Spruch:
Der Veranstalter eines Festes hat die seiner Verfügung unterliegenden Anlagen, die er seinen Gästen zur Benützung überläßt, in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu erhalten; eine solche (vorvertragliche) Pflicht besteht gegenüber jedem Besucher des Festes als potentiellem Vertragspartner des Veranstalters
Beim Eintritt eines Schadens hat der Veranstalter gemäß § 1298 ABGB seine Schuldlosigkeit zu beweisen
OGH 7. Oktober 1975, 5 Ob 184/75 (OLG Innsbruck 1 R 135/75; LG Feldkirch 4 Cg 2114/74
Text
Vom 3. bis 5. August 1973 feierte die beklagte Partei, ein Musikverein, ihr 70jähriges Bestehen. Dazu war ein Festzelt errichtet, in dem sich zirka 30 bis 40 Tisch-Bank-Garnituren befanden, die von der Brauerei F zur Verfügung gestellt waren. Eine Garnitur bestand aus zwei Bänken und einem Tisch, für die drei Böcke notwendig waren. Diese bestanden von unten her aus zwei Basishölzern, worauf sich je ein Steher befand. Auf Sitzhöhe waren die beiden Steher durch einen Querbalken verbunden, worauf von der Seite links und rechts eingerückt sich wieder zwei Steher befanden. Auf Tischhöhe lag darauf wieder ein Querbalken. In der Mitte des Tisches und an den beiden Enden befand sich je ein Bock. Darüber waren zwei Sitzbretter links und rechts des Tisches und oben darauf ein oder zwei Tischbretter gelegt. Adolf M, seit 20 Jahren Mitglied der beklagten Partei, hatte die Leitung der Aufstellung der Bänke und Tische inne; beim Abladen halfen 10 bis 15 Personen. Adolf M und Josef S, der Obmann der beklagten Partei hatten angeordnet, daß schlechte Böcke auszusondern seien; die Böcke wurden auch jeweils durch Besichtigen und Feststellen, ob sie auffallend wackelten, geprüft; die so als unbrauchbar festgestellten Böcke, insgesamt etwa zehn, wurden auch tatsächlich nicht verwendet; auch beim Aufstellen der Tische und Bänke als fehlerhaft erkannte Böcke wurden ausgeschieden. Am 3. August 1973 fand ein Tanzabend, am 4. August 1973 eine Tanz- und Unterhaltungsveranstaltung statt. Am Morgen danach wurden jeweils beim Aufstellen der Bänke und Tische in Reih und Glied wiederum schadhafte Böcke, ohne daß allerdings jeder Bock und jede Bank besonders geprüft worden wären, ausgeschieden. Am 5. August 1973 fanden im Festzelt ein Festgottesdienst, anschließend ein Frühschoppenkonzert und nachmittags ein Konzert der Gastvereine statt. Am Abend klang das Fest mit Tanz und Unterhaltung aus. Die Abendveranstaltung am 5. August 1973, von welcher der beklagten Partei bekannt war, daß dabei, wie es bei solchen Festen üblich ist, auch geschunkelt werden würde, war ohne Eintrittsgeld zugänglich; die Bewirtung wurde von der beklagten Partei organisiert und durchgeführt; ihr fielen auch die Einkünfte aus dieser zu. Am 5. August 1973 gegen 20 Uhr begab sich die Klägerin in das Festzelt und nahm auf einer Bank, auf der, ohne daß sie voll besetzt gewesen wäre, noch mehrere Bekannte saßen, Platz. Die Garnitur wackelte, wie dies bei Festen so üblich ist, ein wenig. Als die Musik Schunkellieder zu spielen begann, wurde auch am Tisch, an dem die Klägerin saß, geschunkelt. Beim zweiten Lied, bei dem geschunkelt wurde, brachen die beiden Bänke und der Tisch, an dem die Klägerin saß, zusammen. Die Klägerin hatte bis dahin nichts bestellt, sondern von einem Bekannten ein Bier geschenkt erhalten. Die Klägerin klemmte sich beim Zusammenbruch der Garnituren ihren linken Fuß unter der Bank ein und erlitt Verletzungen. Sie macht gegen die beklagte Partei Schadenersatzansprüche von 50.489.90 S samt Anhang geltend. Die beklagte Partei bestritt jedes Verschulden, beantragte unter anderem die Beiziehung eines Sachverständigen und wendete subsidiär ein 50%iges Mitverschulden der Klägerin ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. An der Seite, an der Xaver W der Klägerin gegenübergesessen sei, sei der in das Basisholz, das ebenso wie der Steher über dem Basisholz frisch gewesen sei, eingelassene Zapfen angefault gewesen, ob nur oberflächlich oder bis auf den Grund des Basisholzes, könne nicht festgestellt werden. Selbst wenn der Zapfen bis zum Grund des Basisholzes angefault gewesen wäre, wäre diese Fäulnis kaum sichtbar gewesen, da die untere Fläche des Basisholzes einschließlich der Zapfenunterseite meistens auf dem schmutzigen Boden stehe und durch den Schmutz hindurch die Fäulnis kaum sichtbar gewesen wäre. Die beiden Böcke in der Mitte des Tisches und an der dem Sitzplatz der Klägerin entgegengesetzten Seite des Tisches seien verhältnismäßig neuwertig und ohne faule Stellen gewesen. Auch diese beiden Böcke seien gebrochen.
Rechtlich meinte das Erstgericht, die beklagte Partei habe als Veranstalterin die ihr zumutbaren und auch ortsüblichen Untersuchungen an den Teilen der Tisch-Bank-Kombinationen vor dem Aufstellen vorgenommen. Sie habe auch während des Festes die Tische und Bänke mehrmals geordnet und offenbar untaugliche Kombinationen oder einzelne Böcke ausgewechselt. Die eigentliche Ursache des Einsturzes der Tisch-Bank-Kombination, welche die Klägerin benützt habe, sei der angefaulte Zapfen des Stehers im Basisholz gewesen. Nur dann, wenn der Zapfen bis zur Unterseite des Basisholzes angefault gewesen wäre, hätte dies, wenn der Bock auf den Kopf gestellt worden wäre, erkannt werden können; außerdem hätte, da die untere Fläche des Basisholzes einschließlich der Zapfenunterseite meistens auf dem schmutzigen Boden stehe, die untere Fläche des Basisholzes einschließlich der Zapfenunterseite gereinigt werden müssen. Wollte man solche Maßnahmen von der beklagten Partei verlangen, so wäre sie als Veranstalterin zweifellos überfordert. Der Klägerin sei es nicht gelungen, der beklagten Partei mangelnde Sorgfalt beim Aufstellen und Überprüfen der Tisch-Bank-Kombinationen nachzuweisen. Die Bestimmung des § 1319 ABGB sei nicht anwendbar, da eine Tisch-Bank-Kombination kein aufgeführtes Werk sei. Aber selbst wenn man eine Beweislast der beklagten Partei annehmen wollte, wäre für die Klägerin nichts gewonnen; die beklagte Partei habe nachgewiesen, daß sie alle ihr zumutbaren und ortsüblichen Handlungen, die die Sicherheit der Festbesucher gewährleisten, vorgenommen habe.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und bestätigte dessen Entscheidung. Da die Klägerin keinen Eintritt bezahlt und auch keine Konsumationsartikel bestellt gehabt habe, habe zwischen ihr und der beklagten Partei kein Vertragsverhältnis bestanden. Die beklagte Partei habe, da sie auf dem ihr zur Verfügung stehenden Grund einen Verkehr für Menschen eröffnet hatte, die Verpflichtung getroffen, im Rahmen des Zumutbaren für die Verkehrssicherheit zu sorgen und bei geschaffenen Gefahrenquellen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung nach Tunlichkeit abzuwenden; sie müsse beweisen, daß sie die nötige und ihr zumutbare Vorsicht nicht vernachlässigt habe. Dieser Beweis sei der beklagten Partei, wie das Erstgericht richtig dargelegt habe, gelungen. § 1319 ABGB, aber auch § 1318 ABGB seien nicht anwendbar. Von einem gefährlichen Aufstellen der Sitzbänke könne nicht gesprochen werden; die Bank sei nicht infolge der Art ihrer Aufstellung, sondern infolge einer im Material gelegenen Abnützungserscheinung bei der durch das Schunkeln gegebenen Krafteinwirkung von außen zusammengebrochen. Es hieße die an den Veranstalter eines Zeltfestes zu stellenden Anforderungen überspitzen, wollte man von ihm weitergehende als die getroffenen Sicherungs- und Überprüfungsmaßnahmen, wie etwa eine dauernde oder bis ins Detail gehende Kontrolle der Sitzgelegenheiten oder Belastungsprüfungen, verlangen.
Infolge Revision der Klägerin hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Berufungsgericht kann zunächst nicht darin beigepflichtet werden, daß zwischen den Streitteilen kein Vertragsverhältnis bestanden hat. Nach den Feststellungen der Untergerichte war die beklagte Partei Veranstalterin des Festes, bei dem sich der Unfall der Klägerin ereignete; sie organisierte die Bewirtung der Gäste und führte sie auch durch; auch die Einkünfte aus der Bewirtung fielen ihr zu. Auch wenn sie kein Eintrittsgeld verlangte, übte sie damit doch während der Abendveranstaltung des 5. August 1973 eine Tätigkeit aus, die der eines Gastwirtes entspricht. Der OGH hat bereits ausgesprochen, daß ein Gastvertrag mit einem Schankwirt spätestens mit der Entgegennahme der Bestellung durch den Wirt oder einen seiner Angestellten zustande kommt; hiebei ist es ohne Bedeutung, wer später die Bezahlung der Zeche vornehmen soll, weil der Umstand, daß ein Familienangehöriger, Freund oder Bekannter die Zeche begleichen wird, für den Gastwirt und damit auch für den Gastvertag in der Regel unwesentlich ist (SZ 31/14). Auch wenn das Bier, das die Klägerin konsumierte, nicht von dieser bezahlt wurde oder bezahlt werden sollte, ändert dies also nichts daran, daß zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis bestand. Darüber hinaus bestehen ohnehin auch vorvertragliche Pflichten gegen jedermann, mit dem der Handelnde künftig in geschäftlichen Kontakt treten will; "jedermann" ist zwar nicht jede beliebige Person, aber immerhin jeder potentielle Vertragspartner (Welser in ÖJZ 1973, 286). Das ist gewiß jeder, der eine Tanzveranstaltung mit Konsumationsmöglichkeit besucht, da von ihm natürlich erwartet wird, daß er - ob auf eigene oder fremde Rechnung, ist unerheblich - gegen Entgelt die angebotenen Speisen und Getränke konsumiert.
Zu den Pflichten der Gastwirte und derjenigen, die eine gleichartige Funktion ausüben, gehört es, die ihrer Verfügung unterliegenden Anlagen, die sie ihren Gästen zur Benützung einräumen, in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten (EvBl. 1975/3; SZ 43/204; EvBl. 1970/191; JBl. 1965, 474 u. a.). Die an sie gestellten Anforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden (JBl. 1965, 474). Immerhin wurde aber z. B. doch von einem Gastwirt, zu dessen Unternehmen eine Terrasse mit einem Holzgeländer gehörte, verlangt, daß er in entsprechenden Zeitabständen entweder einen Fachmann zur Untersuchung des Zustandes des Geländers heranzieht oder sich selbst durch entsprechendes Aufgraben vom Zustand der Steher überzeugt, weil gerade an der Stelle, wo ein Steher in die Erde ragt, nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit Fäulnis und Vermorschung gerechnet werden muß; in der Unterlassung jeder ernstlichen Untersuchung des Geländers wurde ein Verschulden des Gastwirtes erblickt (SZ 31/14; in diesem Sinne auch ImmZ 1972, 172).
Im vorliegenden Fall kannte die beklagte Partei die ihr zur Verfügung gestellten Tisch-Bank-Garnituren nicht näher und wußte daher nicht, in welchem Zustand sie sich befanden und wie und wo sie vorher verwendet worden waren. Sie wußte hingegen, daß sie durch den häufigen Gebrauch während des Festes, des erwarteten starken Besuches und der geplanten Schunkelmusik verhältnismäßig stark in Anspruch genommen werden würden. Ihre Leute erkannten auch, daß der Zustand der Garnituren verhältnismäßig schlecht war, mußten doch mehrere schon auf Grund nicht eingehender Untersuchung sofort ausgeschieden werden. Besonders groß war die Gefahr einer Fäulnis an der Unterseite, wurden sie doch, wie der Zeuge Xaver W, dem die Untergerichte folgten, aussagte, oft im Freien verwendet. Unter diesen Umständen war es von der beklagten Partei durchaus zu verlangen, daß sie die übernommenen Garnituren, insbesondere auch an der Unterseite, auf mögliche Fäulnis von Holzteilen genauer untersuchte. Von einer solchen Untersuchung bei Übernahme der Garnituren kann jedoch keine Rede sein. Adolf M und der Obmann der beklagten Partei dürften zwar gewisse Aufträge gegeben haben, sie waren aber unzureichend oder wurden nicht eingehalten. Der Verantwortliche Adolf M sagte sogar selbst aus, daß die übernommenen Böcke nur oberflächlich angeschaut wurden. Die Untergerichte sahen die Ursache des Einsturzes der Tisch-Bank-Kombination darin, daß der Zapfen des Stehers im Basisholz angefault war; es war dies an einer Stelle, an der eine Fäulnis durchaus nahelag.
Eine Haftung der beklagten Partei würde allerdings dennoch entfallen, wenn ihre Leute auch bei einer genaueren Untersuchung der übernommenen Garnituren die Fäulnis des Zapfens nicht hätten feststellen können. Die Untergerichte sahen sich nicht in der Lage festzustellen, wie weit die Fäulnis von außen erkennbar gewesen wäre; das Erstgericht meinte nur, daß die untere Fläche des Basisholzes und des Zapfens verschmutzt gewesen sein dürfte, so daß man eine Fäulnis ohne eine der beklagten Partei nicht zumutbare Reinigung ohnehin nicht hätte feststellen können. Dieser offenbar auch vom Berufungsgericht geteilten Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Wenn die Garnituren der beklagten Partei unbekannt und mit großer Wahrscheinlichkeit auch bereits vielfach beansprucht worden waren und schon eine oberflächliche Untersuchung ergeben hatte, daß einzelne Garnituren angefault bzw. unbrauchbar waren, und eine starke Inanspruchnahme während des Festes zu erwarten war, wäre es vielmehr die Pflicht der beklagten Partei gewesen, die Granituren vor ihrer Aufstellung zumindest an den Stellen, an denen das Auftreten von Fäulnis nicht unwahrscheinlich war, vor der Untersuchung auch zu reinigen; nur wenn diese Untersuchung entsprechend sorgfältig geschehen wäre, hätte dann die von der Revision vor allem verlangte weitere Überprüfung des Zustandes der Garnituren zwischen den einzelnen Festveranstaltungen nicht mehr stattfinden müssen.
Die Bereitstellung der Sitzgelegenheiten im gefahrlosen Zustand gehörte zu den vertraglichen Pflichten der beklagten Partei der Klägerin gegenüber. Diese Verbindlichkeit wurde nicht erfüllt. Da der Klägerin gegenüber ein Vertragsverhältnis bestand, haftet die beklagte Partei auch für das Verschulden ihrer Gehilfen nach § 1313a ABGB. Weil das Gesetz verhindern will, daß der Geschädigte, für den die Lebensverhältnisse in der Sphäre des Verantwortlichen nicht durchschaubar sind, in Beweisnotstand gerät (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I, 266), ist gemäß § 1298 ABGB, welche Bestimmung bei Verletzung aller vertraglichen Schutzpflichten Anwendung findet (JBl. 1975, 205), die beklagte Partei dafür beweispflichtig, nicht schuldhaft gehandelt zu haben. Da damit die von den Untergerichten angenommene Unmöglichkeit der Feststellung, die Fäulnis des Zapfens wäre von außen nicht erkennbar gewesen, zu Lasten der beklagten Partei geht, erkennbare Fäulnis die beklagte Partei aber verpflichtet hätte, die Garnitur auszuscheiden, kann nicht gesagt werden, daß eine Haftung der beklagten Partei der Klägerin gegenüber nicht in Betracht kommt. Die beklagte Partei hat sich in der Klagebeantwortung allerdings auch auf einen Sachverständigen berufen und darüber hinaus ein Mitverschulden der Klägerin eingewendet. Die Rechtssache ist daher auch noch nicht für ein Zwischenurteil dem Gründe nach entscheidungsreif. Es bedarf vielmehr einer Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz, so daß die Urteile der Untergerichte aufzuheben waren und die Rechtssache zur Fortsetzung des Verfahrens an das Erstgericht zurückzuverweisen ist. Erwähnt sei nur noch, daß die Bestimmungen der §§ 1318, 1319 ABGB auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden sind. Da die Revision dies zwar bestreitet, aber jede nähere Ausführung zur Dartuung des Gegenteils unterläßt, genügt es, auf die in dieser Richtung zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)