OGH 5Ob541/91

OGH5Ob541/918.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 8.Jänner 1986 geborenen Kindes Eva-Maria H*****, vertreten durch die Mutter Eva Maria H*****, diese vertreten durch Dr.Friedrich Flendrovsky und Dr.Thomas Pittner, Rechtsanwälte in Wien, infolge Rekurses des Vaters Alfred H*****, vertreten durch Dr.Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 19. Juli 1991, GZ 43 R 378/91-82, womit sein Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.Mai 1991, GZ 4 P 382/88-72, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs an den Obersten Gerichtshof wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des am 8.Jänner 1986 geborenen Mädchens wurde mit dem rechtskräftigen Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21.Oktober 1988 im Einvernehmen nach § 55 a EheG geschieden. Die Vereinbarung der Eltern, wonach das Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung, Vermögensverwaltung und Vertretung des Kindes der Mutter allein zustehen sollen, wurde am 17. November 1988 vom Pflegschaftsgericht genehmigt.

Im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren trafen die Eltern eine außergerichtliche Vereinbarung vom 12.Oktober 1988, die nach dem Inhalt des vor Gericht geschlossenen Vergleiches in Kraft bleiben sollte. Dieser Vertrag betraf unter anderem die Liegenschaft EZ ***** Katastralgemeinde *****, deren Eigentümer früher der Vater war, die aber durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren in das Eigentum der

A - *****gesellschaft mbH übergegangen war. Nach der Übereinkunft zwischen Vater und Mutter, die Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Gesellschaft war, sollte diese Liegenschaft im Betriebsvermögen der Gesellschaft enthalten bleiben und dem Kind "das Erbrecht eingeräumt" werden. Die Ungültigkeit einzelner Bestimmungen des Vertrages sollte die rechtliche Gültigkeit der anderen Vereinbarungen nicht berühren. Als vereinbart galt, soweit zulässig, eine der vereinbarten Bestimmung möglichst nahekommende Regelung.

Am 23.Jänner 1990 teilte der Vater dem Gericht mit, er habe erfahren, daß die Liegenschaft an die Gemeinde veräußert wurde. Er ersuche, zur Wahrung der Rechte des Kindes aus der Vereinbarung vom 12.Oktober 1988 einen Kurator zu bestellen.

Am 2.Feber 1990 bestellte das Erstgericht den Rechtsanwalt Dr.Hans W***** zum Kollisionskurator und trug ihm auf, die Interessen des Kindes gegenüber der (obsorgeberechtigten) Mutter zu vertreten. Vorstellung und Rekurs der Mutter gegen die Bestellung des Kollisionskurators blieben ohne Erfolg.

Nach umfassenden Erhebungen und der Weigerung des Vaters, für zu erwartende Kostentragungspflichten des Kindes aufzukommen, hat das Erstgericht den Kollisionskurator mit Beschluß vom 24.Mai 1991 von seinem Amt enthoben. Auch wenn man versuche, aus dem zwischen den Eltern am 12.Oktober 1988 geschlossenen außergerichtlichen Vergleich über die Vermögensauseinandersetzung wirksam begründete Rechte des Kindes abzuleiten und gegen die Mutter durchzusetzen, bleibe es dabei, daß die nun aus betrieblichen Gründen veräußerte Liegenschaft Eigentum der Kapitalgesellschaft war und weder erbrechtliche Ansprüche noch ein verbücherbares Veräußerungs- und Belastungsverbot durchsetzbar waren.

Das Rekursgericht wies den vom Vater gegen die Enthebung des Kollisionskurators erhobenen Rekurs zurück, weil der Vater zur Vertretung des Kindes nicht berechtigt sei und das Anrufungsrecht nach § 176 Abs 1 ABGB weder Parteistellung noch Rechtsmittelbefugnis begründe.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zugelassen werde.

Der vom Vater erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 14 Abs 1 AußStrG idF WGN 1989 ist gegen den Beschluß des Rekursgerichtes der Revisionsrekurs, soweit er nicht in den Fällen des § 14 Abs 2 AußStrG iVm § 14 Abs 3 AußStrG jedenfalls unzulässig ist, nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Damit erfolgte im Zuge der Verfahrensreform durch die WGN 1989 eine Angleichung an die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofes im Zivilprozeß (AB 991 BlgNR 17.GP). Kralik, Der Zugang zum OGH im Außerstreitverfahren, JBl 1991, 283, meint, durch diese Neuordnung des Rechtsmittelrechtes im Verfahren außer Streitsachen und die Ersetzung des Begriffes "Rekurs an den Obersten Gerichtshof" (§ 14 Abs 1 AußStrG idF vor WGN 1989) durch den in Lehre und Rechtsprechung schon lange verwendeten und im Bericht des Justizausschusses umschriebenen (AB 991 BlgNR 17.GP zum Art X Z 39) Begriff "Revisionsrekurs" sei gegen den Beschluß des Rekursgerichtes auf Zurückweisung eines Rekurses gegen einen Beschluß des Erstgerichtes der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ohne die im § 14 AußStrG idF WGN 1989 enthaltenen Beschränkungen zulässig. Der erkennende Senat teilt diese Ansicht nicht und schließt sich erneut der bereits mehrfach geäußerten Rechtsmeinung an, daß unter einem "Revisionsrekurs" iSd § 14 Abs 1 AußStrG idF WGN 1989 jeder Rekurs gegen eine Entscheidung der zweiten Instanz als Rekursgericht anzusehen ist, mag diese bestätigend, abändernd oder zurückweisend sein, und daß im § 14 Abs 4 AußStrG idF WGN 1989 nur eine besondere Regelung für Aufhebungsbeschlüsse des Rekursgerichtes getroffen wurde (Petrasch in ÖJZ 1989, 751; ÖA 1990, 135; 7 Ob 562/90 vom 25. April 1990; 2 Ob 592/90 vom 5.September 1990; 5 Ob 1005/91 vom 11. Juni 1991; 3 Ob 1551/91 vom 10.Juli 1991).

Auch der Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß ist daher nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung der Rechtsfrage des Verfahrensrechtes abhängt und dieser die im § 14 Abs 1 AußStrG umschriebene Bedeutung zukommt, inwieweit der Vater eines Kindes, dem die Obsorge nicht zukommt, gegen die Enthebung eines bestellten Kollisionskurators Rekurs erheben darf. Der Rechtsmittelwerber beruft sich auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, wonach Lehre und Rechtsprechung den nächsten Verwandten eines Pflegebefohlenen in besonderen Fällen ausnahmsweise ein Rekursrecht zubilligen, auch wenn in ihre eigene Rechtssphäre nicht eingegriffen wird, besonders wenn es notwendig ist, Gefahren abzuwenden, die dem Pflegebefohlenen von seinem gesetzlichen Vertreter drohen (EFSlg 37.187). Da die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht immer einheitlich war und soweit überblickbar zu der zu lösenden Rechtsfrage in jüngster Zeit keine Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ergangen sind, liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rekurses nach dem § 14 Abs 1 AußStrG vor.

Ein erneutes Überdenken der Parteistellung des Elternteils, dem die Obsorge nach der Scheidung der Ehe nicht zukommt, führt jedoch zu dem Ergebnis, daß der Rechtsansicht des Rekursgerichtes beizupflichten ist.

Der Vater hat gegen die Enthebung des Kollisionskurators im eigenen Namen, aber wohl in Verfolgung der Interessen des Kindes Rekurs erhoben. Das Recht, das Kind zu vertreten, stand, soweit es nicht wegen der Interessenkollision der Mutter entzogen und dem Kurator übertragen war, der Mutter zu. Als Vertreter des Kindes konnte der Vater daher im Verfahren nicht einschreiten. Zweifellos fehlt ihm auch Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis, soweit er eigene Interessen verfolgt, also etwa Rechte aus der mit der Mutter des Kindes als seiner Ehegattin getroffenen Vereinbarung ableiten will. Er meint, ihm müsse zugebilligt werden, gegen die Enthebung des Kurators zu rekurrieren, weil sonst niemand die Interessen des Kindes gegen die Mutter wahren könne, und anders Gefahren für das Kind, die vom gesetzlichen Vertreten drohen, nicht abwendbar seien.

Die Frage, ob den nächsten Verwandten im Pflegschaftsverfahren das Rekursrecht zusteht, wurde in Lehre und Rechtsprechung zum Teil unterschiedlich beurteilt. Es wurde anerkannt, daß ausnahmsweise den nächsten Verwandten ein Rekursrecht zugebilligt werden muß, wenn die im Vordergrund stehenden Interessen des Pflegebefohlenen nicht anders in angemessener und zweckmäßiger Weise gewahrt werden können (EvBl 1974/57 mwH). Dem rechtskräftig bestellten Vormund oder Kurator wurde die Beteiligtenstellung zugebilligt, weil es zu seinem Pflichtenkreis gehöre, den Vertretenen vor möglichen Rechtsnachteilen zu bewahren (SZ 34/89 ua). So wurde über den Rekurs eines vorläufigen Beistands der seine Bestellung über Rekurs der Tochter des zu Entmündigenden aufhebende Beschluß des Rekursgerichtes dahin abgeändert, daß der Rekurs der Tochter mangels Rechtsmittellegitimation zurückgewiesen wurde (SZ 48/57). In der vom Rechtsmittelwerber zur Stützung seiner Stellung als Partei im Kuratorenthebungsverfahren angeführten zu EFSlg 37.187 angeführten Entscheidung zu 1 Ob 774/80 vom 26.November 1980 hat der Oberste Gerichtshof zwar anerkannt, daß Lehre und Rechtsprechung den nächsten Verwandten eines Pflegebefohlenen über den Fall des Eingriffs in ihre eigene Rechtssphäre hinaus in besonders gelagerten Fällen ausnahmsweise ein Rekursrecht zubilligen (EvBl 1960/131; JBl 1967, 433; SZ 42/48; EvBl 1974/57; SZ 48/57), den Revisionsrekurs des Stiefvaters aber zurückgewiesen, weil er nicht zum Verwandtenkreis zähle und es daher bei der Regel bleibe, daß Anregungen dritter Personen, die nicht zu den Beteiligten des Verfahrens gehören, nur gegebenenfalls zur amtswegigen Prüfung führen.

Am 15.April 1982 ist der Oberste Gerichtshof zu 8 Ob 503/82 erneut auf die Frage der Beteiligtenstellung eingegangen und hat bekräftigt, daß aus § 176 Abs 1 ABGB keineswegs eine Parteistellung oder ein Rekursrecht abgeleitet werden kann (Pichler, Das neue Kindschaftsrecht, ÖA 1978, 30; Wentzel-Plessl in Klang2 I/2, 251), allerdings Ausnahmen offen gelassen, die nach der Lage des Falles nicht in Betracht kamen.

Nach § 176 Abs 1 ABGB hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohls des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen, wenn die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes gefährden. Das Anrufen durch wen immer betont die Amtswegigkeit des Verfahrens, schafft aber für den Einschreiter allein weder Parteistellung noch Rechtsmittellegitimation, es sei denn, er habe Rechte, zB auf Grund der §§ 144, 145, 166, 167 ABGB (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu §§ 176-176b).

Mit der Bestellung des Kollisionskurators ist im Rahmen seines Aufgabenbereiches das Recht der Vermögensverwaltung und der gesetzlichen Vertretung von der Mutter, der die Obsorge allein zugekommen war, auf den Kollisionkurator übergegangen, soweit die Mutter wegen zuwiderlaufender eigener Interessen - allenfalls auch der ihr als Geschäftsführerin der Gesellschaft mbH obliegenden Pflicht zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen - das Kind in diesen Vermögensbelangen nicht vertreten durfte. Damit aber lag es am Kollisionskurator, Schritte zu setzen, die nach Lage der Sache im Interesse des Kindes geboten waren, und, wenn das Wohl des Kindes ein weiteres Einschreiten des Kollisionskurators erfordert hätten, in Wahrung der Interessen des Kindes gegen seine Enthebung Rekurs zu erheben. Der Vater, der selbst durchaus auch widersprechende eigene Interessen verfolgen mag, ist nicht berechtigt, zur Wahrung der Rechte des Kindes anstelle des Kollisionskurators Rekurs gegen dessen Enthebung zu ergreifen. Auch wenn man an dem in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz festhalten will, nächsten Verwandten, also etwa auch dem Vater, dem die Obsorge nicht zukommt, das Recht zur Erhebung von Rechtsmitteln einzuräumen, wenn anders die Interessen des Pflegebefohlenen nicht gewahrt werden können, fehlt es hier an dieser Voraussetzung, weil der Kollisionskurator in der Lage gewesen wäre, gegen eine unberechtigte Enthebung zu rekurrieren, also etwa deshalb, weil doch eine erfolgversprechende Rechtsdurchsetzung möglich erschiene, und daher ein Einschreiten des Vaters für das Kind zur Abwehr ihm vom gesetzlichen Vertreter drohender Gefahr verzichtbar ist. Nur in einem Ausnahmefall könnte ihm Rekursbefugnis zugebilligt werden, wenn anders das Wohl des Kindes mißachtet würde.

Die Zurückweisung des vom Vater erhobenen Rekurses gegen die Enthebung des Kollisionskurators erfolgte also ohne Rechtsirrtum.

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