OGH 12Os45/92-11 (12Os46/92-11)

OGH12Os45/92-11 (12Os46/92-11)11.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Juni 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Freilinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef D***** und Robert S***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef D***** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Robert S***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 14. Jänner 1992, GZ 12 b Vr 1234/91-24, wie auch über die Beschwerde des Angeklagten Josef D***** gegen den zugleich gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und der Verteidiger Dr. Hahn und Dr. Häusler, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufungen des Angeklagten Josef D***** "wegen Schuld" und des Angeklagten Robert S*****, soweit sie die Einweisung in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 Abs. 1 StGB begehrt, werden zurückgewiesen. Im übrigen wird ihnen wie auch der Berufung der Staatsanwaltschaft und der Beschwerde des Angeklagten Josef D***** nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Josef D***** und Robert S***** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 24.März 1968 geborene Josef D***** wurde (A I) des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 (gemeint: erster Fall), 127, 129 Z 1 StGB, (B I) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und (B II) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG und der am 26. Dezember 1964 geborene Robert S***** (A I und II) des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 (gemeint: erster Fall), 127, 129 Z 1 StGB und (C) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt. Danach haben Josef D***** und Robert S***** (A) in Neunkirchen fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen, nämlich (I) Josef D***** und Robert S***** "im einverständlichen Zusammenwirken" als Mittäter am 4.November 1991 (1) der Elisabeth S***** eine Lederjacke im Wert von ca. 1.000 S; (2) der Fotohandlung Helmut N***** GesmbH Schmuck und Fotoartikel im Wert von 10.207,30 S durch Einbruch in ein Gebäude; (II) Robert S***** allein am 16. Oktober 1991 dem Norbert J***** drei Feuerzeuge im Gesamtwert von 10.000 S durch Einbruch in ein Gebäude; Josef D***** überdies (B I) im März oder April 1991 in Spielfeld den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 60 Gramm Heroin, nach Österreich eingeführt und (B II) außer in den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchgift, nämlich (1) 0,6 Gramm Haschisch, am 4.April 1991 in Wels der Ingrid K***** überlassen, (2) Heroin, Kokain und Haschisch in der Zeit von 1988 bis Anfang November 1991 in Wien und an anderen Orten erworben und besessen; Robert S***** außerdem (C) am 8. November 1991 in Wien außer in den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich 2,5 Gramm braunes Heroin, erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Während Robert S***** die ihn betreffenden Schuldsprüche unangefochten ließ, bekämpft der Angeklagte Josef D***** seinen Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie "hilfsweise" mit einer "Berufung wegen Schuld", überdies - ebenso wie der Angeklagte S***** und zu dessen Nachteil die Staatsanwaltschaft - den Strafausspruch mit Berufung. Robert S***** strebt mit seiner Berufung auch seine Einweisung in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher (§ 22 StGB) an. Den Beschluß auf Widerruf einer Josef D***** gewährten bedingten Strafnachsicht gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO ficht schließlich dieser Angeklagte mit Beschwerde an.

Von den Rechtsmitteln des Angeklagten D***** war die Berufung "wegen Schuld" schon vorweg als zur Bekämpfung schöffengerichtlicher Urteile gesetzlich nicht vorgesehen zurückzuweisen. Seiner Nichtigkeitsbeschwerde hinwieder kommt keine Berechtigung zu:

Der auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (sachlich Z 10) gestützte Einwand, das Urteil sei mangels der Feststellung, daß der Tätervorsatz bei der Einfuhr des Suchtgifts ausschließlich auf dessen Eigenkonsum ausgerichtet gewesen, sei "in entscheidenden Tatsachen unvollständig geblieben", setzt sich zunächst über die der Seite 231 (Ende des zweiten Absatzes) zu entnehmende, ohnedies in diesem Sinn eindeutige Urteilspassage hinweg, wonach der Angeklagte "das Suchtgift nur zum eigenen Gebrauch einführte und dann tatsächlich nur selbst verbrauchte". Aus dieser - mithin zu Unrecht vermißten - Tatsachenfeststellung läßt sich aber die zu B I angestrebte Tatbeurteilung nach § 16 SGG nicht ableiten. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut macht sich nämlich nach § 12 Abs. 1 SGG strafbar, wer den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge erzeugt, einführt, ausführt oder in Verkehr setzt. Demgemäß ist es für eine Tatbestandsverwirklichung nach § 12 Abs. 1 SGG allein entscheidend, daß (wenigstens) eine der gesetzlichen Tathandlungen in bezug auf eine "große Menge" Suchtgift im Sinn der Legaldefinition nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz SGG begangen wird. In bewußter Abkehr von der in der Suchtgiftgesetz-Novelle 1980 (BGBl. 1980/319) normierten Rechtsnatur des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG als abstraktes Gefährdungsdelikt reduzierte die Neufassung dieses Tatbestandes durch die Suchtgiftgesetz-Novelle 1985, BGBl. 1985/184, die Bedeutung der Eignung einer Suchtgiftmenge, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, auf ein bloßes Quantifizierungskriterium, weshalb das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG auch verantwortet, wer ohne Herbeiführung einer (vom Vorsatz umfaßten) abstrakten Gefahr für eine größere Zahl von Menschen Suchtgift in großer Menge nach Österreich einführt. In denklogisch untrennbarem Einklang damit steht die Privilegierungsvorschrift nach § 12 Abs. 2 zweiter Satz SGG, wonach (bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung) nicht nach dem höheren Strafsatz des § 12 Abs. 2 SGG, sondern nach § 12 Abs. 1 SGG zu bestrafen ist, wer selbst dem Mißbrauch eines Suchtgiftes ergeben ist und die im Abs. 1 bezeichnete und nach Abs. 2 qualifizierte Tat ausschließlich deshalb begeht, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtgift (oder die Mittel zu dessen Erwerb) zu verschaffen (dazu Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze2 2.Ergänzungsheft 1985 Anm. 1 und 5 zu § 12 SGG; Kodek, Suchtgiftgesetz Anm. 3 und 6 zu § 12).

Ob nun die grundsätzlich zur Tatbestandsverwirklichung nach sowohl § 12 Abs. 1 als auch § 16 Abs. 1 SGG geeignete Begehungsform der Einfuhr von Suchtgift als Verbrechen nach der erstbezeichneten, oder als Vergehen nach der zweitangeführten Gesetzesbestimmung zu beurteilen ist, hängt somit ausschließlich von dem tatverfangenen Suchtgiftquantum ab. Erreicht dieses das Ausmaß einer großen Menge im Sinn des § 12 Abs. 1 zweiter Satz SGG, scheidet eine Subsumtion von den in Rede stehenden Begehungsformen entsprechenden Tathandlungen (wie hier der Einfuhr) nach § 16 Abs. 1 SGG grundsätzlich aus (Leukauf-Steininger aaO Anm. B zu § 16 SGG). Ein Rechtsirrtum, dessen Berichtigung eine Tatunterstellung unter § 16 Abs. 1 SGG (Z 10) oder gar einen Freispruch (Z 9 lit. a) erforderlich machte, ist dem Erstgericht daher nicht unterlaufen.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef D***** war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über diesen Angeklagten gemäß §§ 28, 29, 129 StGB zwei Jahre, über den Angeklagten Robert S***** gemäß §§ 29, (wohl auch 28) 129 StGB zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe.

Dabei wertete es bei beiden Angeklagten das Geständnis und ihre Bemühungen, "vom Suchtgift loszukommen", als mildernd, als erschwerend hingegen die einschlägigen, hinsichtlich Robert S***** die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB erfüllenden Vorstrafen und das Zusammentreffen strafbarer Handlungen verschiedener Art, bei S***** überdies den raschen Rückfall.

Zugleich mit dem Urteil (§ 494 a Abs. 4 StPO) faßte das Erstgericht gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO den Beschluß auf Widerruf der bedingten Nachsicht der über Josef D***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.Dezember 1990, GZ 5 d Vr 5789/90-67, wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB und des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 StGB verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr.

Während die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu dem Robert S***** betreffenden Strafausspruch im Hinblick auf sieben einschlägige Vorverurteilungen wegen Vermögensdelikten, davon sechs auch nach dem Suchtgiftgesetz, sowie wegen der Wiederholung der Diebstähle eine schuldangemessene Erhöhung der Freiheitsstrafe beantragt, streben die Angeklagten Josef D***** und Robert S***** mit ihren Berufungen jeweils eine Strafreduktion, S***** auf ein Ausmaß von zwei Jahren, und dieser überdies seine Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher nach § 22 Abs. 1 StGB an. Der Angeklagte D***** begründet seinen Berufungsantrag im wesentlichen damit, daß dem ihm zur Last fallenden Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG im Hinblick auf die Tatausrichtung auf ausschließlichen Eigengebrauch ein bloß begrenzter Störwert, seinem Geständnis hingegen nach Lage des Falles ein besonders milderndes Gewicht zukomme. Mit seiner gegen den bezeichneten Widerrufsbeschluß gerichteten Beschwerde bezweckt der Angeklagte eine bestmögliche Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten zur Reduktion der insgesamt offenen Strafdauer. Der Angeklagte S***** hinwieder stellt seine therapiebedürftige Suchtgiftabhängigkeit in den Vordergrund seiner Berufungsausführung und spricht in diesem Zusammenhang den im Fall einer zwei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe zu gewärtigenden Vollzugsbedingungen jedwede heilsame Effizienz ab.

Weder den Berufungen noch der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Was zunächst die Dauer der über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen anlangt, so erweisen sich die Sanktionen - sämtlichen Berufungsargumenten zuwider - sowohl jeweils isoliert betrachtet als tat- und tätergerecht, wie auch im Verhältnis zueinander als ausgewogen. Mag es auch zutreffen, daß zu den erstgerichtlichen Strafzumessungserwägungen (bei beiden Angeklagten) der weitere Erschwerungsgrund der Wiederholung der Diebstaten hinzutritt, so trägt der erstgerichtliche Strafausspruch in seiner Gesamtheit den hier gegebenen spezial- und generalpräventiven Erfordernissen ebenso in angemessener Weise Rechnung, wie den in den Berufungsausführungen der Angeklagten betonten, in erster Instanz ohnedies im Ergebnis sachgerecht berücksichtigten mildernden Aspekten. Bei entsprechender Differenzierung zwischen dem unterschiedlichen Unrechtsgehalt der den Angeklagten zur Last fallenden Taten und der gleichfalls difformen Vorstrafenbelastung erweisen sich die bekämpften Strafaussprüche als keiner der beantragten Korrekturen zugänglich.

Den gegen das Strafausmaß gerichteten Berufungen war daher nicht Folge zu geben.

Soweit der Angeklagte S***** überdies das Unterbleiben einer (schon wegen der Dauer der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gesetzlich nicht in Betracht kommenden) Anordnung seiner Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher bekämpft, war seine (nicht zu seinem Vorteil ausgeführte) Berufung als unzulässig zurückzuweisen (11 Os 169/86; 11 Os 62/80; EvBl. 1977/117).

Da letztlich auch im Sinn der erstgerichtlichen Erwägungen die im § 53 Abs. 1 StGB normierten Voraussetzungen für den Widerruf der in Rede stehenden, dem Angeklagten D***** gewährten bedingten Strafnachsicht nach Lage des Falles eindeutig vorlagen, konnte auch seiner dagegen erhobenen Beschwerde kein Erfolg beschieden sein.

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