OGH 7Ob570/91

OGH7Ob570/9125.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niedereiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1. Dipl.Ing.Gerhard St*****, vertreten durch Dr.Leopold Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, 2. Dipl.Ing.Peter T*****, vertreten durch Dr.Peter Schmautzer und Dr.Stefan Duschel, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 7.März 1991, GZ 41 R 123/91-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28.Dezember 1990, GZ 41 C 347/90t-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien jeweils die mit je S 3.264 (darin enthalten je S 544 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind aufgrund eines - zwischen ihnen und der Rechtsvorgängerin der Klägerin geschlossenen - Bestandvertrages seit 18.6.1979 Mieter von im Erdgeschoß und im Keller des Palais A***** gelegenen Räumlichkeiten. Punkt III lit d dieses Vertrages lautet:

"Zu einer vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses ohne Einhaltung einer Frist ist die Vermieterin berechtigt, wenn die Vermieterin das Palais A***** verkauft und den Mietern für die von ihnen aus Anlaß des Abschlusses des Mietvertrages vereinbarten Investitionen eine Ablöse zusagt, die unter Annahme einer Amortisation in zehn Jahren der noch nicht abgelaufenen Amortisationszeit entspricht, zuzüglich eines Betrages von S 500.000 zur Abgeltung aller Nachteile der Mieter, wie etwa Kosten der Beschaffung eines Ersatzbüros, Übersiedlungskosten, Kosten der Bekanntmachung des neuen Standortes udgl......

Der unter Punkt III lit d vereinbarte Auflösungsgrund wird von den Vertragsteilen auch als wichtiger Kündigungsgrund vereinbart."

Mit einem weiteren Vertrag wurde den Beklagten auch eine Garage in Bestand gegeben. Die Beklagten betreiben in den Bestandräumlichkeiten ein *****büro.

Mit Vertrag vom 21.6.1989 erwarb die Klägerin das Palais A*****. Ihr Eigentumsrecht ist seit 11.9.1989 grundbücherlich eingetragen (4 Ob 530/90).

Die Klägerin kündigt den Beklagten das Bestandobjekt zum 31.1.1991 unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG auf. Schon während des Abschlusses des Mietvertrages habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin konkrete Verkaufsgespräche geführt. Da sich der Verkauf nicht einfach gestaltet habe, sei diese gezwungen gewesen, für die Dauer der Vertragsverhandlungen Vermietungen vorzunehmen. Es wäre wirtschaftlich unzumutbar gewesen, die Bestandobjekte bis zum tatsächlichen Verkauf nicht mehr zu vermieten; andererseits wären die ohnehin schwierigen Verkaufsverhandlungen zusätzlich erschwert worden, wenn in die Mietverträge die Möglichkeit, im Falle des Verkaufs kündigen zu können, nicht aufgenommen worden wäre. Die Vermietung der wenigen Geschäfts- und Wohnräume - das Palais bestehe großteils aus Prunkräumen, die einer Vermietung für Büro- und Wohnungszwecke nicht zugänglich seien - sei für die Vermieterin eine wichtige Tatsache und Voraussetzung für den vereinbarten Kündigungsgrund gewesen, weil das zur Gänze vermietete Palais weder geschäftlich noch kulturell seinem historischen Wert entsprechend verwertet werden könne. Es habe ein Bedürfnis an der Vereinbarung dieser Auflösungsmöglichkeit bestanden, weil die Bestandverhältnisse der Verwertung der Liegenschaft hindernd entgegengestanden seien. Die Frage, ob die vermieteten Bestandobjekte nach dem Verkauf zur Gänze frei werden, sei für die Verwertung und Preisbildung von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Das Palais stehe überdies unter Denkmalschutz. Nur wenn der vereinbarte Kündigungsgrund auch durchgesetzt werden könne, sei eine dem Gebäude entsprechende Verwertung, wie die Nutzung als Ausstellungs- oder Veranstaltungsort, Museum odgl, möglich. An solche Verwertungsmöglichkeiten sei schon bei Abschluß der Mietverträge gedacht worden. Überdies sei eine Entschädigung vereinbart worden, die die geleisteten Investitionen berücksichtige und zusätzlich einen Betrag von S 500.000 enthalte; deren Zahlung sei den Beklagten auch angeboten worden. Eine Bedachtnahme auf die sonst schutzwürdigen Interessen von Mietern sei daher nicht geboten. Der Mietvertrag über die Garage enthalte zwar die Vereinbarung des geltend gemachten Kündigungsgrundes nicht. Die Miete der Garage stehe jedoch mit den übrigen Geschäftsräumen im engen wirtschaftlichen Zusammenhang. Falls ein solcher aber nicht bestehen sollte, bestehe für die Garage keinerlei Kündigungsschutz.

Die Beklagten beantragten die Aufhebung der Aufkündigung. Die - nicht näher bestimmte - Vereinbarung, daß der Verkauf des Palais A***** ein Kündigungsgrund sei, sei ungültig, weil dieser Verkauf den in § 30 Abs 2 MRG genannten Kündigungsgründen nicht gleichstehe oder nahekomme. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrages hätten keinerlei Verkaufsabsichten bestanden. Der Verkauf der Liegenschaft sei schließlich ohne irgendwelche Hindernisse durchgeführt worden. Die Bestandverträge hätten in dem zwischen der Klägerin und ihrer Rechtsvorgängerin abgeschlossenen Kaufvertrag keinerlei Kriterium gebildet; sie hätten auch keinen Einfluß auf die Kaufpreisbildung gehabt. Die Aufnahme dieser Kündigungsbestimmung in den Mietvertrag habe allein den Zweck gehabt, die zwingenden Kündigungsbeschränkungen zu umgehen.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Vereinbarungen, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem in § 30 Abs 2 MRG bestimmten Maß zustehen soll, seien gemäß § 30 Abs 3 MRG rechtsunwirksam. Ein vereinbarter Kündigungsgrund müsse an Bedeutung den im § 30 Abs 2 MRG angeführten Fällen nahekommen. Das treffe auf die Abrede, mit der der Verkauf des Hauses generell als Kündigungsgrund vereinbart wurde, aber nicht zu.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, verneinte einen geltend gemachten Verfahrensmangel und war rechtlich der Auffassung, daß die Vereinbarung eines Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG nicht zu einer unzulässigen Erweiterung des Kündigungsrechtes führen dürfe; es bestehe kein anerkennungswürdiges Anliegen des Vermieters, von ihm oder seinem Rechtsvorgänger eingegangene Bestandverträge zwecks besserer, seiner alleinigen Willensentscheidung anheimgestellten Verwertung der Liegenschaft nur zum Zwecke der Erzielung eines höheren Preises auflösen zu können, selbst dann nicht, wenn die Verwertung der Liegenschaft bei Abschluß des vorliegenden Mietvertrages schon in Erwägung gezogen worden wäre.

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG ist es als wichtiger Grund für die Kündigung eines Bestandobjektes anzusehen, wenn ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der in bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter (Untervermieter), für seine nahen Angehörigen (§ 14 Abs 3 MRG) oder für das Unternehmen, für das der Vermieter (Untervermieter) allein oder in Gemeinschaft mit anderen Personen vertretungsbefugt ist, als wichtig und bedeutsam anzusehen ist. Dieser Kündigungsgrund

entspricht - abgesehen vom Kreis der berechtigten Personen - dem früheren § 19 Abs 6, zweiter Satz, MG idF MRÄG (Mietslg 35.381). Die dazu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze finden daher weiter Anwendung (RdW 1986, 369; SZ 61/52).

Wegen der Bedeutung einer Vereinbarung nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG fordert das Gesetz die Schriftform (vgl MietSlg 28.388). Der im Mietvertrag angegebene Umstand muß bestimmt bezeichnet, für den Vermieter objektiv bedeutsam und den sonst in § 30 Abs 2 MRG angeführten Gründen zwar nicht gleich sein - dann würde es nicht des besonders bezeichneten Kündigungsgrundes bedürfen - aber nahe kommen (MietSlg 33.396; SZ 61/52; Würth-Zingher, MRG2, 143, Anm 20 zu § 30; Würth in Rummel, ABGB, Rz 45 zu § 30 MRG). Vereinbarungen, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem durch § 30 Abs 1 und 2 MRG bestimmten Maß zustehen soll, sind gemäß § 30 Abs 3 MRG rechtsunwirksam. Diese zwingende Bestimmung kann nicht dadurch umgangen werden, daß ein nicht den Kündigungstatbeständen zu unterstellendes Verhalten als Kündigungsgrund vereinbart wird (vgl MietSlg 26.322). Auch die schriftliche Vereinbarung der Veräußerung der Liegenschaft als wichtiger Umstand für die Kündigung ohne besonderes Bedürfnis des Vermieters nach dieser Auflösungsmöglichkeit wäre eine solche unzulässige Umgehung der Kündigungsbeschränkungen (SZ 61/52). Dieses besondere Bedürfnis muß im Sinne der vorstehenden Ausführungen aber auch objektiv wichtig und bedeutsam sein.

In MietSlg 35.382/36 hat der Oberste Gerichtshof die Vereinbarung des Verkaufes eines Einfamilienhauses als einen für den Vermieter wichtigen und bedeutsamen Kündigungsgrund angesehen. In ImmZ 1989, 153 hat der Oberste Gerichtshof zu einer solchen Kündigung der im ersten Stock eines aus zwei Wohnungen bestehenden Hauses ausgeführt, daß bei "kleineren Objekten" die Frage, ob diese zur Gänze frei sind oder nicht, für die Verwertungschancen und die Preisbildung - im Gegensatz zu Zinshäusern - von ausschlaggebender Bedeutung sein kann; wolle man die Bestandfreiheit bei kleineren Objekten im Falle ihres Verkaufes nicht als für den Vermieter wichtig und bedeutsam anerkennen, würde man Hauseigentümer, die die Veräußerung eines Ein- oder Zweifamilienhauses in absehbarer Zeit in Erwägung ziehen, außerstande setzen, Wohnungen in diesem Haus zu vermieten. In SZ 61/52 = ImmZ 1989, 154 = MietSlg 40.471 hat der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Kündigung eines in einem Fabriksareal gelegenen Bestandobjektes das besondere Anliegen des Vermieters auf Auflösung des Bestandvertrages anerkannt, wenn das Bestandverhältnis der Verwertung der Liegenschaft behindernd entgegensteht; mit der in diesem Fall getroffenen Vereinbarung eines Kündigungsgrundes habe der Beklagte die von der Vermieterin für eine Vermietung der Räumlichkeiten im Fabriksareal gesetzte Bedingung erfüllt, daß bei der wegen der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, die dann zur Insolvenz führte, erwogenen Verwertung der Liegenschaft durch ihre Veräußerung eine Belastung durch Fortdauer des Bestandverhältnisses nicht eintreten dürfe. In der (dasselbe Bestandobjekt wie hier betreffenden) Entscheidung 4 Ob 530/90 hat der Oberste Gerichtshof schließlich ausgeführt, daß ein schon durchgeführter Verkauf des Bestandobjektes als Kündigungsgrund wirksam vereinbart werden kann (wenn er bei Abschluß dieser Vereinbarung schon konkret in Erwägung gezogen wurde), nicht aber die bloße allgemeine Absicht eines Verkaufes; da der Verkauf des Palais A***** damals zum maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht zustande gekommen war, wurde die Aufkündigung schon aus diesem Grund aufgehoben, ohne daß auch noch ein besonderes Bedürfnis des Vermieters an dieser Auflösungsmöglichkeit hatte geprüft werden müssen.

Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich daher, daß nicht jeder beabsichtigte Verkauf eines vermieteten Objektes zur Vermeidung der Bindung des Erwerbers an die bestehenden Mietverträge als zulässiger Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbart werden kann; es ist vielmehr ein besonderes Bedürfnis des Vermieters an dieser Auflösungsmöglichkeit erforderlich. In allen bisher entschiedenen Fällen (die ein Haus mit zwei Wohnungen betreffende Entscheidung ImmZ 1989, 153 wurde zum Teil stark ablehnend kritisiert) handelte es sich um Objekte, die üblicherweise gar nicht zur Vermietung sondern zur persönlichen Nutzung durch den Eigentümer (Einfamilienhaus, Räumlichkeit in einem Fabriksareal des Unternehmers) bestimmt waren und nur vorübergehend bis zur Veräußerung durch Vermietung genutzt werden sollten, um sie - mangels derzeitigen Eigenbedarfes des Eigentümers - doch noch irgendwie verwerten zu können. Die den entschiedenen Fällen zugrundeliegenden Objekte hätten, da für vermietete Objekte dieser Art nahezu keine Nachfrage gegeben ist, wenn keine Kündigungsmöglichkeit besteht, gar nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten veräußert werden können. Nur unter solchen Umständen ist die Vereinbarung der Veräußerung des Bestandobjektes als Kündigungsgrund wirksam. Solche berücksichtigungswürdige Momente liegen hier aber nicht vor:

Das Palais A***** dient schon lang nicht mehr - wie in Einfamilienhaus oder ein einzelnes Objekt in einem Fabriksareal - der regelmäßigen persönlichen oder geschäftlichen Nutzung durch den Eigentümer; die übliche Verwertungsart ist auch hier die langfristige Bestandgabe vermietbarer Räumlichkeiten. Darin unterscheidet es sich nicht von einem sonstigen zur Vermietung bestimmten Gebäude, beispielsweise einem Zinshaus. Die Aufnahme einer besonderen, der kulturhistorischen Bedeutung des Gebäudes entsprechenden Nutzung aber, die die Klägerin nunmehr behauptet, wurde im Rahmen der Vereinbarung des Verkaufes des Gebäudes als Kündigungsgrund gar nicht angeführt; eine solche ergibt sich auch nicht - wie bei einem Einfamilienhaus das Bewohnen durch den Eigentümer oder bei einer Geschäftsräumlichkeit in einem Fabriksareal das Betreiben der Fabrik durch den Eigentümer - in gleicher Weise für ein (vermietetes) Barockpalais. Jene Tatsache, die nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG einen Kündigungsgrund bilden soll, muß bereits im Mietvertrag zur Gänze konkret angeführt sein (vgl MietSlg 28.388, 25.363 ua). Es geht nicht an, nur einen allgemeinen Tatbestand (zB Verkauf oder Eigenbedarf) zu nennen und die Konkretisierung (hier kulturelle Verwendung) der Kündigung zu überlassen. Die Absicht, das gesamte Gebäude und nicht nur die nicht vermieteten Prunkräume nunmehr einer seiner kulturhistorischen Bedeutung entsprechenden Nutzung zuzuführen, kann daher nur unter dem Gesichtspunkt des Eigenbedarfes (bei Geschäftsräumlichkeiten daher nur nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG) gewertet werden. Dieser Kündigungsgrund wurde aber nicht geltend gemacht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Vom Kostenverzeichnis des Zweitbeklagten war insoweit abzugehen, als dort auch ein hier nicht zutreffender Streitgenossenzuschlag enthalten ist.

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