OGH 5Ob114/91

OGH5Ob114/9122.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin B***** Gesellschaft m.b.H. ***** S*****, E*****straße 29a, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle, Rechtsanwalt in Linz, wegen Löschung eines Fruchtgenußrechtes in der EZ ***** des Grundbuches ***** S***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 29. Juli 1991, GZ 1 R 83/91, TZ 2913/91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Steyr vom 2. Mai 1991, TZ 1646/91, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

An der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** S***** mit dem Haus D*****gasse 10 wurde im Jahr 1958 Wohnungseigentum begründet. Zur Zeit bestehen 10 Wohnungseigentumsobjekte von denen zwei derselben Teilhaberin gehören, eine im Wohnungseigentum von Ehegatten steht und eine dem Betrieb einer Gastwirtschaft gewidmet ist.

Der Antragstellerin steht auf Grund eines Vertrages vom 2. 3. 1955 das Fruchtgenußrecht an Teilen der Liegenschaft, und zwar am Gastwirtschaftsvorgarten sowie an dem "hinter dem Haus gelegenen Teil des Gst .1683 .1684" zu. Im Grundbuch ist dieses Recht unter CLNR 1 lit a auf den Anteilen "4 bis 13", nicht jedoch auf dem der Gastwirtschaft zugeordneten Anteil 1 eingetragen, der seit 1982 im Eigentum des Johann L***** steht.

Mittlerweile hat die Antragstellerin ihr Fruchtgenußrecht "der Ausübung nach" auf Johann L***** übertragen, was zu TZ 3059/1988 auf den Anteilen 6, 8 und 9 (CLNR 1 lit d) sowie zu TZ 370/1990 auf den Anteilen 4, 5, 7, 10, 11, 12 und 13 (CLNR 1 lit n) jeweils mit dem Beisatz verbüchert wurde, daß dies "auf Lebensdauer der übertragenden Ges.m.b.H." geschieht.

Auf Grund einer Löschungserklärung vom 24. 4. 1991, die sich auf die Wohnungseigentumsanteile BLNR 4, 5, 7, 10, 11, 12 und 13 bezieht, begehrt nunmehr die Antragstellerin die Löschung ihres zu CLNR 1 lit a einverleibten Fruchtgenußrechtes; gleichzeitig hat sie gemäß §§ 131 ff GBG bzw. 136 GBG "angeregt bzw. beantragt", auch die zu CLNR 1 lit n einverleibte Übertragung des Fruchtgenußrechtes der Ausübung nach auf Johann L***** zu löschen.

Das Erstgericht wies beide Anträge mit der Begründung ab, daß Johann L***** durch die Grundbuchseintragung ein dingliches Recht auf Ausübung des Fruchtgenusses erworben habe und deshalb der Löschung des Fruchtgenusses hätte zustimmen müssen. Da kein Fall des § 51 GBG vorliege, komme auch eine bedingte Löschung des Fruchtgenusses der Antragstellerin nicht in Frage.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß mit der Begründung, daß ein durch die Grundbuchseintragung verdinglichtes Recht gegen jedermann wirke, das dem Johann L***** übertragene Recht auf Ausübung des Fruchtgenusses also auch gegen die Antragstellerin. Das schließe eine Löschung des Fruchtgenußrechtes ohne dessen Zustimmung aus.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den im Hinblick auf § 126 Abs 1 GBG iVm § 13 Abs 2 AußStrG, § 58 JN unbedenklichen Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-

übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs mangels einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig sei.

Dagegen richtet sich der fristgerecht erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, die in der abweislichen Erledigung ihres Grundbuchsgesuches sehr wohl eine erhebliche Rechtsfrage zu erkennen glaubt, weil vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden sei, ob das Ausübungsrecht des Übernehmers eines Fruchtgenusses bei einem Verzicht des primär Berechtigten erlischt. Ihrer Meinung nach erlösche das Fruchtgenußrecht schon deshalb, weil es dem Zweiterwerber ja nur der Ausübung nach zustehe, inhaltlich dagegen dem Ersterwerber, dessen grundbücherliche Rechte auch im Falle der Übertragung aufrecht blieben und der daher allein über sie verfügen könne. Außerdem sei zu bedenken, daß ja der Eigentümer der belasteten Sache nach Beendigung des Fruchtgenusses einen dinglichen und obligatorischen Anspruch auf Rückstellung des dienstbaren Gutes habe (Petrasch in Rummel I2, Rz 1 zu § 519 ABGB), was zwangsläufig den Untergang des Ausübungsrechtes eines Dritten - auch ohne dessen Zustimmung - voraussetze. Schließlich sei aus § 51 GBG zu schließen, daß die Löschung eines Fruchtgenußrechtes nicht von der Zustimmung des indirekt Ausübungsberechtigten abhänge. Es handle sich dabei um eine Sonderregelung für Afterpfandrechte, die auf andere dingliche Rechte nicht angewendet werden könne. Darum erlösche ein an einer Hypothekarforderung begründetes Fruchtgenußrecht gleichzeitig mit der Forderung, desgleichen ein Unterbestandrecht mit dem Bestandrecht. Diese Akzessorität gelte analog auch für das vom Fruchtgenußrecht des Ersterwerbers abgeleitete Ausübungsrecht, weshalb es zur Löschung des Fruchtgenusses seiner Zustimmung nicht bedürfe. Der Rekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Stattgebung des Grundbuchsgesuches abzuändern und die Einverleibung der Löschung des Fruchtgenußrechtes der Antragstellerin zu bewilligen.

Der Revisionsrekurs ist mangels einer höchstgerichtlichen Judikatur zur angesprochenen Rechtsfrage zulässig; er ist jedoch nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 94 Abs 1 Z 1 GBG darf das Grundbuchsgericht eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechts kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung hervorgeht. Die materiellrechtliche Wirksamkeit jener Eintragung, mit der die begehrte Grundbuchshandlung kollidiert, ist dabei nicht zu prüfen (vgl Feil, GBG, Rz 2 zu § 94). Es sei daher nur erläuternd angemerkt, daß die mit dinglicher Wirkung ausgestattete Übertragung eines Fruchtgenußrechtes zumindest der Ausübung nach in Judikatur und Lehre heute allgemein anerkannt ist (GlUNF 4271;

SZ 23/280; MietSlg 6.191; EvBl 1965/95; 1 Ob 55/81; 7 Ob 513/85;

Offenhuber, Die Übertragung des Fruchtgenußrechtes, NZ 1903, 257;

Bartsch, GBG7, 332; Klang II2, 566; Ehrenzweig I/22, 308;

Petrasch in Rummel I2, Rz 1 zu § 509 ABGB; Koziol-Welser II8, 155; Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Call-Eccher, Sachenrecht2, 169 f). Ebenso im Einklang mit dieser Judikatur und Lehre steht, daß der Ersterwerber des Fruchtgenusses seine bücherliche Rechtsposition behalten hat, also Subjekt dieses persönlichen Servitutsrechtes geblieben ist. Schließlich ist durch §§ 524, 1444 ABGB klargestellt, daß der Fruchtgenuß durch Verzicht des Berechtigten erlischt (Petrasch aaO, Rz 2 zu § 524 ABGB mwN; ob dafür der Eintragungsgrundsatz gilt, wie Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Call-Eccher aaO, 177, und Rummel in Rummel II, Rz 8 zu § 1444 ABGB meinen, oder nicht - vgl EvBl 1963/162, ist hier nicht zu entscheiden, weil der Verzicht der Antragstellerin ohnehin nur als Löschungstitel dient). Die zu lösende Rechtsfrage reduziert sich daher auf das Problem, ob die Verzichtserklärung des Fruchtgenußberechtigten auch die bücherlichen Rechte des Übernehmers beseitigt oder ob dessen Rechtsposition dem Verzicht bzw dessen Verbücherung im Wege steht.

Die Vorinstanzen haben die Löschung des Fruchtgenußrechtes der Antragstellerin vor allem deshalb als unvereinbar mit dem Grundbuchsstand angesehen, weil das Ausübungsrecht des Übernehmers durch die Verbücherung absolute Wirkung - auch der Antragstellerin gegenüber - erhalten habe. Die absolute, nicht auf bestimmte Personen eingeschränkte Wirkung dinglicher Rechte (§ 307 ABGB) gilt jedoch nicht ausnahmslos (Klang2 II 52 f; Spielbüchler in Rummel2 I Rz 4 zu § 307 ABGB). Im Falle einer echten Kollision zwischen dem dinglichen Fruchtgenußrecht der Antragstellerin und dem gleichfalls dinglichen Ausübungsrecht ihres Konkurrenten wäre zu klären, wem die stärkere Rechtsposition zukommt, sodaß sich die Abweisung des Grundbuchsgesuches konsequenter Weise nur damit begründen ließe, dem Grundbuchsgericht stehe eine solche Entscheidung nicht zu. Tatsächlich liegt das Problem tiefer. Das bücherliche Recht des Fruchtgenußübernehmers bezieht sich nicht wie das des primär Fruchtgenußberechtigten auf die Liegenschaft, sondern auf den Fruchtgenuß, geht also nach der Regel des § 525 ABGB (vgl §§ 467, 1112 ABGB) grundsätzlich unter, wenn der Fruchtgenuß erlischt.

Damit wäre die unbestrittenermaßen dingliche Rechtsposition des verbücherten Unterfruchtnießers (SZ 23/280 ua; Koziol-Welser aaO; Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Call-Eccher aaO, 170) völlig entwertet, die von Bartsch (aaO) aufgezeigte Möglichkeit der Sicherungszession eines Fruchtgenusses praktisch nicht mehr zu realisieren. Für den vergleichbaren Fall der Verpfändung einer Hypothekarforderung sieht denn auch § 51 GBG vor, daß die Löschung der Forderung nur mit dem Beisatz bewilligt werden darf, daß ihre Rechtswirkung in Ansehung des Afterpfandrechtes erst mit dessen Löschung einzutreten hat. Diese Regel ist entgegen der im Revisionsrekurs und auch von einigen Instanzgerichten vertretenen Meinung durchaus verallgemeinerungsfähig. Sie kann beispielsweise auch dort angewendet werden, wo es nicht um die Löschung einer Hypothekarforderung, sondern um die Löschung eines mit Afterpfandrechten belasteten Bezugs- und Benützungsrechtes geht (GlU 5025; GlUNF 6476). Die Lehre leitet aus § 51 GBG sogar den Rechtsgrundsatz ab, daß Rechte Dritter durch einen Verzicht nicht beeinträchtigt werden dürfen (Rummel aaO, Rz 9 zu § 1444 ABGB), weshalb auch für den Verzicht auf Servitutsrechte - insbesondere für den Verzicht auf ein belastetes Fruchtgenußrecht - die Zustimmung der Drittberechtigten gefordert wird (Petrasch aaO, Rz 2 zu § 524 ABGB;

Gschnitzer-Faistenberger-Barta-Call-Eccher aaO, 175). Ob sich dies auf alle Fälle einer absoluten Drittberechtigung an eingetragenen Rechten bezieht, ist hier nicht zu entscheiden; im konkreten Fall signalisierte der Grundbuchsstand jedenfalls ein Eintragungshindernis, das vom Grundbuchsgericht gemäß § 94 Abs 1 Z 1 GBG nicht übergangen werden durfte.

Gegen diese Rechtsansicht läßt sich auch nicht einwenden, mit Beendigung des Fruchtgenusses erwachse dem Eigentümer der belasteten Sache gemäß § 519 ABGB ein dinglicher - also auch gegen den Unterfruchtnießer durchsetzbarer - Anspruch auf Rückstellung des dienstbaren Gutes. Ob der von der Antragstellerin erklärte Verzicht auf ihr Fruchtgenußrecht wirksam und damit der Fruchtgenuß beendet ist, kann nämlich auf Grund der vorgelegten Urkunden nicht zweifelsfrei entschieden werden. In Analogie zu § 51 GBG wäre allenfalls die durch das Erlöschen des Unterfruchtgenusses bedingte Löschung des Fruchtgenußrechtes der Antragstellerin in Frage gekommen, doch wird diese Eintragung gar nicht angestrebt (§ 96 GBG). Selbst wenn sie im Vergleich zum unbedingten Löschungsbegehren nur ein minus wäre, müßte das Eintragungsgesuch der Antragstellerin zur Gänze abgewiesen werden, weil es sich nicht auf alle Mit- und Wohnungseigentumsanteile an der Liegenschaft bezieht. Auch der auf bestimmte Grundflächen oder Räume eines Hauses beschränkte Fruchtgenuß belastet nämlich gemäß § 485 ABGB grundsätzlich die ganze Liegenschaft (vgl NZ 1968, 91) bzw alle Wohnungseigentumsanteile, sofern er sich auf Räumlichkeiten oder Grundflächen erstreckt, die iS des § 1 Abs 3 WEG der allgemeinen Benützung dienen (vgl 5 Ob 70/91). Die Löschung des Fruchtgenußrechtes der Antragstellerin hinsichtlich einiger Mit- und Wohnungseigentümer der belasteten Liegenschaft würde sich daher in Widerspruch mit der materiellen Rechtslage setzen.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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