OGH 7Ob5/92

OGH7Ob5/925.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Baumeister T***** KG, ***** vertreten durch Dr.Johannes Hintermayr und Dr.Michael Krüger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei O***** Versicherungsanstalt, ***** vertreten durch Dr.Heinz Oppitz und Dr.Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 5.November 1991, GZ 4 R 116/91-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13.Februar 1991, GZ 10 Cg 48/90-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.658,20 (darin enthalten S 2.609,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In den Jahren 1978/79 errichtete der persönlich haftende Gesellschafter der Klägerin Johann T***** in seiner damaligen Eigenschaft als selbständiger Baumeister für die Eheleute Alfred und Else F***** in T***** einen Rohbau für ein Einfamilienhaus samt Garage und einer Stützmauer. Wegen ungenügender Drainage vor der Stützmauer und ungenügender Fundamente des Hauses traten erstmals im Jahr 1986 Setzungserscheinungen beim Haus auf. Später verformte sich auch die Stützmauer, wobei die Mauerkrone abkippte. An der Garage entstanden irreparable Mauerschäden.

Die klagende KG führt das Bauunternehmen des Johann T***** fort. Bei der Beklagten bestand für Johann T***** eine Betriebshaftpflichtversicherung, die von der Klägerin ebenfalls fortgesetzt wurde. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, daß der Schadensfall in den zeitlichen Geltungsbereich des Versicherungsvertrages fällt.

Noch im Jahr 1986 teilte Johann T***** dem Versicherungsvertreter der Beklagten anläßlich eines monatlichen Routinebesuches bei der Klägerin das Auftreten von Schäden am Wohnhaus der Eheleute F***** mit. Auch von der später gegen Johann T***** eingebrachten Schadenersatzklage wurde dieser Vertreter informiert. Mit Schreiben vom 1.6.1989 teilte der Vertreter der Klägerin den Schadensfall und den damaligen Stand des Haftpflichtprozesses erstmals der Beklagten mit. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 29.3.1990 wurde die Schadenersatzforderung der Eheleute F***** dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannt.

Mit der vorliegenden, beim Erstgericht am 8.5.1990 überreichten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß ihr die Beklagte für den aus der Bauführung für die Eheleute F***** resultierenden Schäden aufgrund des abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages Deckung zu gewähren habe. Dieser Anspruch sei noch nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist erst mit dem Tag der rechtskräftigen Feststellung der Ansprüche des geschädigten Dritten zu laufen begonnen habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der Anspruch der Versicherungsnehmerin sei bereits verjährt, weil er schon mit der Erhebung von Schadenersatzansprüchen durch den Dritten, sohin schon länger als zwei Jahre vor der Erhebung der Klage, fällig geworden sei. Außerdem wendete die Beklagte Leistungsfreiheit wegen der sogenannten Tätigkeitsklausel, wegen Obliegenheitsverletzung, grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles und bewußten Zuwiderhandelns gegen Berufsvorschriften ein.

Das Erstgericht gab der Klage "mit Ausnahme jener Schadenersatzbeträge, die auf die notwendige Neuerrichtung eines Rohbaues samt Garage sowie einer Stützmauer entfallen" unter Abweisung dieses letztgenannten Teil des Begehrens statt. Der Anspruch der Klägerin aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag sei gemäß § 154 Abs 1 VersVG erst mit dem im Haftpflichtprozeß ergangenen Urteil, sohin erst im Jahr 1990 fällig geworden. Die Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 VersVG sei daher noch nicht abgelaufen. Weiters verneinte das Erstgericht die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlüsse von der Versicherung.

Das Berufungsgericht wies die Klage zur Gänze ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. In der älteren Rechtsprechung habe der Oberste Gerichtshof zwar die Eigenständigkeit der aus einer Haftpflichtversicherung resultierenden Ansprüche auf Rechtsschutz und Befreiung von den Schadenersatzansprüchen des Dritten betont und die Auffassung vertreten, daß die Verjährung des Rechtsschutzanspruches nicht notwendigerweise auch die Verjährung des Befreiungsanspruches nach sich ziehe. In den Entscheidungen VersR 1985, 197 und VersRdSch 1987, 328 sei aber die Einheitlichkeit des Deckungsanspruches aus einer Haftpflichtversicherung unbeschadet seiner einzelnen Komponenten betont und ausgesprochen worden, daß dieser einheitliche Anspruch mit der ernstlichen Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers durch den geschädigten Dritten fällig werde. Damit habe sich der Oberste Gerichtshof offenbar der einhelligen deutschen Ansicht zu dieser Verjährungsfrage angeschlossen. Da der Deckungsanspruch im vorliegenden Fall schon im Jahr 1986 fällig geworden sei, sei die Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 VersVG bereits am Ende des Jahres 1988 abgelaufen. Die erst im Jahr 1990 eingebrachte Deckungsklage sei somit nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden. Die mit dem Vertreter der Beklagten im Jahr 1986 geführten Gespräche über den Schadensfall könnten nur als über § 43 VersVG wirksames Anmelden des Anspruches beim Versicherer gewertet werden. Ein solches Anmelden ziehe nur die Hemmung des Ablaufes der Verjährungsfristen nach sich. Darauf habe sich die Klägerin aber nicht berufen.

Die gegen dieses Urteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 12 Abs 1 VersVG verjähren die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag - ausgenommen bei der Lebensversicherung - in zwei Jahren; die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Für die Haftpflichtversicherung enthält § 154 Abs 1 VersVG die weitere Bestimmung, daß der Versicherer die Entschädigung binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an zu leisten hat, in welchem der Dritte vom Versicherungsnehmer befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist.

Auf der Grundlage der gleichartigen Bestimmungen des VVG 1917 hat der Oberste Gerichtshof in SZ 19/108 ausgesprochen, daß die Verjährungsfrist des § 19 VVG (jetzt § 12 VersVG) in der Haftpflichtversicherung nach Maßgabe des § 125 VVG (jetzt § 154 VersVG) zu laufen beginne. In SZ 27/206 wurde die Meinung vertreten, daß der Versicherungsnehmer bei der Haftpflichtversicherung zwar sofort Versicherungsschutz verlangen könne, Leistung an den Dritten oder Ersatz des an den Dritten geleisteten aber erst dann, wenn der Dritte Schadenersatz verlangt. Dabei wurde ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob das bereits der Zeitpunkt des Verlangens oder erst der rechtskräftigen Verurteilung des Versicherungsnehmers im Haftpflichtprozeß ist. In der Entscheidung VersR 1961, 814 hat der Oberste Gerichtshof hervorgehoben, daß der Anspruch des geschädigten Dritten Gegenstand dieses Verfahrens ist und daß § 154 Abs 1 VersVG eine Sonderbestimmung zugunsten dieses Dritten enthalte. Die allgemeine Verjährungsbestimmung des § 12 VersVG sei daher nicht anwendbar. Begründet wurde diese Auffassung auch mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß die Verjährung nicht vor Fälligkeit bzw objektiver Möglichkeit zu klagen beginnen könne. In SZ 48/121 hat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf § 154 Abs 1 VersVG und auf die Entscheidung SZ 19/109 ausgesprochen, daß mit dem Eintritt der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechtsschutzanspruches, der die Abwehr der Forderungen des geschädigten Dritten gegen den Versicherungsnehmer enthalte, nicht auch der Beginn der Verjährungsfrist für den Befreiungsanspruch verbunden sei, und dabei die Eigenständigkeit der zwar aus der gleichen Rechtsgrundlage entspringenden verschiedenen Ansprüche aus der Haftpflichtversicherung betont, die auch eine unterschiedliche Behandlung der Verjährung nach sich ziehe. Zuletzt wurde in VersR 1978, 454 die Frage der Verjährung in der Haftpflichtversicherung damit gelöst, daß § 154 VersVG für die Haftpflichtversicherung eine Sonderregelung enthalte und daher der dort genannte Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist für den Deckungsanspruch aus der Haftpflichtversicherung maßgebend sei. Auch diese Entscheidung wurde - wie VersR 1961, 814 - mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz begründet, daß die Verjährung nicht vor Fälligkeit des Anspruchs bzw der objektiven Möglichkeit zu klagen beginne.

Eine einheitliche Begründungslinie enthalten diese Entscheidungen demnach nicht. Es trifft auch nicht zu, daß der Versicherungsnehmer vor dem Urteil im Haftpflichtprozeß noch nicht die objektive Möglichkeit gehabt hätte, den Haftpflichtversicherer auf Deckung in Anspruch zu nehmen. Die Berufung in VersR 1961, 814 und VersR 1978, 454 auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß die Verjährung nicht vor Fälligkeit bzw der objektiven Möglichkeit zur Klage beginne, geht daher fehl.

In der Bundesrepublik Deutschland wird dagegen in Lehre und Rechtsprechung (vgl dazu Bruck-Möller-Johannsen, VVG8, 81 f sowie Prölss-Martin, VVG24, 620 und die dort jeweils zitiert Judikatur) einhellig die Auffassung vertreten, daß der einheitliche Deckungsanspruch aus der Haftpflichtversicherung auf Rechtsschutz und Befreiung schon fällig wird, wenn der Versicherungsnehmer von dem geschädigten Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird; daher beginne die Verjährung des einheitlichen Anspruches daher schon mit der Fälligkeit des Rechtsschutzanspruches und ergreife den Befreiungs(Zahlungs-)anspruch auch dann, wenn er bei Verjährungseintritt noch nicht einmal fällig ist. Durch den in § 154 Abs 1 VersVG bezeichneten Zeitpunkt werde nur dann eine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt, wenn zu diesem Zeitpunkt der einheitliche Haftpflichtversicherungsanspruch noch nicht verjährt ist.

In den Entscheidungen VersR 1985, 197 und VersRdSch 1987, 328 hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls die Einheitlichkeit des auf Befreiung von begründeten und auf Abwehr unbegründeter Ansprüche gerichteten Deckungsanspruches aus der Haftpflichtversicherung hingewiesen und ausgesprochen, daß dieser einheitliche Anspruch bereits in dem Zeitpunkt entsteht, in dem der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird, und zwar unabhängig davon, ob die Haftpflichtforderung begründet ist oder nicht. Damit wurde die früher vertretene Eigenständigkeit der Ansprüche aus der Haftpflichtversicherung, mit der der unterschiedliche Beginn des Laufes der Verjährungsfrist für den Befreiungsanspruch und den Rechtsschutzanspruch begründet werden konnte, aufgegeben. In diesen Entscheidungen wurde zwar nur die Fälligkeit des Deckungsanspruches und das rechtliche Interesse des Versicherungsnehmers an einer auf Feststellung der Deckungspflicht gerichteten Klage ab dem Zeitpunkt bejaht, in dem er vom Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wurde. Für die Frage des Beginnes des Laufes der Verjährungsfrist für den Deckungsanspruch, um den es auch hier geht, kann aber nichts anderes gelten. Entsteht der einheitliche Anspruch aus der Haftpflichtversicherung in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz wegen eines unter das versicherte Risiko fallenden Ereignisses in Anspruch genommen wird, dann beginnt die Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 VersVG für den gesamten einheitlichen Anspruch auch mit diesem Zeitpunkt zu laufen. § 154 Abs 1 VersVG enthält daher keine Sondervorschrift für das Fälligwerden des einheitlichen Deckungsanspruches aus der Haftpflichtversicherung, sondern ordnet nur an, wann der primär gar nicht auf eine Geldleistung gerichtete Befreiungsanspruch (VersR 1985, 197) in einen Zahlungsanspruch übergeht (VersRdSch 1987, 328; Ehrenzweig, Deutsches (Österreichisches) Versicherungsvertragsrecht 355). Ein solcher Übergang kann aber nur dann stattfinden und für den Zahlungsanspruch eine neue Verjährungsfrist in Gang setzen, wenn der einheitliche Deckungsanspruch aus der Haftpflichtversicherung nicht schon verjährt ist.

Im vorliegenden Fall hat demnach die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 1986, in welcher der Haftpflichtanspruch vom geschädigten Dritten erhoben wurde, begonnen. Die vorliegende Deckungsklage wurde daher erst nach dem Ablauf der Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 VersVG erhoben. Auf eine Hemmung der Verjährung durch Anmeldung des Anspruches des Versicherungsnehmers beim Versicherer (§ 12 Abs 2 VersVG) hat sich die Klägerin, die dafür beweispflichtig gewesen wäre (SZ 41/29; Schubert in Rummel, ABGB Rz 3 zu § 1494), nicht berufen. Auf diese zutreffende Beurteilung durch das Berufungsgericht kommt sie in ihrer Revision nicht mehr zurück.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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