Spruch:
1.) Die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei wird in ***** Gesellschaft mbH, ***** richtiggestellt.
2.) Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben. Die erst- und zweitbeklagte Partei sind jeweils schuldig, der klagenden Partei die mit jeweils 9.518,40 S (darin jeweils 1.586,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Ad 1.): Die Richtigstellung der Bezeichnung der zweitbeklagten Partei von ***** Gesellschaft mbH in ***** Gesellschaft mbH erfolgt entsprechend dem derzeitigen Firmenwortlaut der zweitbeklagten Partei (7 HRB 40.910 ex 7 HRB 36.378 des Firmenbuches beim Handelsgericht Wien), wie die zweitbeklagte Partei bereits in ihrer Klagebeantwortung ON 6 vorgetragen hat.
Ad 2.): Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Mödling, der Erstbeklagte Mehrheitseigentümer der angrenzenden Liegenschaft, auf der (und einigen Nachbarliegenschaften) die zweitbeklagte Partei eine Reihenhausanlage errichtet. Nach dem Vorbringen der Klägerin bereitet die drittbeklagte Partei Bauvorhaben vor, organisiert sie und stellt die hiezu erforderlichen Mittel zur Verfügung.
Die Klägerin begehrte von den beklagten Parteien mit dem wesentlichen Vorbringen, die Beklagten hätten in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken, ohne die Klägerin um Erlaubnis zu fragen, deren Liegenschaft zur Lagerung von Baumaterial und Erdaushub und für die Zufahrt zur Baustelle verwendet und dadurch den als Weingarten verwendeten Teil der klägerischen Liegenschaft schwer beschädigt, die Humusschicht vernichtet und die Ackerkrume beseitigt, zuletzt die Bezahlung von a) 127.890 S sA als angemessenes Benützungsentgelt und von b) 74.000 S sA für die Wiederherstellung des bisherigen Zustandes.
Die beklagten Parteien wendeten unter anderem die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein. Nach § 25 NöBO sei die Höhe der Entschädigung vorerst durch die Baubehörde festzusetzen. Eine Inanspruchnahme der Liegenschaft der Klägerin iS des § 25 NöBO liege vor; darunter sei jede Benützung einer fremden Liegenschaft zu verstehen, egal, ob sie vom Eigentümer geduldet, von der Baubehörde vorgeschrieben oder gegen den Willen des Eigentümers ohne Einschaltung der Baubehörde vorgenommen worden sei.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Ob eine Rechtssache vor ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde gehöre, richte sich in erster Linie nach der positiven Anordnung des Gesetzes. Für die Entscheidung über die Höhe einer Entschädigung nach einer Inanspruchnahme von fremden Grundstücken iS des § 25 NöBO sei die Baubehörde zuständig. Aus dem systematischen Zusammenhang des § 25 NöBO ergebe sich, daß mit "Inanspruchnahme" jede Benützung benachbarter Grundstücke iS des § 25 Abs 1 NöBO gemeint sei, gleichgültig, ob sie im Einzelfall durch den Eigentümer geduldet worden sei, sich der Eigentümer fremdem Willen gebeugt habe, die Duldungspflicht gemäß § 25 Abs 2 NöBO durch die Baubehörde vorgeschrieben, der widerstrebende Wille für rechtlich unbeachtlich erklärt oder die Benützung gegen den Willen des Eigentümers ohne Einschaltung der Baubehörde getätigt worden sei. Der Landesgesetzgeber habe die Zuständigkeit der Baubehörde für die Festsetzung des Entschädigungsbetrages gemäß § 25 Abs 6 NöBO offensichtlich aus der Überlegung, daß die Baubehörde als Spezialbehörde, die ohnehin qualifizierte Fachleute des Bauwesens als Amtssachverständige heranziehe, in fachlicher Hinsicht den Entschädiguungsbetrag besser (und rascher) bestimmen könne als das Gericht. Die Zuständigkeit der Baubehörde finde ihre Rechtfertigung sohin im Spezialistentum für Bauangelegenheiten. Die Baubehörde hätte die Entschädigung für die Inanspruchnahme festzusetzen, wogegen den von der Entscheidung betroffenen Nachbarn die Möglichkeit offenstehe, binnen drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides beim örtlich zuständigen Bezirksgericht ihre Neufestsetzung zu begehren.
Das Rekursgericht verwarf über Rekurs der Klägerin die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Die Kompetenz der Baubehörde nach § 25 Abs 6 NöBO erstrecke sich nur auf die Festsetzung einer Entschädigung für eine vom Grundeigentümer geduldete (§ 25 Abs 1 NöBO) oder von der Baubehörde erlaubte (§ 25 Abs 2 NöBO) Inanspruchnahme eines fremden Grundstücks.
Die Revisionsrekurse der erst- und zweitbeklagten Partei sind nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches an (SZ 62/108; JBl. 1988, 594; SZ 58/156 = JBl 1986, 803 je mwN; zuletzt 4 Ob 505/91 ua). Danach richtet sich, ob ein privatrechtlicher Anspruch iS des § 1 JN erhoben wird, über den die Zivilgerichte - hier im streitigen Verfahren - zu entscheiden haben (JBl 1988, 594; SZ 58/156; JBl 1986, 441 = RZ 1985/78 ua; Fasching I 62 f und Lehrbuch2, Rz 101). Ohne Einfluß ist hingegen, was der Beklagte einwendet (ZVR 1987/42; SZ 58/156; SZ 50/18, jeweils mwN ua). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin mit den Kosten der Wiederherstellung ihres Weingartens einen grundsäützlich privatrechtlichen, in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden (VfSlg 11.263, 10.045, 6.512, jeweils mwN ua) Schadenersatzanspruch geltend, und mit der begehrten Leistung von Benützungsentgelt für Ablagerungen auf ihrem Grundstück einen aus der behaupteten rechtsgrundlosen Benützung einer fremden Sache abgeleiteten Verwendungsanspruch (SZ 55/37; MietSlg 27.139; JBl 1973, 257; Rummel in Rummel2, § 1041 ABGB Rz 15), somit gleichfalls einen privatrechtlichen Anspruch.
Zu prüfen bleibt, ob vom Gesetzgeber ausnahmsweise die Entscheidung über die von der Klägerin erhobenen bürgerlich-rechtlichen Ansprüche den ordentlichen Gerichten entzogen und ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wurde (JBl 1987, 791 mwN; SZ 56/33, SZ 45/95 = EvBl 1973/5). Immer dann, wenn von der Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über bürgerliche Rechtssachen (§ 1 JN) eine Ausnahme geschaffen werden soll, muß dies in dem hiefür erforderlichen "besonderen Gesetz" klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig. Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher oder unzweifelhaft schlüssiger anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden (JBl 1991, 53 mwN; SZ 59/107; zuletzt 4 Ob 505/91). Nach § 25 Abs 1 NöBO idgF - im Abschnitt IV der NöBO "Sonstige Beschränkungen des Eigentumsrechtes" - haben Eigentümer benachbarter Grundstücke das Betreten und die
vorübergehende Benützung ihrer Grundstücke......zur Durchführung
von Vorhaben..... zu dulden, wenn diese Arbeiten auf andere Weise
nicht oder nur unter unzumutbar hohen Kosten durchgeführt werden können. § 24 Abs 12 gilt sinngemäß. Wird die Inanspruchnahme verweigert, hat die Baubehörde über Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung fremden Eigentums zu entscheiden (§ 25 Abs 2 NöBO). Nach Beendigung der Inanspruhnahme ist der frühere Zustand herzustellen und der Schaden, der trotz der Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht beseitigt werden konnte, von jenem zu ersetzen, zu dessen Gunsten die Inanspruchnahme erfolgte (§ 25 Abs 4 NöBO). Die Höhe der Entschädigung nach einer der vorstehenden Bestimmungen ist vorerst durch die Baubehörde festzusetzen. Dagegen ist keine Berufung zulässig, doch kann sowohl der Verpflichtete, als auch der zu Entschädigende binnen drei Monaten nach dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides beim örtlich zuständigen Bezirksgericht ihre Neufestsetzung begehren. Mit dem Einlangen eines solchen Antrages bei Gericht tritt die Festsetzung der Höhe der Entschädigung durch die Baubehörde außer Kraft. Für das gerichtliche Verfahren sind die Bestimmungen des EisenbahnenteignungsG 1954 sinngemäß anzuwenden (§ 25 Abs 6 NöBO).
Eine Rechsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Verhältnis von § 1 JN zu § 25 NöBO liegt - soweit überschaubar - bisher nicht vor.
Die Festsetzung einer Entschädigung durch die Baubehörde nach § 25 Abs 6 NöBO setzt entsprechend der Wendung "nach den vorstehenden Bestimmungen" und nach dem Aufbau dieser Regelung voraus, daß vorerst der, der für einen Bau fremden Grund benützen will, an die Baubehörde herantritt, ihm die Inanspruchnahme der Benützung fremden Grundes zu bewilligen, weil eine einvernehmliche Regelung (".....wird die Inanspruchnahme verweigert....") mit dem Eigentümer des fremden Grundes - der nach § 24 Abs 12 NöBO, auf den § 25 Abs 1 letzter Satz NöBO verweist, mindestens vier Wochen vor der Inanspruchnahme seines Grundstückes.....zu verständigen ist - nicht zustandekam. Nun erst ist es an der Baubehörde, Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung des fremden Grundes zu prüfen und durch einen mit Rechtsmitteln anfechtbaren Bescheid (Hauer-Zaussinger, Die Bauordnung für Niederösterreich, § 25 Anm 3) festzulegen. Als Folge dieser bescheidmäßigen Festlegung hat die Behörde dann, falls ein entsprechender Antrag gestellt wird, eine "Entschädigung", somit ein Entgelt (Krzizek, Das öffentliche Nachbarrecht, 179) festzusetzen. Ohne diese notwendige Verbindung zwischen bescheidmäßiger Entscheidung der Baubehörde in einem Verwaltungsverfahren über Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung fremden Eigentums einerseits mit der bescheidmäßigen Entscheidung über die Höhe der Entschädigung für diese Benützung andererseits wäre dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, daß zivilrechtliche Bestimmungen in einem Landesgesetz (Art 15 Abs 9 B-VG) nur zulässig sind, sofern sie "in einer unerläßlichen Verbindung mit anderen Bestimmungen stehen, die den Hauptinhalt des Gesetzes bilden", wofür ein rechtstechnischer Zusammenhang mit der im Landesgesetz - hier eine Bauordnung - getroffenen verwaltungsrechtlichen Regelung erforderlich ist (OGH EvBl 1989/111, ZVR 1977/33, 6 Ob 563/83; VfGH VfSlg 10.097, 9906, 8989 ua; Walter-Mayer, Grundriß des österr. Bundesverfassungsrechtes6 Rz 270), nicht entsprochen. Die Rechtsordnung ist aber als Einheit anzusehen und scheinbare Antinomien sind nach Möglichkeit durch Auslegung zu beseitigen, Gesetze daher im Zweifel verfassungskonform auszulegen. § 25 NöBO enthält bei verfassungskonformer Auslegung keine ausdrückliche oder unzweifelhaft schlüssige (JBl 1991, 53 mwN) Regelung, daß die Baubehörde auf jeden Fall, auch wenn sie nicht über die Benützung des fremden Grundstückes im Zuge eines Baues zu entscheiden hatte, über Schadenersatz- oder Verwendungsansprüche von Grundeigentümern Entscheidungen zu treffen hätte. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß von einer der Parteien die Einleitung eines Verwaltungsverfahens nach § 25 NöBO bei der Baubehörde beantragt worden wäre, sondern im Gegenteil, daß die Beklagten das Grundstück der Klägerin eigenmächtig und rechtswidrig befahren und beschädigt hätten. § 25 NöBO ist daher hier kein Hindernis für eine Behandlung der Klagsansprüche im ordentlichen Rechtsweg. Ob die Kompetenz der Baubehörde zur Festsetzung der Entschädigung auch bei bloßer Duldung der Benützung des Grundstücks durch den Grundeigentümer (§ 25 Abs 1 NöBO) besteht, wie die zweite Instanz meint, kann hier mangels einer von der Klägerin behaupteten Zustimmung ungeprüft bleiben.
Demgemäß ist den Revisionsrekursen nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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