Spruch:
Das Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Steyr vom 6. März 1990, GZ 15 E Vr 47/90-34, verletzt das Gesetz dadurch, daß darin
1. ein Teil der über die Beschuldigten Gabor B*****, Erika S***** und Ilona F***** verhängten Freiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, in der Bestimmung des § 43 a Abs. 3 StGB;
2. diesen Beschuldigten die bei der Gendarmerie in Verwahrungshaft zugebrachte Zeit nicht auf die Strafe angerechnet wurde, in der Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z 1 StGB.
Die zu 1. genannte Gesetzesverletzung wird festgestellt. Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung wird dahin ergänzt, daß den Verurteilten gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB noch folgende, bei der Gendarmerie in Verwahrungshaft zugebrachte Zeiten auf die über sie verhängten Freiheitsstrafen angerechnet werden, und zwar dem Gabor B***** ab 22.Jänner 1990, 15.30 Uhr bis zum 23. Jänner 1990, 00.10 Uhr, der Erika S***** ab 22.Jänner 1990,
15.30 Uhr bis zum 23.Jänner 1990, 1.10 Uhr und der Ilona F***** ab 22.Jänner 1990, 15.30 Uhr bis zum 23.Jänner 1990, 1.10 Uhr.
Text
Gründe:
Mit dem (gemäß §§ 458 Abs. 3, 488 Z 7 StPO in gekürzter Form ausgefertigten) Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Steyr vom 6.März 1990, GZ 15 E Vr 47/90-34, das mit Abgabe des Rechtsmittelverzichtes durch den öffentlichen Ankläger und die Beschuldigten sogleich in Rechtskraft erwachsen ist, wurden die ungarischen Staatsangehörigen Gabor B***** (geboren am 14. Juni 1965), Erika S***** (geboren am 11.Juni 1965) und Ilona F***** (geboren am 25.April 1967) des Vergehens (richtig; des Verbrechens) des gewerbsmäßigen Bandendiebstahls nach § "127" (gemeint §§ 127, 130 erster und zweiter Fall) StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB jeweils zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Gemäß § 43 a Abs. 1 StGB (gemeint: § 43 a Abs. 3 StGB) wurde bei sämtlichen Beschuldigten jeweils ein Teil der Freiheitsstrafen, nämlich vier Monate, für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Ferner wurden allen Beschuldigten, obwohl sie nach der Aktenlage bereits am 22.Jänner 1990, 15.30 Uhr, von der Gendarmerie festgenommen worden waren (S 6, 63, 73 und 97 des Bezugsaktes; die Angabe des Festnahmetermins der Ilona F***** auf S 73 dieses Aktes mit dem 22.Jänner 1990, 15.00 Uhr, beruht offensichtlich auf einem Schreibfehler), die Vorhaft jeweils erst ab dem Zeitpunkt ihrer Einlieferung in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Linz an der Donau bzw. in das kreisgerichtliche Gefangenenhaus Steyr auf die über sie verhängten Strafen angerechnet. Die urteilsmäßige Vorhaftanrechnung erfolgte demnach bei Gabor B***** erst ab 23.Jänner 1990, 00.10 Uhr (S 178 iVm S 85 und 209) sowie bei Erika S***** und Ilona F***** jeweils ab 23. Jänner 1990, 1.10 Uhr (S 178 iVm S 69, 79, 215 und 217).
Da bei Einbringung des Strafantrages das Verfahren wegen weiterer Diebstahlsfakten gemäß § 57 StPO ausgeschieden und an das Kreisgericht Leoben abgetreten worden war (S 3 b), wurde keiner der Beschuldigten nach Verbüßung des unbedingt ausgesprochenen Teiles der Freiheitsstrafen auf freien Fuß gesetzt (die gegenteiligen Angaben in den Strafvollzugsberichten S 215 und 217, hinsichtlich Erika S***** und Ilona F***** sind unzutreffend). Vielmehr kam es noch vor vollständiger Verbüßung des vom Einzelrichter des Kreisgerichtes Steyr jeweils unbedingt ausgesprochenen Teiles der Strafen zur Überstellung sämtlicher Verurteilter in das kreisgerichtliche Gefangenenhaus Leoben. Das noch offene Verfahren wegen der vorerwähnten ausgeschiedenen Diebstahlsfakten wurde in das beim Kreisgericht Leoben zur AZ 19 E Vr 161/90 bereits anhängige Strafverfahren gemäß § 56 StPO einbezogen (S 3 i verso sowie 457, 461 und 465 in Band I/ der betreffenden Akten des Kreisgerichtes Leoben). Die vorerwähnte Verwahrungshaft (ab 22.Jänner 1990, 15.30 Uhr,) der drei Beschuldigten bei der Gendarmerie blieb auch im Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Leoben vom 19.Juli 1990, GZ 19 E Vr 161/90-72, mit dem sie unter Bedachtnahme auf das eingangs angeführte Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 6. März 1990 gemäß §§ 31 und 40 StGB wegen Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Bandendiebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 und 130 erster und zweiter Fall StGB zu Zusatzstrafen verurteilt wurden, unberücksichtigt (19 E Vr 161/90 des Kreisgerichtes Leoben, Bd. II, S 240).
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 6.März 1990 steht im Ausspruch über die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafen, aber auch über die Vorhaftanrechnung mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach dem klaren Wortlaut des § 43 a Abs. 3 StGB ist die bedingte Nachsicht eines Teiles einer Freiheitsstrafe nur zulässig, wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, aber nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird (EvBl. 1989/43, 15 Os 15/91 ua). Hält dagegen das Gericht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder weniger für angemessen, dann verbleibt ihm nur die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe (§ 37 StGB) oder für eine bedingte Nachsicht der gesamten Freiheitsstrafe (§ 43 StGB) vorliegen. Da der Einzelrichter über Gabor B*****, Erika S***** und Ilona F***** aber jeweils eine Freiheitsstrafe von nur sechs Monaten verhängte und bei keinem von ihnen die Voraussetzungen für eine bedingte Nachsicht der gesamten Strafe als gegeben ansah, war nach der angeführten Gesetzeslage für eine teilbedingte Strafnachsicht kein Raum. Mit dem vorliegenden Strafausspruch hat das Kreisgericht Steyr sohin seine gesetzliche Strafbefugnis - allerdings zugunsten der Verurteilten - überschritten (14 Os 100/90, 15 Os 15/91 ua). Insoweit muß es daher mit der Feststellung dieser Gesetzesverletzung das Bewenden haben.
Hingegen gereicht der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft jeweils erst ab Einlieferung in das gerichtliche Gefangenenhaus den Verurteilten - unbeschadet der gemäß dem § 400 Abs. 2 StPO eingeräumten Möglichkeit einer nachträglichen Sanierung durch das Erstgericht, die herbeizuführen dem Senat bei der gegebenen Sachlage unökonomisch erschien - zum Nachteil; ist doch im § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auch die Anrechnung jeder verwaltungsbehördlichen Verwahrungshaft auf die Strafe vorgesehen (Mayerhofer-Rieder StGB3, ENr. 4, 4 a, 4 b und 5 sowie Foregger-Serini-Kodek StB4, Erl. II - jeweils zu § 38 StGB).
In Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde war mithin spruchgemäß zu erkennen.
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