlechterfüllung treffe. Ebenso könne sich der Beklagte von einer allfälligen Verwahrerhaftung nur durch den Nachweis befreien, daß der Schaden am Wohnwagen des Klägers nicht durch die Unterlassung der pflichtgemäßen Obsorge verursacht worden sei. Sei eine Haftung des Beklagten gegeben, seien auch noch Feststellungen über die Höhe des Schadens zu treffen.

Über Rekurs des Beklagten hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger hat sein Begehren lediglich auf die Verletzung der vom Beklagten vertraglich übernommenen Aufsichtspflicht gestützt. Das Erstgericht hat eine ausdrückliche Abrede der Übernahme der Obsorge durch den Beklagten nicht als erwiesen angenommen. Es ist daher zu prüfen, ob sich auch ohne solche ausdrückliche Abrede schon aus der Art des abgeschlossenen Vertrages eine solche Verpflichtung des Beklagten ergab.

Das in den Jahren 1974 bis 1976 geltende Tiroler Campingplatzgesetz, LGBl. 28/1967, enthielt öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des Campingplatzunternehmers. Der Campingplatzbenützer konnte jedoch darauf vertrauen, daß diese Verpflichtungen eingehalten wurden. Der Unternehmer kann daher auch aus der Verletzung der ihn treffenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen Campinggästen gegenüber schadenersatzpflichtig werden, wenn diese an jenen Rechtsgütern und durch solche Ereignisse einen Schaden erleiden, dessen Eintritt durch die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen des Unternehmers vorgebeugt werden soll. In Betracht kommt nach den Bestimmungen des Tiroler Campingplatzgesetzes eine Schädigung der Campingplatzbenützer an ihrer Person oder an ihrem Eigentum durch Überschwemmungen, Vermurungen, Erdrutsche udgl. Der Kläger hat jedoch nicht einmal behauptet, daß der Schaden an seinem Wohnwagen durch derartige Ereignisse infolge Außerachtlassung der dem Beklagten nach § 4 Abs. 1 und nach § 6 Abs. 1 des Tiroler Campingplatzgesetzes obliegenden Verpflichtungen bei der Anlage des Platzes verursacht worden sei.

Das Wesen eines Campingvertrages besteht darin, daß der Unternehmer dem Campinggast die Aufstellung eines Zeltes oder Wohnwagens samt Kraftfahrzeug auf dem Campingplatz und die Benützung der sanitären Anlagen sowie der sonstigen Einrichtungen des Campingplatzes gemeinsam mit den anderen Campinggästen gegen ein regelmäßig nach Tagen berechnetes Entgelt gestattet. Der Campingvertrag enthält damit Elemente eines Bestandvertrages, werden doch eine Bodenfläche und bauliche Einrichtungen gegen Entgelt zur Benützung überlassen. Im deutschen Rechtsbereich, der eine dem § 970 Abs. 2 zweiter Satz ABGB (für Stallungen und Aufbewahrungsräume) entsprechende Bestimmung nicht kennt, wird auch unter Betonung der Besonderheiten des Campingvertrages für die Haftung des Unternehmers Mietrecht analog angewendet (OLG Koblenz NJW 1966, 2017; Siebert in BGB-RGRK[12], Rdz. 1 zu § 701). Er kann hingegen nicht den Regeln der Gastaufnahme nach § 970 Abs. 1 ABGB unterstellt werden. Wer campiert, sei es auch auf einem zu einem Gasthof gehörigen Grundstück, erhält keine Herberge und ist damit nicht Herbergsgast (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 664). Nach Gschnitzer (aaO) wird man beim Camping unter Umständen aber von der Benützung eines Aufbewahrungsraumes iS des § 970 Abs. 2 ABGB sprechen können, wenn es sich um einen bewachten Platz handelt. Ein Aufbewahrungsraum setzt begrifflich abgeschlossene räumliche Verhältnisse voraus, die darin befindlichen Sachen Schutz gegen äußere Einwirkung bieten (1 Ob 738/81 = SZ 54/181; SZ 43/84 ua.). Dies trifft auf einen Campingplatz in der Regel nicht zu.

Es kann unerörtert bleiben, ob den Unternehmer eine gewisse Sorgfaltspflicht trifft, soweit es sich um die Gefahr des Diebstahls der auf dem Campingplatz aufgestellten Fahrzeuge und Wohnwagen handelt; im vorliegenden Fall geht es darum, daß der Wohnwagen des Klägers während der Dauer der Aufstellung auf dem Campingplatz des Beklagten beschädigt wurde und Sachen aus dem Wohnwagen abhanden gekommen sind. Die Frage, ob den Unternehmer die Verpflichtung trifft, die Sachen des Campinggastes vor derartigen Gefahren zu schützen, ist unter beiderseitiger Interessenabwägung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu beurteilen. Zutreffend weist der Rekurswerber auf die Eigenart des Campingplatzbetriebes hin. Die Campingplatzbenützer sind berechtigt, sich auf der gesamten Anlage zu bewegen; sie können auch Besucher empfangen; insbesondere während der Saison herrscht auf einem Campingplatz regelmäßig starker Betrieb; der ungewollte Zutritt fremder Personen ist selbst bei vollständiger Umzäunung nicht auszuschließen. Auf Grund dieser Besonderheiten kann die Obsorge des Unternehmers dafür, daß die auf dem Campingplatz aufgestellten Fahrzeuge, Wohnwagen oder Zelte von anderen Campinggästen oder Besuchern nicht beschädigt und darin befindliche Sachen nicht gestohlen werden, nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen Gegenstand des Campingvertrages sein. Ein wirksamer Schutz vor den erwähnten Gefahren könnte nur durch Maßnahmen erreicht werden, deren Kosten jedes wirtschaftlich vertretbare Maß übersteigen würden und von Campinggästen in der Regel nicht bezahlt werden wollen. Ein solcher Schutz würde zudem eine ständige Beaufsichtigung der Campinggäste und ihrer Besucher - auch zur Nachtzeit - erfordern. Solche Maßnahmen lägen nicht einmal im Interesse der Campinggäste. Wer einen Campingplatz benützt, strebt vor allem die Schaffung einer preiswerten Aufenthaltsmöglichkeit an; er will aber keinen wesentlichen Beschränkungen seiner Bewegungsfreiheit und keiner ständigen Überwachung ausgesetzt sein. Der Campingplatzbenützer nimmt vielmehr nach den ihm erkennbaren Umständen das Risiko der Beschädigung seines auf dem Campingplatz aufgestellten Fahrzeuges, Wohnwagens oder Zeltes und des Diebstahls von Sachen daraus durch Dritte auf sich. Den Campingplatzunternehmer trifft damit keine Obsorgepflicht zum Schutz vor derartigen Gefahren.

Daß der Schaden des Klägers durch den Beklagten selbst oder durch solche Personen schuldhaft verursacht worden wäre, für die der Beklagte nach den Bestimmungen der §§ 1313a und 1315 ABGB einzustehen hätte, wurde nicht behauptet; es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor. Dem Berufungsgericht ist nur darin beizupflichten, daß eine Verbringung des Wohnwagens durch den Beklagten oder einen seiner Gehilfen von einem bestimmten vereinbarten Abstellplatz auf einen anderen, auf dem er einer erhöhten Gefahr der Beschädigung ausgesetzt war, eine Haftung des Beklagten wegen Vertragsverletzung rechtfertigen könnte. Die Beweislast für die Vertragsverletzung und für den Kausalzusammenhang trifft jedoch den Geschädigten. Die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB gilt für das Verschulden (SZ 52/15; ZfRV 1977, 301; SZ 48/100). Der Kläger hat in erster Instanz lediglich behauptet, daß der Beklagte seinen Wohnwagen entgegen den Vertragspflichten vom ursprünglichen Standort entfernte, ohne den Kläger zu verständigen. Konkrete Umstände, aus denen sich eine Gefahrenerhöhung durch den Standortwechsel und deren Ursächlichkeit für den Schadenseintritt ergäbe, wurden nicht vorgebracht. Es besteht daher keine Veranlassung, dem Erstgericht ergänzende Feststellungen in dieser Richtung aufzutragen (vgl. RZ 1979/10). Die Sache ist vielmehr iS einer Bestätigung des Ersturteiles spruchreif.

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