OGH 9ObA77/91

OGH9ObA77/9119.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Drossler und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1.) A***** B*****, Zahntechniker, ***** 2.) K***** K*****, Zahntechniker, ***** beide vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei ***** GEBIETSKRANKENKASSE, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt*****, wegen Feststellung (Streitwert 500.000,-- S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 1990, GZ 12 Ra 83/90-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Juni 1990, GZ 18 Cga 71/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Es wird festgestellt, daß die von den klagenden Parteien unterfertigte Vereinbarung laut Schreiben der beklagten Partei vom 27. September 1984, mit der sich die klagenden Parteien zur Erbringung einer Tagesleistung von 2,6 Einheiten verpflichteten und der beklagten Partei das Recht eingeräumt wurde, die klagenden Parteien für den Fall der Nichterbringung dieser Tagesleistung allein unter Berufung auf diese Vereinbarung zu versetzen, rechtsunwirksam ist.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 98.930,12 S bestimmten Prozeßkosten 1. und 2. Instanz (darin 13.200,-- S Barauslagen und 14.288,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 30.976,12 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 10.000,-- S Barauslagen und 3.496,02 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind als Zahntechniker bei der beklagten Partei angestellt. Für ihre Dienstverhältnisse gilt die Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (im folgenden: DOA). Anläßlich eines Verfahrens über die Anfechtung der von der beklagten Partei zum 31. Dezember 1984 ausgesprochenen Kündigung der beiden Kläger (und sieben weiterer Zahntechniker) schlossen die Streitteile (der Betriebsrat der Angestellten der beklagten Partei und die beklagte Partei) unter Beitritt der gekündigten Dienstnehmer - darunter auch der beiden Kläger - folgenden Vergleich vor dem Einigungsamt Salzburg:

"1. Die gekündigten Dienstnehmer verpflichten sich, jeder einzeln für sich, ab 1. Oktober 1984 mindestens 2,6 Einheiten durchschnittlich pro Arbeitstag zu leisten. Sie verpflichten sich ferner, dann mindestens drei Einheiten im Durchschnitt pro Arbeitstag zu erbringen, wenn die ***** GEBIETSKRANKENKASSE die räumlichen und personellen Voraussetzungen schafft (1 Hilfskraft pro 3 Zahntechniker). Wer diese Mindestnorm durch längere Zeit als ein halbes Jahr im Durchschnitt nicht erbringt, stimmt hiemit einer vertragsändernden Versetzung in den Verwaltungsdienst auf einen freiwerdenden Posten, der nicht über der Gehaltsgruppe C/II DOA liegt, zu.

Die Einheit bestimmt sich nach dem Leistungsschema der Zahntechnik S*****, welches wie folgt lautet:

eine totale Prothese 1,00 Einheit

eine partielle Prothese 1,00 Einheit

eine Stahlprothese - Fertigstellung 1,00 Einheit

eine Klammer 1,00 Einheit

eine Doppelarmklammer 0,15 Einheit

eine Bügeleinlage 0,20 Einheit

ein Bügel freiliegend 0,40 Einheit

ein Funktionslöffel 0,20 Einheit

Reparatur

a) Reparatur gesprungener oder gebrochener Platten,

Wiederbefestigung je Zahn und Klammer 0,15 Einheit

b) Ersatz eines Zahnes oder einer Klammer, Erweiterung um einen

Zahn, Anbringung eines Saugers, künstliches Zahnfleisch ergänzen

(Teilunterfütterung) 0,25 Einheit

c) Leistungen gemäß a) und b) gemeinsam bzw. zwei Leistungen

gemäß a) oder b) 0,40 Einheit

d) mehr als zwei Leistungen (Einheiten) wie vorstehend, totale

Unterfütterung eines partiellen Zahnersatzstückes (Obturator)

0,50 Einheit

e) totale Unterfütterung totaler Zahnersatzstücke

0,60 Einheit

2. Der Antragsteller erklärt, soweit ihm ein Zustimmungsrecht zukommt, hinsichtlich jedes einzelnen der gekündigten Dienstnehmer seine Zustimmung zu den im Punkt 1. dieses Vergleiches getroffenen Vereinbarungen.

3. Festgestellt wird, daß die gekündigten Dienstnehmer die beim Arbeitsgericht Salzburg gegen die Antragsgegnerin eingebrachten Klagen auf Zahlung von Bezugsdifferenzen im Zusammenhang mit der Dienstanweisung Nr. 23/80 der Antragsgegerin unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen haben.

4. Die Antragsgegnerin zieht hiemit die gegenüber den gekündigten Dienstnehmern ausgesprochenen Kündigungen zurück.

5. Der Antragsteller zieht hiemit die Anfechtung vom 17. August 1984 zurück."

Die Kläger begehren die Feststellung, daß diese Vereinbarung nicht rechtsverbindlich sei, die Kläger nicht verpflichtet seien, die von der beklagten Partei ihnen gegenüber festgesetzte Tagespflichtleistung von 2,6 Einheiten zu erbringen und die beklagte Partei nicht berechtigt sei, die Kläger für den Fall der Nichterbringung dieser Tagesleistung allein unter Berufung auf diese Vereinbarung zu versetzen. Die beklagte Partei beabsichtige, die Kläger wegen geringfügiger Unterschreitung der vereinbarten Pflichtleistung zu versetzen. Die Vereinbarung sei unwirksam, weil sie unter existentiellem Druck quasi als Gegenleistung für die Rücknahme der Kündigungen durch die beklagte Partei zustande gekommen sei und dem Wesen des nicht auf Erbringung eines bestimmten Arbeitserfolges gerichteten Arbeitsvertrages widerspreche. Die Kläger könnten den Arbeitsanfall nicht selbst bestimmen, sondern seien darauf angewiesen, daß ihnen laufend Tätigkeiten zugewiesen werden; sie könnten daher für eine Minderleistung nicht verantwortlich gemacht werden. Die Vereinbarung stelle die Kläger ungünstiger als § 8 Abs 1 DOA, wonach sie nur verpflichtet seien, die Interessen und das Ansehen des Versicherungsträgers zu wahren und zu fördern, ihren Dienst gewissenhaft und pünktlich zu versehen sowie den dienstlichen Weisungen ihrer Vorgesetzten nachzukommen. Die vereinbarte Versetzung für den Fall der Nichterbringung der Pflichtleistung verstoße gegen die im ArbVG festgelegten Rechte des Betriebsrates. Schließlich widerspreche die getroffene Vereinbarung dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weil im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung unkündbare Zahntechniker zu einer solchen Leistungsfestsetzung nicht gezwungen werden konnten und der Zahntechniker K***** C***** zwar die Vereinbarung unterfertigt habe, sie aber nicht zuhalten müsse, weil er mittlerweile zum "Chefzahntechniker" ernannt worden sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Vereinbarung sei wirksam; ein Feststellungsinteresse der Kläger werde bestritten, weil diese im Falle der Versetzung ohnehin rechtliche Abwehrmöglichkeiten hätten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß es dem Arbeitgeber freistehe, den Arbeitnehmer zwischen einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und einer Kündigung wählen zu lassen; der auf die Kläger bei Zustandekommen der Vereinbarung ausgeübte Druck sei daher nicht rechtswidrig gewesen. Was die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung der Kläger betreffe, seien die Kläger zu einer Anfechtung nicht legitimiert. Schließlich sei es zulässig, arbeitsvertraglich auch den Umfang der Arbeitspflicht zu vereinbaren.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß auch die Vereinbarung eines bestimmten Arbeitserfolges zulässig sei; wie Akkordlohnvereinbarungen zeigten, sei ein Zusammenhang zwischen einem bestimmten Arbeitserfolg und der Entlohnung dem Arbeitsrecht nicht fremd. In der DOA würden die Dienste des Arbeitnehmers nicht konkretisiert, so daß Raum für die Vereinbarung einer konkreten Mengenleistung bleibe. Auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz habe die beklagte Partei nicht verstoßen, da sie gegenüber den unkündbaren Zahntechnikern die Vereinbarung nicht habe durchsetzen können; die behauptete Sonderstellung des Zahntechnikers K***** C***** sei für diese Frage ohne Bedeutung, weil auch durch eine sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung eines einzelnen Arbeitnehmers der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt werde. Die Festlegung neuer Bedingungen im Zuge eines Kündigungsanfechtungsverfahrens entspreche der Situation im Falle einer Änderungskündigung; eine unzulässige Druckausübung durch den Arbeitgeber sei daher zu verneinen. Ob die Versetzung im Einzelfall gerechtfertigt sei und ob dabei das erforderliche arbeitsverfassungsrechtliche Verfahren eingehalten werde, sei nicht Gegenstand des vorliegenden, auf die abstrakte Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung gerichteten Begehrens.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wurde rechtskräftig als verspätet zurückgewiesen.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung SZ 57/1 = DRdA 1985, 389 (zustimmend Csebrenyak) unter Berufung auf Firlei, DRdA 1979, 226 ff (227) und Söllner, Der Umfang der Arbeitspflicht beim Zeitlohn, in Tomandl, Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht, 92 ff (103, 104 und 106) mit ausführlicher Begründung, auf die hiemit verwiesen wird, ausgesprochen hat, schuldet der Arbeitnehmer eine auf Zeit abgestellte Arbeitsleistung, nicht aber einen bestimmten Erfolg seiner Arbeitsleistung. Der Umfang seiner Leistungspflicht bestimmt sich nicht nach einem vorgegebenen quantitativen "Soll".

Die Zeit und nicht die Menge ist das Maß der vom Arbeitnehmer

geschuldeten Leistung. Der vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer

geschuldete Zeitlohn steht daher mit der Arbeitszeit und nicht

mit dem Quantum der konkreten Arbeitsverrichtungen in einem

synallagmatischen Zusammenhang. Der Arbeitnehmer schuldet "ein

Wirken" aber kein "Werk". Der Arbeitnehmer befindet sich - anders

als der Werkunternehmer - in einem persönlichen

Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber und hat dessen Weisungen

in bezug auf die Arbeit Folge zu leisten. Die setzt aber voraus,

daß Dienste und kein Werk geschuldet werden. Denn wer ein Werk,

also den Erfolg der Arbeit, schuldet, muß die Art und Weise, wie

dieser Erfolg zustande kommen soll, im allgemeinen selbst zu

bestimmen haben, weil er andernfalls eine Gewähr für dessen

Herbeiführung nicht übernehmen könnte (siehe Hueck-Nipperdey,

Lehrbuch des Arbeitsrechtes I7 135; Schaub,

Arbeitsrechtshandbuch6, 114 f). Der Umstand, daß auch bei

Akkordentlohnung eine Normalleistung zugrundegelegt wird, spricht

nicht dafür, diesen bloß lohnrechtlichen Bezugspunkt auch für den

Inhalt der Arbeitspflicht zu übernehmen (siehe Söllner aaO, 104).

Zieht man im vorliegenden Fall auch noch in Betracht, daß die als

Kollektivvertrag zu wertende DOA (siehe Arb 10.241 = DRdA 1985,

294 (M. Binder) = ZAS 1984, 103 (Holzer); Arb 10.451; zuletzt

9 Ob A 284/88) in § 8 Abs 1 "Der Angestellte .... ist

verpflichtet, .... seinen Dienst gewissenhaft und pünktlich zu

versehen sowie den dienstlichen Weisungen seiner Vorgesetzten

nachzukommen", die Arbeitnehmer der beklagten Partei nicht zu

einem bestimmten Arbeitserfolg, sondern lediglich zu

gewissenhafter Arbeit innerhalb der vorgeschriebenen Arbeitszeit

verpflichtet, verstieß die Vereinbarung einer Mindestleistung

nicht nur gegen das oben dargestellte Wesen des Arbeitsvertrages

(siehe auch Csebrenyak aaO, 393), sondern wurden die Kläger durch

die Vereinbarung einer bestimmten, von der jeweiligen

individuellen Leistungsfähigkeit unabhängigen Mindestleistung

gegenüber der Regelung ihrer Arbeitspflicht in der DOA schlechter

gestellt. Eine Verschlechterung der Position der Kläger ergibt

sich auch dann, wenn die vertragliche Festlegung einer

Mindestleistung nur dazu führt, daß nicht der Arbeitgeber zu

beweisen hat, daß sich der Arbeitnehmer nicht ausreichend um die

Erbringung einer entsprechenden Arbeitsleistung bemüht hat,

sondern den Arbeitnehmer die Beweislast dafür trifft, daß er ohne

sein Verschulden an der Erbringung der vereinbarten

Mindestarbeitsleistung verhindert war (§ 1298 ABGB). Die gegenständliche Vereinbarung verstößt daher nicht nur gegen das Wesen des vom Arbeitnehmer in persönlicher Abhängigkeit zu erfüllenden Arbeitsvertrages, sondern auch gegen das in § 3 ArbVG normierte Günstigkeitsprinzip. Schließlich ist den Revisionswerbern darin beizupflichten, daß die im Rahmen der gegenständlichen Vereinbarung im voraus erteilte generelle Zustimmung des Betriebsrates zu einer allfälligen Versetzung der Kläger mit § 101 ArbVG unvereinbar ist.

Der Umstand, daß der Arbeitnehmer nicht zur Erbringung eines bestimmten Arbeitserfolges verpflichtet ist, bedeutet aber nicht, daß zwischen der vom Arbeitnehmer zeitmäßig geschuldeten Arbeitsleistung und dem Arbeitserfolg kein Zusammenhang bestünde. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 57/1 = DRdA 1985, 389 ausgesprochen hat, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten aufzubieten und die Arbeit so zu leisten, wie er sie ohne Schädigung seiner Gesundheit auf die Dauer nach seinem individuellen Leistungsvermögen unter Bedachtnahme auf die betrieblichen Gegebenheiten erbringen kann. Erbringt der Arbeitnehmer die ihm individuell zumutbare Leistung aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht, hält er sie daher zurück, dann ist dies als Arbeitsverweigerung zu qualifizieren (siehe Söllner aaO 103 f und die dort wiedergegebene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes; Csebrenyak aaO, 394 f).

Da mit der gegenständlichen Vereinbarung wesentliche Pflichten der Kläger im Rahmen der zwischen den Streitteilen bestehenden Arbeitsverhältnisse festgelegt und ihre Rechte verletzt wurden, ist das Interesse der Kläger an der alsbaldigen Feststellung der Unwirksamkeit dieser Vereinbarung jedenfalls dann zu bejahen, wenn die beklagte Partei - wie sie dies einräumte - die als Sanktion für die Nichterbringung der Mindestleistung vereinbarten - im übrigen vertragsändernde - Versetzung auch nur in Aussicht stellte.

Der Revision war daher Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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