OGH 8Ob650/91

OGH8Ob650/9130.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Werner K*****, vertreten durch Dr. Richard Kaan, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Willibald S*****, und 2.) Alfred F*****, beide vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wegen Rechnungslegung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. Oktober 1991, GZ 6 R 92/91-32, womit die Berufung des Klägers hinsichtlich des "Drittbeklagten" Josef T*****, vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, die das Verfahren gegen den Drittbeklagten betreffende Berufung des Klägers unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund der gesetzlichen Erledigung zuzuführen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

In seiner Klage (ON 1) begehrte der Kläger die Verurteilung des Erst- und des Zweitbeklagten sowie des Drittbeklagten "Josef T*****", zur Rechnungslegung über die Geschäftsführung betreffend eine gemeinsam betriebene Tanzkapelle.

Der in der Klage genannte Drittbeklagte beantragte in seiner Klagebeantwortung (ON 2) die Abweisung des gegen ihn gerichteten Klagebegehrens mit der Begründung, bei der Prozeßführung gegen ihn handle es sich um eine offenbare Verwechslung der Person: er sei Arbeiter und nicht Musiker und spiele überhaupt kein Instrument.

In der vom Erst- und Zweitbeklagten am 1.6.1988 eingebrachten Klagebeantwortung (ON 3) wurde als Drittbeklagter "Josef T*****" angeführt.

In seinem am 5.7.1988 bei Gericht eingelangten Schriftsatz ON 4 erklärte der Kläger, die Klage gegen "Josef T*****", unter Anspruchsverzicht zurückzuziehen.

In der Tagsatzung vom 6.7.1988 trug - laut Verhandlungsprotokoll ON 5 - "die beklagte Partei wie in der Klagebeantwortung ON 3" vor, "stellte die dort ersichtlichen Anträge" und der Rechtsvertreter der 1. und 2.beklagten Parteien, Rechtsanwalt Dr. Otmar Franiek, erklärte ausdrücklich, daß er "Josef T*****, ebenfalls vertritt". Nach Bestreitung des Inhaltes der Klagebeantwortung durch die klagende Partei und Darstellung des die Klagerückziehung enthaltenden Schriftsatzes ON 4 wurde von der klagenden Partei "hinsichtlich der drittbeklagten Partei Josef T***** die Parteienbezeichnung im Sinne der von der beklagten Partei selbst gewählten Parteienbezeichnung wie in ON 3 richtiggestellt". In der nächsten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 20.1.1989 wurde (Protokoll ON 9) "weiters festgestellt, daß als Drittbeklagter vom Beklagtenvertreter vertreten wird: Josef T*****". In der Folge schritt der Beklagtenvertreter - siehe ON 18 - auch namens des vorgenannten Josef T***** als Drittbeklagten ein. Hingegen führte die klagende Partei im Rubrum ihrer Schriftsätze ON 10, 12, 14, 19, 22, 24 und 25 nur den Erst- und den Zweitbeklagten an. In mehreren Verhandlungsprotokollen scheint ein "Josef T*****" als am Verfahren beteiligter "Drittbeklagter" auf, und der in ON 3 genannte Drittbeklagte wurde vom Erstgericht auch als Partei ("Drittbeklagter") vernommen (ON 20 AS 80).

Das dem Klagevertreter am 26.2.1991 zugestellte erstgerichtliche Urteil ON 27 führt keine drittbeklagte Partei an; auch in der Urteilsbegründung wird auf Josef T***** in keiner Weise eingegangen.

In seiner am 26.3.1991 zur Post gegebenen Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil führte der Kläger u.a. aus, das Erstgericht habe es offenbar versehentlich unterlassen, die "drittbeklagte Partei Josef T***** anzuführen ..... Diese Unterlassung im Urteil werde entsprechend zu ergänzen bzw. zu berichtigen sein".

Die Berufungsbeantwortung wurde vom Beklagtenvertreter Rechtsanwalt Dr. Otmar Franiek ausdrücklich auch namens des Drittbeklagten "Josef T*****" erstattet.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht die Berufung des Klägers, soweit sie in Ansehung des "Drittbeklagten" (Josef T*****) erhoben wurde, sowie die vom genannten Drittbeklagten erstattete "Berufungsbeantwortung" zurück. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, der "Drittbeklagte" Josef T*****, sei in Wahrheit am Verfahren nicht beteiligt. Eine bloß unrichtige Bezeichnung der "drittbeklagten" Partei, die mit dem Mittel der Richtigstellung der Parteienbezeichnung gemäß § 235 Abs. 5 ZPO gelöst werden könne, liege nicht vor. Die Berichtigung der Parteienbezeichnung dürfe keinesfalls dazu führen, daß an die Stelle der bisherigen Partei ein anderes Rechtssubjekt trete. Ein Mangel der Passivlegitimation dürfe also nicht zur Umstellung des Beklagten auf die sachlegitimierte Person führen. Von einer unrichtigen Parteienbezeichnung könne nur gesprochen werden, wenn das Rechtssubjekt als solches unverändert bleibe und nur die zu seiner Identifizierung erforderlichen Angaben berichtigt würden. Keineswegs könne hingegen eine "Richtigstellung" von einem zu Unrecht Beklagten auf einen anderen, tatsächlich passiv legitimierten Beklagten erfolgen. Eben dies habe der Kläger hier aber unternommen, indem er die "Parteibezeichnung hinsichtlich der drittbeklagten Partei Josef T***** im Sinne der von der beklagten Partei selbst gewählten Parteienbezeichnung wie in ON 3 richtigstellte". In Wahrheit liege also nicht bloß eine Richtigstellung der Anschrift und Berufsbezeichnung der ursprünglich drittbeklagten Partei sondern der Versuch vor, eine andere Partei gleichen Namens an ihrer Stelle unzulässiger Weise in das Verfahren hineinzuziehen. Dies umsomehr, als nach Rückziehung der Klage gegen den ursprünglichen Drittbeklagten für eine Richtigstellung seiner Bezeichnung (Beruf und Anschrift) auch schon rein begrifflich kein Raum mehr sei.

Gegen den gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO anfechtbaren berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrage, diesen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Erledigung der Berufung in Ansehung auch des Drittbeklagten aufzutragen. Zur Begründung wird ausgeführt, bei der Anführung des Drittbeklagten in der Klage ON 1 habe es sich um eine offenbare Verwechslung gehandelt. Dieser spiele nicht einmal ein Instrument, sodaß er nicht als Musiker zu identifizieren, daher nicht als Beklagter anzusehen und somit auch nicht Verfahrenspartei geworden sei. Als Drittbeklagten tatsächlich in Anspruch genommen habe der Kläger auf Grund der Klageerzählung den sodann in der Klagebeantwortung aller drei Beklagten angeführten Drittbeklagten. Dieser sei sich auch von Anfang an seiner Stellung als Beklagter bewußt gewesen. Demgemäß sollte die aus Vorsichtsgründen zu ON 4 erfolgte Klagerückziehung betreffend den "Arbeiter Josef T*****" von Anfang an lediglich der sofortigen Klärung der Lage dienen. Die Berichtigung der Beschäftigungsbezeichnung und der Wohnadresse des Drittbeklagten im Einverständnis mit der beklagten Partei sei daher zulässigerweise ohne gerichtliche Beschlußfassung erfolgt. Das Erstgericht habe den Drittbeklagten auch als Partei behandelt und einvernommen. Seine Anführung im erstgerichtlichen Urteil sei somit lediglich irrtümlich unterblieben. Demgemäß hätte das Berufungsgericht die gegen ihn erhobene Berufung nicht zurückweisen dürfen. Im übrigen müsse unter analoger Anwendung des § 234 Abs 2 ZPO von einem einverständlichen und zulässigen Parteienwechsel ausgegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Den Rekursausführungen ist im Ergebnis beizupflichten. Da der in der Klage bezeichnete Drittbeklagte (§ 75 Z 1 ZPO) und der auf der Beklagtenseite noch vor der Klagerückziehung aufgetretene "Drittbeklagte" nicht identische Rechtssubjekte sind, liegt ein Parteiwechsel vor, der, von den im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen abgesehen - Universalrechtsnachfolge, Einzelrechtsnachfolge (Parteieneintritt des Nebenintervenienten, des Auktors, des Erwerbers einer streitverfangenen Sache usw.) - nach bisher herrschender Ansicht (vgl Fasching, Lehr- und Handbuch2 Rz 383 ff, insb. 388; Rechberger-Simotta, Zivilprozeßrecht3 Rz 159; OGH in EvBl 1973/281 S.578 mwN; SZ 42/146; 4 Ob 142/85; 2 Ob 11/89 u.a.) selbst bei Einverständnis der Parteien grundsätzlich als unzulässig erachtet würde. Lediglich Holzhammer (Österr. Zivilprozeßrecht2, 95) hat bisher der generellen Zulässigkeit des Parteiwechsels unter der Voraussetzung allseitiger Zustimmung der Prozeßbeteiligten (insbes. der alten und der neuen Partei) das Wort geredet. Zuletzt hat freilich auch Fasching (aaO Rz 388) bereits erwogen, ob nicht im Rahmen des § 235 Abs 5 ZPO dann ein einverständlicher Parteienwechsel zugelassen werden soll, wenn bereits aus der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise hervorgehe, daß ein anderes Rechtssubjekt als das als beklagte Partei bezeichnete verpflichtet sei, tatsächlich in Anspruch genommen werden sollte und auch zum Eintritt als Prozeßpartei bereit sei. Zutreffend hat in jüngster Zeit freilich Dellinger (JBl 1991, 629 ff, insbes. 639-641) mit überzeugenden Gründen auf die Richtigkeit der allgemeinen Ablehnung der Gleichsetzung des Parteiwechsels mit der Klageänderung (§ 235 ZPO) insbesondere unter Berufung auf Rechberger (in FS-Fasching 404), der sich auf die "festschreibende" Neufassung des § 235 Abs 5 ZPO durch die Ziv.Verf.Nov.1983 beruft ("weder eine Änderung der Klage noch der Partei, wenn ..."), hingewiesen, aber auch mit gutem Grunde dargelegt, daß die allgemeine Ansicht zur Unzulässigkeit des gewillkürten Parteiwechsels außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle nur mit Einschränkungen zu billigen sei. In der Tat ist es wirklich nicht einzusehen, wem es nützen soll, daß der einmal begonnene Prozeß gegen eine von allen Prozeßbeteiligten übereinstimmend als (infolge Identitätsirrtums des Klägers) zu unrecht geklagt und nicht sachlegitimiert angesehene Person beendet und hierauf ein völlig neuer Rechtsstreit gegen die "richtige", sachlegitimierte Person eingeleitet werden muß, obwohl alle Prozeßbeteiligten mit dem Eintritt des "richtigen" Beklagten und Prozeßentlassung des zu unrecht Beklagten (hier durch förmliche "Klagezurückziehungserklärung" des Klägers) ausdrücklich einverstanden sind. Unter diesen hier gegebenen besonderen Voraussetzungen ist daher der Oberste Gerichtshof der Ansicht, daß das vom Erstgericht unter Einbeziehung des allseits als sachlegitimiert betrachteten Drittbeklagten (nach der Prozeßentlassung des ursprünglich in der Klage als sachlegitimiert bezeichneten Drittbeklagten) abgeführte und geschlossene Prozeßverfahren auch hinsichtlich dieses Beklagten einer abschließenden Sachentscheidung zugeführt werden muß, wie es die nunmehrigen Prozeßparteien übereinstimmend wollen.

Im Sinne der Ausführungen in der Berufung des Klägers (es werde die Ergänzung bzw. Berichtigung des Urteils begehrt) hätte das Erstgericht infolge Versäumung der vierzehntägigen Frist des § 423 Abs 2 ZPO durch den Kläger freilich kein Ergänzungsurteil bezüglich des gegen den Drittbeklagten geltend gemachten Klageanspruches fällen dürfen, wohl aber - wenn ihm diesbezüglich, trotz Vorliegens eines Entscheidungswillens, bloß ein Versehen unterlaufen sein sollte - eine berichtigende Ergänzung des Urteils gemäß § 419 ZPO vornehmen müssen, da diese unbefristet statthaft ist (zur berichtigenden Ergänzung s. Fasching, Lehr- und Handbuch2 Rz 1440 lit a). Da der Sachantrag des Klägers gegen den Drittbeklagten jedenfalls nicht erledigt wurde, er diesen Mangel aber offensichtlich auch als Berufungsgrund (§ 496 Abs 1 Z 1 ZPO) geltend gemacht hat, ist das Berufungsgericht verpflichtet, nun darüber zu befinden (vgl. Fasching aaO Rz 1440 u.512). Die vom Berufungsgericht beschlossene Zurückweisung der gegen den Drittbeklagten gerichteten Berufung des Klägers war daher jedenfalls verfehlt.

Demgemäß war dem Rekurs Folge zu geben und wie aus dem Spruche ersichtlich zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 50 und 52 ZPO.

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