OGH 4Ob530/90

OGH4Ob530/908.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred W*** Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 8, Auerspergstraße 1, vertreten durch Dr. Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dipl.-Ing. Gerhard S***, Architekt, Wien 8, Trautsongasse 1, vertreten durch Dr. Leopold Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, 2. Dipl.-Ing. Peter T***, Architekt, Wien 4, Schönburgstraße 7, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Jänner 1990, GZ 41 R 914/89-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. Oktober 1989, GZ 41 C 320/89w-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten und der zweitbeklagten Partei die mit je S 2.966,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin je S 494,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin vermietete im Jahre 1979 den Beklagten, die gemeinsam ein Architekturbüro führen, bestimmte Räume im Palais Auersperg in Wien. Punkt III Abs 1 des Mietvertrages lautete:

"Das Mietverhältnis beginnt am 18. Juni 1979 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es kann unter Einhaltung einer halbjährigen Kündigungsfrist jeweils zum Ende eines jeden Kalendermonates aufgekündigt werden."

Der Umstand, daß "die Vermieterin das Palais Auersperg verkauft und den Mietern für die von ihnen aus Anlaß des Abschlusses des Mietvertrages vereinbarten Investitionen eine Ablöse zusagt, die unter Annahme einer Amortisation in zehn Jahren der noch nicht abgelaufenen Amortisationszeit entspricht, zuzüglich eines Betrages von S 500.000,- (Schilling fünfhunderttausend) zur Abgeltung aller Nachteile der Mieter, wie etwa Kosten der Beschaffung eines Ersatzbüros, Übersiedlungskosten, Kosten der Bekanntmachung des neuen Standortes und dergleichen", wurde von den Vertragsparteien nicht nur als Grund für die vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses ohne Einhaltung einer Frist, sondern auch als wichtiger Kündigungsgrund vereinbart (Punkt III Abs 2 lit d). In einem - nicht unterfertigten - Entwurf eines schriftlichen Mietvertrages über einen näher bezeichneten Teil der Garage des Palais Auersperg war eine gleichartige Kündigungsvereinbarung nicht enthalten.

Mit Vertrag vom 21. Juni 1989 verkaufte die Klägerin das Palais Auersperg der R*** R*** AG; diese ist seit 11. September 1989 grundbücherliche Eigentümerin des Hauses. Der Kaufvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"III.

... die Verkäuferin haftet nicht für einen bestimmten Ertrag

oder für eine bestimmte Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ...

IV.

... die Käuferin nimmt zur Kenntnis, daß das gesamte Palais

Auersperg samt Nebengebäuden vermietet ist, die entsprechenden Bestandverträge wurden der Käuferin vor Unterfertigung des Kaufvertrages übergeben.

VI.

Die Vertragsparteien erklären hiermit im Hinblick auf eine allfällige Verletzung des wahren Wertes, daß ihnen das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bekannt ist und sie mit diesem Wertverhältnis ausdrücklich einverstanden sind."

Die Klägerin kündigte den Beklagten die vermieteten Räume einschließlich der Garage für den 31. Dezember 1989 - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - unter Berufung auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 13 MRG gerichtlich auf. Im Mietvertrag sei vereinbart worden, daß der Verkauf des Palais Auersperg ein wichtiger Grund für die Aufkündigung des Mietverhältnisses sei. Die Klägerin werde das gesamte Palais Auersperg der R*** R*** AG verkaufen. Der Kündigungsgrund sei für die Klägerin von besonderer Bedeutung, weil andernfalls die Verwertung der Liegenschaft erheblich erschwert worden wäre. Die Ablöse im Sinn des Punktes III Abs 2 lit d des Vertrages werde von der Klägerin gegen Räumung gezahlt werden.

Der darauf vom Erstgericht an die Beklagten gemäß § 562 ZPO erlassene Auftrag wurde dem Erstbeklagten am 31. Mai 1989 und dem Zweitbeklagten am 16. 6. 1989 zugestellt.

In ihren gegen die Aufkündigung erhobenen Einwendungen stellten die Beklagten (u.a.) das Vorliegen des Kündigungstatbestandes nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG in Abrede.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Ein im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand könne nur dann als wichtig und bedeutsam gewertet werden, wenn er den in § 30 Abs 2 MRG angeführten Fällen an Bedeutung nahekomme; das treffe aber auf eine Vereinbarung, mit welcher der Verkauf eines Hauses generell als Kündigungsgrund vereinbart werde, nicht zu. Aus dem Kaufvertrag ergebe sich, daß die Tatsache der Vermietung der Räumlichkeiten der Veräußerung des Objektes nicht hinderlich entgegengestanden war. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Liegenschaft sei erst nach dem - allein maßgebenden - Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung verkauft worden; der somit "grundlosen" Aufkündigung könne daher kein Erfolg beschieden sein. Selbst wenn aber allein schon die konkret erwogene Verwertung der Liegenschaft als wichtiger Kündigungsgrund vereinbart worden oder die hier getroffene Vereinbarung in diesem Sinn zu verstehen wäre, käme der Berufung keine Berechtigung zu. Der Verkauf eines Hauses könne nicht wirksam generell als Kündigungsgrund vereinbart werden. Der vom Obersten Gerichtshof in MietSlg 35.382/36 vertretenen gegenteiligen Ansicht könne sich das Berufungsgericht nicht anschließen, würde doch damit einer der fundamentalsten Grundsätze im Bereich des Kündigungsschutzes im Sinne von "Kauf bricht Miete" beseitigt. Auch eine unterschiedliche Behandlung von Objekten mit nur zwei selbständigen Wohnungen einerseits und Zinshäusern andererseits sei nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht anerkenne daher kein Anliegen des Vermieters, von ihm eingegangene Bestandverträge zwecks besserer, seiner alleinigen Willensentscheidung anheimgestellter Verwertung der Liegenschaft, also zur Erzielung eines höheren Preises, auflösen zu können. Die schriftliche Vereinbarung eines Verkaufes des Palais Auersperg als Kündigungsgrund sei demnach rechtsunwirksam (§ 30 Abs 3 MRG).

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die Aufkündigung für rechtswirksam erkannt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die von der Klägerin erörterte Frage, ob der Verkauf des Palais Auersperg unter den im Verfahren erster Instanz behaupteten, aber ungeprüft gebliebenen Voraussetzungen für die Vermieterin als wichtig und bedeutsam anzusehen ist (§ 30 Abs 2 Z 13 MRG) - also im Sinne der ständigen Rechtsprechung ein Umstand ist, der den in § 30 Abs 2 MRG genannten Gründen nahekommt (MietSlg 33.396, 36.443/20; 1 Ob 707/87; 4 Ob 505/88 ua; Würth in Rummel, ABGB, Rz 45 zu § 30 MRG) - braucht diesmal nicht untersucht zu werden, weil der Revision auch bei Annahme einer wirksamen Vereinbarung über das Kündigungsrecht kein Erfolg beschieden sein könnte:

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist für das Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner maßgebend (MietSlg 30.464, 36.388 ua; Würth aaO Rz 5 zu § 33 MRG).

Zu diesen Zeitpunkten (31. 5. und 16. 6. 1989) war aber der als

Kündigungsgrund vereinbarte Verkauf noch nicht erfolgt, ist doch der

Kaufvertrag erst am 21. Juni 1989 geschlossen worden. Daß der

Kaufvertrag schon vorher mündlich abgeschlossen worden wäre, wurde

weder behauptet noch festgestellt. Als Kündigungsgrund wurde der

Verkauf des Palais Auersperg (unter einer weiteren Voraussetzung)

und nicht etwa schon das Führen aussichtsreicher

Verkaufsverhandlungen vereinbart. Die Klägerin hat in erster Instanz

auch nicht behauptet, daß Punkt III des Mietvertrages, abweichend

von seinem Wortlaut, nach der übereinstimmenden Parteiabsicht in

einem solchen Sinn zu verstehen wäre. Eine Abrede dieses Inhaltes

stünde auch mit dem Grundsatz im Widerspruch, daß nur eine bestimmt

bezeichnete Tatsache als Kündigungsgrund vereinbart werden kann

(Würth aaO Rz 45 zu § 30); die bloß "konkret erwogene Verwertung der

Liegenschaft" oder aussichtsreiche Verkaufsverhandlungen sind aber

keine hinreichend konkreten Tatsachen, die eine Kündigung

rechtfertigen könnten. Auch in der Entscheidung ImmZ 1989, 154 hat

der Oberste Gerichtshof - entgegen der Meinung des

Berufungsgerichtes und der Klägerin - keinen gegenteiligen

Standpunkt vertreten: Dort hatte der Mietvertrag vorgesehen, daß ein Rechtsnachfolger auf Vermieterseite kündigen könne; die zu beurteilende Kündigung hatte dieser Rechtsnachfolger eingebracht. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, daß die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Z 13 MRG erfüllt seien, "wenn ein in Erwägung gezogener Verkauf des Einfamilienhauses als Kündigungsgrund vereinbart wird". Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Verkauf (jedenfalls dann) als Kündigungsgrund wirksam vereinbart werden kann, wenn er bei Abschluß dieser Vereinbarung schon in Erwägung gezogen wurde; daß schon die Erwägung eines Verkaufes als Kündigungsgrund vereinbart werden könnte, ist dieser Entscheidung jedoch nicht zu entnehmen.

Da der als Kündigungsgrund vereinbarte Verkauf erst am 21. Juni 1989 zustande gekommen ist, war der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 3 MRG im maßgebenden Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung noch nicht verwirklicht; mit Recht haben daher die Vorinstanzen die Aufkündigung aufgehoben.

Die Revision mußte sohin erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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