Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß, der im ersten Absatz als nicht bekämpft unberührt bleibt, wird im zweiten Absatz aufgehoben; dem Erstgericht wird in diesem Umfang eine neue Entscheidung aufgetragen.
Text
Begründung
Mit dem nur teilweise angefochtenen Beschluß des Erstgerichtes (die Abweisung aller Anträge gegen einen weiteren Antragsgegner blieb unbekämpft) wies das Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien den Antrag des *****verbandes ***** auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die S*****-Automobil-Vertriebgesellschaft mbH ab, zur Sicherung des Anspruches auf Untersagung des behaupteten Mißbrauches einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin für die Dauer des Rechtsstreites zu verbieten, a) unter Hinweis auf bevorstehende Gesetzesänderungen insbesondere Steuersenkungen, Preisherabsetzungen von *****Modellen Konsumenten gegenüber anzukündigen, wenn diese in der Werbung herausgestrichenen Preisherabsetzungen von den Vertragshändlern im Rahmen ihrer Wiederverkaufsspanne getragen werden müssen; hilfsweise:
unangemessene Einkaufs- und/oder Verkaufspreise von Vertragshändlern zu erzwingen, und b) zusätzliche Wiederverkaufsrabatte an Vertragshändler ohne sachliche Rechtfertigung einzuräumen, insbesondere wenn es sich dabei um eigene Tochterunternehmungen handelt. Das Erstgericht begründete die Abweisung dieses Antrages auf einstweilige Verfügung ohne Prüfung der materiellen Berechtigung nur damit, daß die in § 52 Abs 2 KartG 1988 geforderte Gefahr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens für die durch dieses Gesetz geschützten Interessen nicht einmal schlüssig behauptet worden sei. Die Behauptung des Antragstellers, daß durch die Durchführung und Ankündigung der strittigen Aktion den *****Vertragshändlern ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstehe, sei nicht ausreichend, weil nach der Rechtsprechung ein Schaden nur dann unwiederbringlich sei, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist oder Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist. Überdies berufe sich der Antragsteller bloß auf die Gefahr eines Schadens für die *****Vertragshändler; Schutzobjekt der Mißbrauchsaufsicht im Sinne der §§ 34 ff KartG sei aber nicht das Interesse von Einzelpersonen, sondern der Gesamtwirtschaft. Eine solche Gefährdung sei nicht behauptet worden.
Der Rekurs des Antragstellers ist berechtigt.
Der Rekurswerber hat seinen Untersagungsantrag einerseits darauf gestützt, daß die Antragsgegnerin ihre Marktmacht als Generalimporteur von *****Kraftfahrzeugen zugunsten der eigenen Vertriebstöchter und zu Lasten der übrigen Vertragshändler auszunützen und so entscheidende Marktanteile zu gewinnen versuche, und andererseits den Letztkäufern im Rahmen einer Werbeaktion Preissenkungen anbiete, die den Vertragshändlern und damit besonders jenen Händlern zur Last fallen, die nicht durch die erstgenannte Aktion besonders begünstigt würden. Dieses Vorbringen zur Hauptsache kann nicht von vornherein als unschlüssig angesehen werden, so daß der zu sichernde Anspruch einer Bescheinigung zugänglich ist.
Seinen Antrag auf einstweilige Verfügung zur Sicherung dieses Anspruchs hat der Rekurswerber unter Wiederholung seines gesamten Vorbringens und Berufung auf Bescheinigungsmittel mit dem weiteren Hinweis begründet, daß durch die Durchführung und Ankündigung der gegenständlichen Aktion den *****Vertragshändlern ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstehe. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes ist auch diese Behauptung ausreichend und nicht unschlüssig:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 52 Abs 2 KartG 1988 hat das Kartellgericht auf Antrag einer Partei den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (§§ 35 und 36) durch einstweilige Verfügung zu untersagen, soweit....die Gefahr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens "für die durch dieses Gesetz geschützten Interessen bescheinigt" ist. Die Rechtfertigung dafür, daß bestimmte Verhaltensweisen eines marktbeherrschenden Unternehmers vom Kartellgericht als Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung untersagt werden können, liegt darin, daß eben gerade diese Stellung dem Unternehmer ein solches Verhalten ermöglicht, während ein Unternehmer, dem diese Stellung nicht zukommt, schon durch das Vorhandensein ausreichenden Wettbewerbs an einem solchen Verhalten gehindert wird: Die Untersagungsbefugnis des Kartellgerichts soll also den Mangel an Wettbewerb ausgleichen (RV 633 BlgNR 17.GP 31). Beeinträchtigungen des Wettbewerbs sollen auf der Ebene des Marktbeherrschers bzw der gegenüberliegenden Wirtschaftsstufe ebenso hintangehalten werden wie Störungen der Marktgerechtigkeit im Verhältnis zu den Abnehmern (Lieferanten); Koppensteiner, Wettbewerbsrecht I2 241 ff. Die Mißbrauchsaufsicht dient vor allem der Verhinderung der wirtschaftlichen Ausbeutung der Marktgegenseite (Hanreich in Wenger, Grundriß des österreichischen Wirtschaftsrechts II 2 Rz 52 mwN). Sie hat die Aufgabe, den Gefahren der Benachteiligung der Interessen anderer Marktteilnehmer zu begegnen (Gugerbauer, Kartellrecht 92). Im einzelnen kann der Mißbrauch nach der Aufzählung in § 35 KartG insbesondere in der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen (Z 1) und der Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen (Z 3) bestehen. Solche Formen des Marktmißbrauches gefährden nach dem Wortlaut und dem erkennbaren Zweck des Gesetzes die dadurch geschützten Interessen, weil der gesamte Wettbewerb durch den Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung verzerrt wird. Demnach stehen zwar nicht geradezu Einzelinteressen anderer Marktteilnehmer im Vordergrund, wohl aber dient die Mißbrauchsaufsicht auch ihrem Schutz, soweit der Wettbewerb gestört wird.
Daß sich hier der Antragsteller im besonderen auf den Schaden berufen hat, der den durch beide behaupteten Aktionen benachteiligten Vertragshändlern entsteht, schadet nicht; denn einerseits ist die ganze überwiegende Gruppe dieser Vertragshändler nach den Antragsbehauptungen durch die nicht sachlich gerechtfertigte Begünstigung einer kleinen Gruppe der Tochterunternehmungen benachteiligt; andererseits kann aber auch der lautere Wettbewerb mit den Händlern anderer Automarken beeinträchtigt werden, wenn ein Generalimporteur Preissenkungsaktionen zu Lasten der Vertragshändler vornimmt.
Im grundsätzlichen ist zwar auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes richtig, daß ein unwiederbringlicher Schaden nach der Judikatur zu § 381 EO im Falle möglichen Geldersatzes nur droht, wenn ein solcher Ersatz entweder (etwa infolge Zahlungsunfähigkeit des Schädigers) nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (SZ 49/11 uva). Das Kartellobergericht hat aber schon in anderem Zusammenhang (in einem Fall des § 7 Abs 4 NVG) betont, daß nach der Natur der Sache der Schaden, der gesetzestreuen Mitbewerbern auf dem Markt (dort durch verpönte Verkäufe zum oder unter dem Einstandspreis) entsteht, der Höhe nach kaum abschätzbar ist und deshalb nicht nachträglich in Geld voll ausgeglichen werden kann; der unwiederbringliche Schaden aus einer Fortsetzung verbotener aggressiver Preismethoden bedürfe dann aber (vgl JBl 1985, 423) in der Regel keiner besonderen Bescheinigung (Okt 1/89 = WBl 1990, 49 = ÖBl 1989, 179). An dieser Rechtsansicht ist auch für den vorliegenden Fall festzuhalten. Zweck des Gesetzes ist auch hier die Sicherung eines wirksamen Wettbewerbs, wobei fraglich ist, ob er nach seiner Zerstörung überhaupt in Geld bewertet und abgegolten werden kann; mindestens aber ist der völlig adäquate Geldersatz auszuschließen, weil im nachhinein die Konkurrenten (hier die benachteiligten Vertragshändler, aber auch andere Autohandelsunternehmer) ihren Schaden nicht einmal so weit objektiv beziffern können, daß eine Quantitätsschätzung nach § 273 ZPO erfolgreich erscheint (vgl Prunbauer, MuR 1989, 82 f). Unrichtig ist die Behauptung der Antragsgegnerin, die Judikatur zu § 7 NVG sei nicht vergleichsweise heranzuziehen: Nach der RV entspricht § 52 Abs 2 KartG der Regelung des § 7, 4 NVG.
Auch die Berufung auf Gugerbauer aaO 113, daß mit einer einstweiligen Verfügung kein Vorgriff auf die Endentscheidung erlaubt sei, ist unzutreffend; auch nach seiner Ansicht darf das Gericht bloß nicht über den gestellten Antrag hinausgehen, und durch die vorläufige Untersagung wird der endgültigen Entscheidung "selbstverständlich" nicht vorgegriffen. Die EV kann daher (s Gesetzestext) die Untersagung im vollen Umfang vorläufig anordnen.
Der vom Erstgericht herangezogene Abweisungsgrund liegt somit nicht vor; das Verfahren erster Instanz ist ergänzungsbedürftig.
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