OGH 4Ob510/68

OGH4Ob510/6812.3.1968

SZ 41/29

Normen

ABGB §18
ABGB §276
ABGB §496
ABGB §1479
ABGB §1494
ZPO §1
ABGB §18
ABGB §276
ABGB §496
ABGB §1479
ABGB §1494
ZPO §1

 

Spruch:

Rechts- und Parteifähigkeit des Personenkreises "Jedermann", für den im Grundbuch die Dienstbarkeit des Wasserschöpfrechtes einverleibt ist; er wird durch einen Kurator nach § 276 ABGB. vertreten. Verjährung eines Wasserschöpfrechtes.

Entscheidung vom 12. März 1968, 4 Ob 510/68.

I. Instanz: Bezirksgericht Feldbach; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Auf der zum Gutsbestand der Einlage 142 der KG. G.-Dorf gehörigen Waldparzelle 248/3 befindet sich eine Mineralwasserquelle (genannt Klausenquelle) mit, einem gemauerten Quellenhaus. Unter COZ. 26 dieser im Alleineigentum der beklagten Partei stehenden Liegenschaft ist seit dem Jahre 1834 eine Dienstbarkeit einverleibt, wonach "Jedermann" berechtigt ist, aus dieser Quelle Wasser zum eigenen Bedarf in unverkorkten Gefäßen zu holen. Seit Jahrzehnten, mindestens jedoch seit dem Jahre 1910, ist die eiserne Tür des Quellenhauses versperrt. Vorerst war lediglich ein Schlüssel vorhanden, der sich in Verwahrung eines gewissen G. befand. Erst seit Beginn der dreißiger Jahre erhöhte sich die Anzahl der Schlüssel auf vier, wovon je einen die beklagte Partei, die Landwirte F. und B. sowie ein Polizeiheim in Verwahrung hatten. Das Brunnenhaus weist eine sehr starke Schimmelbildung und Schneckenbefall auf. Auf der Wasseroberfläche steht ein Schmutzfilm; Kostproben sind nicht zumutbar. Beschwerden hinsichtlich der von der beklagten Partei getroffenen Sperrmaßnahmen sind von keiner Seite erhoben worden. Letztmalig haben im Jahre 1955 zwei außenstehende Personen um die Ausfolgung des Quellenhausschlüssels ersucht. Er ist ihnen ohne weiteres vorübergehend zum Öffnen des Quellenhauses ausgefolgt worden.

Für den unbegrenzten Personenkreis "Jedermann" ist vom Pflegschaftsgericht Dr. R. Horst L. gemäß § 276 ABGB. zum Kurator bestellt worden, dem auch die Ermächtigung zur Einbringung einer Unterlassungsklage erteilt worden ist. Mit der vorliegenden Klage versucht der unbeschränkte Personenkreis "Jedermann" als bücherlich eingetragener Servitutsberechtigter die ungehinderte Ausübung der Dienstbarkeit des Wasserschöpfrechtes durchzusetzen, verlangt die Entfernung des Schlosses an der Quellenhaustür und in Hinkunft die Unterlassung jeglicher Störungen, die dem Bezug von Mineralwasser entgegenstehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es war der Meinung, daß der klagenden Partei ein Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden müsse, weil durch den jahrzehntelangen Nichtgebrauch die Quelle derart verschmutzt worden sei, daß an die Ausübung des noch verbücherten Rechtes nicht zu denken sei. Außerdem sei die Dienstbarkeit durch Nichtgebrauch verjährt und komme der klagenden Partei auch keine Parteifähigkeit zu.

Die Berufung der klagenden Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß der klagenden Partei die Partei- und Prozeßfähigkeit nicht abgesprochen werden könne, weil der unbeschränkte Personenkreis "Jedermann" als servitutsberechtigter Träger von Rechten im Grundbuch eingetragen sei. Der gemäß § 276 ABGB. für die klagende Partei bestellte Kurator sei zur Einbringung der vorliegenden Klage vom Pflegschaftsgericht ermächtigt worden und daher durchaus in der Lage, für die klagende Partei einzuschreiten und deren bücherliche Rechte zu verfolgen. Auch ein Rechtsschutzbedürfnis könne der klagenden Partei nicht abgesprochen werden, da sie nichts anderes als die ungehinderte Ausübung eines verbücherten Servitutsrechtes anstrebe. Hiebei sei auch nicht hinderlich, daß derzeit ein Trinken des Quellwassers nicht angezeigt sei. Wenn sich aber, so wie hier, die Beklagte Partei die Ausübung der Servitut widersetzt habe und der Berechtigte durch drei aufeinanderfolgende Jahre sein Recht nicht geltend mache, so verjähre das Recht der Dienstbarkeit durch Nichtgebrauch gemäß § 1488 ABGB. In der Anbringung eines Schlosses an der Tür des Quellenhauses sei eine Widersetzlichkeit im Sinne der genannten Gesetzesstelle gelegen. Dadurch, daß nur eine und späterhin vier Personen Schlüssel erhalten hätten, sei der unbegrenzte Personenkreis "Jedermann" von der Benützung der Quelle ausgeschlossen worden. Ab diesem Zeitpunkt, also ab dem Jahre 1910, sei "Jedermann" nicht mehr berechtigt, Wasser aus der Quelle zu schöpfen, sondern nur mehr die Verwahrer der Schlüssel. Wenn diese ab und zu die Schlüssel an jemand anderen ausgefolgt hätten, so sei darin eine Sondererlaubnis gelegen, die im Einzelfall gewährt worden sei und die keineswegs der beschränkten Benützerkreis in einen unbegrenzten Personenkreis erweitert habe. Abgesehen davon, daß solches seit 1955 nicht mehr vorgekommen sei und daher die Dienstbarkeit durch dreijährigen Nichtgebrauch jedenfalls verjährt sei, müsse gesagt werden, daß der unbegrenzte Personenkreis "Jedermann" seit dem Jahre 1910 nicht mehr das Servitutsrecht ausgeübt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Meinung der klagenden Partei sei eine Verjährung der Dienstbarkeit nach § 1488 ABGB. nicht eingetreten, weil das Schloß an der Quelle von der beklagten Partei nicht zur Behinderung des strittigen Rechtes angebracht worden sei. Nach den Feststellungen der Untergerichte komme auch eine Verjährung nach § 1479 ABGB. nicht in Frage, da Ende der dreißiger Jahre Wasser aus der gegenständlichen Quelle ausgegeben und Mitte der fünfziger Jahre unbekannte Personen vom klagsgegenständlichen Recht Gebrauch gemacht hätten. Dadurch sei jedenfalls eine allfällige Verjährungszeit ab 1910 noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges unterbrochen worden. Auch gehörten zum Begriff des "Jedermann" alle im § 1494 ABGB. genannten Personen, gegen welche nach dieser Gesetzesstelle eine Verjährung überhaupt nicht habe beginnen können, solange diese Personen keine gesetzlichen Vertreter erhalten hätten. Für diese Personen sei bisher überhaupt kein Kurator bestellt worden, da der Kurator des "Jedermann" ein Kurator nach § 276 ABGB. sei. Selbst wenn die Personen des § 1494 ABGB. durch Dr. L. als Kurator vertreten anzusehen seien, sei damit nichts gewonnen, weil Dr. L. nach seiner Bestellung am 13. Jänner 1964, am 15. Dezember 1966 die vorliegende Klage eingebracht habe.

Der Oberste Gerichtshof bejaht gleich dem Berufungsgericht die Rechts- und Parteifähigkeit des Personenkreises "Jedermann". Es handelt sich um den Kreis der Personen, die Interesse haben, aus der Quelle Wasser zu schöpfen und für die eine entsprechende Dienstbarkeit im Grundbuch einverleibt ist. Mögen diese Personen auch namentlich unbekannt sein, besteht kein Grund, ihnen die nach § 18 ABGB. jedermann zustehende Rechtsfähigkeit abzusprechen. Darum ist nach § 276 ABGB. auch für die noch "unbekannten Teilnehmer an einem Geschäft" die Bestellung eines Abwesenheitskurators zulässig und das Bezirksgericht F. hat mit dem Beschluß vom 7. Dezember 1966, P 147/63, für den Personenkreis "Jedermann" mit Recht einen solchen Kurator bestellt.

Rechtsfähige Personen sind grundsätzlich auch parteifähig (vgl. Fasching II S. 109). Wenn aber Fasching, a. a. O., S. 113, darüber hinaus als parteifähig nur diejenigen Rechtsträger ansieht, die individualisierbar sind, so kann dieser Ansicht nicht unbedingt gefolgt werden. Denn das Argument, gegen nicht individuell bezeichnete Personen fehle die Vollstreckungsmöglichkeit und damit sei ein Rechtsschutzinteresse an der Führung eines solchen Prozesses zu verneinen, gilt für einen Fall wie den vorliegenden nicht, in dem es letzten Endes um die auch gegen "jedermann" durchsetzbare Verfügung über die zu deren Gunsten einverleibte Dienstbarkeit geht. Darum hat der Oberste Gerichtshof - wenn auch noch zur Zeit der Geltung der Allgemeinen Gerichtsordnung - in den Entscheidungen vom 13. März 1860, GlU. 1105, und vom 3. Jänner 1888, GlU. 11979, Klagen zugelassen, die auf Ersitzung des Eigentums an Grundstücken gegrundet und gegen die unbekannten bücherlichen Berechtigten gerichtet waren.

Der Oberste Gerichtshof ist aber gleich den Untergerichten auch der Ansicht, daß das strittige Recht bereits verjährt ist. Nach den getroffenen Feststellungen ist die Tür des Quellenhauses seit dem Jahre 1910 versperrt. Daß zuerst ein und später vier Schlüssel ausgegeben wurden, die es den nächsten Nachbarn und der beklagten Partei ermöglichten, Wasser zu beziehen, ändert nichts daran, daß seit 1910 "Jedermann" nicht mehr in der Lage war, Wasser aus der Quelle zu schöpfen. Seit 1910 ist die Möglichkeit, Wasser aus der Quelle zu schöpfen, auf die drei unmittelbaren Nachbarn und auf die beklagte Partei beschränkt, ohne daß sich irgend jemand anderer darüber beschwert und gerichtliche Abhilfe begehrt hätte. Mit Ende 1940 ist die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 1479 ABGB. abgelaufen und damit die Verjährung des ursprünglichen bücherlichen Rechtes der klagenden Partei durch dreißigjährigen Nichtgebrauch eingetreten. Daß Wasser gegen Ende der dreißiger Jahre von der Quelle bezogen wurde, ist zwar richtig, doch hat dieses Wasser nach der Aktenlage die beklagte Partei, also der Gründeigentümer, bezogen. Dieser Wasserbezug hat daher die Verjährung des klägerischen Rechtes nicht unterbrochen oder gehemmt.

Auch der Hinweis des Klagevertreters auf § 1494 ABGB. muß erfolglos bleiben. Es wird nämlich dabei übersehen, daß ebenso wie die klagende Partei den Nichtgebrauch des Rechtes durch 30 Jahre, sie, wenn sie sich auf eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung beruft, auch nachweisen muß, daß zufolge eines konkreten Sachverhaltes eine solche Hemmung oder Unterbrechung eingetreten ist. Wenn es genügen würde, darauf hinzuweisen, daß § 1494 ABGB. unter gewissen Umständen eine Hemmung der Verjährungsfrist kenne, könnte es niemals zu einer Verjährung kommen. Der Klagevertreter hätte daher wenigstens einen konkreten Fall, einen Minderjährigen oder einen Nasciturus namhaft machen und beweisen müssen, daß bezüglich dieser bestimmten Person die Verjährungsfrist gehemmt gewesen und daher Verjährung nicht eingetreten sei.

Wenn im Jahre 1954 oder 1955 einmal zwei Fremde gekommen sind und den Schlüssel geholt haben, so steht nicht fest, ob diese fremden Personen wirklich Wasser geschöpft und, wenn ja, ob sie dies in Ausübung des Rechtes "Jedermanns" gemacht haben. Überdies hat sich dieser Vorfall nach bereits eingetretener Verjährung ereignet.

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