OGH 6Ob568/91

OGH6Ob568/9120.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rüdiger P*****, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Aktiengesellschaft, ***** wegen S 70.000,-- sA und Feststellung (Streitwert S 50.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 11. April 1991, GZ 3 R 22/91-5, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 16. Jänner 1991, GZ 27 Cg 36/91-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der am ***** geborene Kläger begehrte mit seiner pflegschaftsbehördlichen genehmigten Klage von der beklagten Partei die Zahlung von S 50.000,-- sA sowie die Feststellung, daß die beklagte Partei ihm für alle aus dem Unfall vom 14. September 1990 entstehenden Schäden hafte, und trug dazu vor: Er habe am 14. September 1990 beim Versuch, eine von seinen Eltern in einem Supermarkt in A***** gekaufte Flasche eines Erfrischungsgetränkes zu öffnen, schwere Verletzungen am rechten Auge erlitten, weil der Verschluß völlig überraschend wie ein Sektkorken abgesprungen sei. Die Flasche sei von der beklagten Partei abgefüllt worden; diese sei somit Produzent iS des ProdukthaftungsG (PHG) und hafte nach § 1 PHG, weil die Flasche bzw der Verschluß iS des § 5 PHG fehlerhaft gewesen sei.

Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Der Klagsanspruch gründe sich nicht auf ein Handelsgeschäft auf Seiten der beklagten Partei, sondern es handle sich um einen unmittelbar aus dem Gesetz abgeleiteten Anspruch, weil sich der Kläger ausdrücklich auf die Haftung der beklagten Partei als Produzent iS des PHG berufe. Ein Tatsachenvorbringen, daß auf Seiten der beklagten Partei ein Handelsgeschaft vorliege, sei nicht erstattet worden.

Dem gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurs des Klägers gab das Rekursgericht nicht Folge. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach der Rechtsauffassung der zweiten Instanz sei eine Behauptung, daß die beklagte Partei ein Handelsgeschäft abgeschlossen habe, aus dessen Schutzwirkungen der Klagsanspruch abgeleitet werde, nicht aufgestellt worden. Als Anspruchsgrundlage kämen daher nach dem Vorbringen in der Klage nur die Bestimmungen des PHG in Frage, die aber eine Deliktshaftung und keine Haftung aus einer Vertragsverletzung normierten.

Der zulässige (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) Revisionsrekurs des Klägers ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 51 Abs 1 Z 1 JN gehören vor die Handelsgerichte Streitigkeiten aus Handelsgeschäften, wenn die Klage gegen ... eine Handelsgesellschaft ... gerichtet ist und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft ist. Unbestritten ist die beklagte Partei eine Handelsgesellschaft; strittig ist nur die Frage, ob nach den Klagsbehauptungen (§ 41 Abs 2 JN) der Anspruch aus einem Handelsgeschäft auf ihrer Seite abgeleitet wird. Der Klagsanspruch wird im vorliegenden Fall nicht aus einem Handelsgeschäft selbst erhoben (Fasching I 319).

Vor dem Inkrafttreten des PHG folgte die österreichische Produkthaftung den allgemeinen Regeln des Schadensersatzes und war dementsprechend eine Verschuldenshaftung. Infolge der Besserstellung des Geschädigten im Rahmen der Vertragshaftung halfen Lehre (vor allem Bydlinski, Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter in JBl 1960, 359 ff und in Klang2 IV/2, 180 ff) und ihm folgend die Rechtsprechung mit einer neuen Konstruktion, mit dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinweg, der seit dem Jahre 1976, seit dem "Porit-Kombiplattenfall" (SZ 49/14), fester Bestandteil der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurde (SZ 54/152, SZ 51/169 ua). Die Annahme beruhte darauf, daß schon der Vertrag zwischen dem Produzenten und dem ersten Händler Schutzwirkungen zugunsten jener Personen entfalte, die durch eine Kette von Verträgen berechtigte Benützer der Sache werden. Damit erhielt der letzte Käufer, soweit es jedenfalls Schadenersatzansprüche betraf, gegenüber dem Produzenten die Stellung eines Vertragspartners mit allen für ihn günstigen Konsequenzen: der Hersteller haftete nun gemäß § 1313 a ABGB für jedes Verschulden seiner Gehilfen und mußte das mangelnde Verschulden auf seiner Seite nach § 1298 ABGB beweisen (EB 272 BlgNR 17.GP, 5 mwN; Krejci, Das Produkthaftungsgesetz in VersRdSch 1988, 209 ff, 213 f; Welser, Produkthaftungsgesetz, Vorbemerkungen Rz 6). Auf dieser Grundlage war auch die Rekursentscheidung des Handelsgerichtes Wien vom 4. Februar 1986, AZ 1 R 369/85, veröffentlicht in Wiener Richter Nr 202, durchaus konsequent, weil sie die Zuständigkiet des Kausalgerichtes für den Anspruch des durch eine mangelhafte Ware geschädigten Konsumenten gegen den Produzenten mit der Begründung bejahte, daß der Klagsanspruch aus einem mit Schutzwirkungen zugunsten des Klägers als Dritten abgeschlossenen Handelsgeschäft des dort beklagten Produzenten mit dem Händler abgeleitet werde.

Durch die Geltung des Bundesgesetzes vom 21. Jänner 1988, BGBl 1988/99, über die Haftung für ein fehlerhaftes Produkt (PHG) mit 1. Juli 1988 bedarf es, von Ausnahmen abgesehen (vgl dazu Nadler-Müsgen, Lücken der Produkthaftungsgesetze - Lücken der Produkthaftung? in WBl 1989, 232 ff, 233), einer solchen Konstruktion zugunsten des Konsumenten nicht mehr. Denn in § 1 Abs 1 Z 1 PHG ist festgelegt, daß der Unternehmer, der ein Produkt hergestellt und in den Verkehr gebracht hat, für den Ersatz des Schadens haftet, wenn - unter anderem - durch den Fehler des Produkts ein Mensch am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt wird. Jeder Geschädigte hat Anspruch auf Schadenersatz; eine vorhergehende (vertragliche) Beziehung zum Hersteller oder einem anderen Haftenden oder ein "Naheverhältnis" wird nicht gefordert. Es wird somit eine Haftung gegenüber jedermann, also auch dem bisher aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ungeschützten "innocent bystander", des außerhalb der Absatzkette stehenden Dritten, begründet (EB aaO, 8; Welser aaO, Rz 11). Ein (schlecht erfülltes) Handelsgeschäft ist nicht Haftungsvoraussetzung. Voraussetzung zur Begründung der Zuständigkeit nach § 51 Abs 1 Z 1 JN ist zwar nicht ein direkter Geschäftsabschluß zwischen den Prozeßparteien, sondern nur, daß das dem Rechtsstreit zugrundeliegende Geschäft auf Seiten des Beklagten ein Handelsgeschäft ist. Leitet jemand aus einem solchen Rechtsgeschäft einen Rechtsanspruch ab, so muß er diesen vor dem Handelsgericht durchsetzen (MietSlG 29.585). Der Anspruch des Klägers wurde aber weder aus einem Handelsgeschäft abgeleitet noch wäre dies, anders als im Fall der Entscheidung Wiener Richter Nr 202, erforderlich, weil § 1 PHG dies als Anspruchsvoraussetzung gerade nicht fordert. Ob die verschuldensunabhängige (Fitz-Purtscheller-Reindl, Produkthaftung § 1 PHG Rz 2; Welser aaO, Rz 11; Posch, Produkthaftungsgesetz in RdW 1988, 65 ff, 66) Haftung nach dem PHG solche für rechtswidriges Verhalten (Delikt) oder Gefährungshaftung ist, ist strittig (Welser aaO, Rz 13; Fitz-Purtscheller-Reindl aaO, § 1 PHG Rz 7 mwN, auch zur deutschen Lehre; Andreewitch, Anmerkungen zum Produkthaftungsgesetz in ÖJZ 1988, 225 ff, 226 mwN in FN 16 f; Krejci aaO, 217), aber hier nicht zu entscheiden, weil die beklagte Partei dem Kläger, sofern er einen Schaden erlitten hat, die Fehlerhaftigkeit des von ihr hergestellten und in Verkehr gebrachten erzeugten Produktes vorausgesetzt, unabhängig vom Vorliegen eines Handelsgeschäftes, haftet. Es liegt daher keine Streitigkeit aus einem Handelsgeschäft vor.

Für Ansprüche des durch ein fehlerhaftes Produkt Geschädigten gegen den Hersteller des Produkts aufgrund des PHG besteht somit nicht die Zuständigkeit der Kausalgerichte. Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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