OGH 3Ob39/91

OGH3Ob39/918.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr. Angelika P*****, vertreten durch Dr. Richard Larcher und Dr. Erwin Markl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die verpflichteten Parteien

1. Theodor S*****, und 2. Helga S*****, beide ***** vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Räumung einer Wohnung, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 21. März 1991, GZ 2 a R 146/91-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 7.Feber 1991, GZ 4 C 1483/89 i-20, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der erstgerichtliche Beschluß insoweit wieder hergestellt, als die Aufschiebung der Exekution bis zur rechtskräftigen Erledigung des zu 4 C 46/91 v des Bezirksgerichtes Innsbruck anhängigen Rechtsstreites bewilligt wurde; die Wirksamkeit dieser Exekutionsaufschiebung aber davon abhängig gemacht, daß die verpflichteten Parteien den Erlag einer Sicherheit von S 100.000,- nachweisen.

Die verpflichteten Parteien sind schuldig, der betreibenden Partei die mit S 2.988,48 (darin S 498,08 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluß binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Die betreibende Partei ist schuldig, den verpflichteten Parteien die mit S 3.590,40 (darin S 598,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die betreibende Mit- und Wohnungseigentümerin der Liegenschaft in E***** hatte am 2.Oktober 1989 gegen ihre nun verpflichteten Eltern die Klage auf Räumung der Eigentumswohnung wegen titelloser Benützung erhoben. Die Eltern hatten eingewendet, sie hätten die Mittel zum Erwerb dieser Wohnung ihrer Tochter geschenkt, selbst als deutsche Staatsbürger die Wohnung nicht erwerben können, aber mit ihrer Tochter vereinbart, daß sie die Wohnung benützen und alle Kosten tragen. Die Tochter wieder trug vor, die Eltern seien mit den Zahlungen säumig, so daß sie als Wohnungseigentümerin und Kreditnehmerin in Anspruch genommen wurde und das Objekt veräußern müsse, weil sie nicht in der Lage sei, die finanziellen Lasten zu decken.

Am 29.Mai 1990 kam es zum Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches: Die Eltern verpflichteten sich, die Wohnung bis zum 31. Oktober 1990 zu räumen und bis 15.Juni 1990 S 110.000,- und weitere S 20.000,- an Kosten sowie in Teilbeträgen von monatlich S 5.000,- S 108.503,33 sA bei Terminsverlust zu bezahlen. Sie verzichteten auf jedweden Räumungsaufschub. Die Tochter wieder erklärte, vom Räumungstitel nur Gebrauch zu machen, wenn ihre Eltern trotz Mahnung und Ablauf einer Nachfrist von vier Wochen mit der Zahlung der genannten Beträge oder der von der Tochter aufgenommenen Kredite oder den auf die Wohnung entfallenden laufenden Bewirtschaftungskosten in Verzug sind, wobei das Bestehen eines exekutionshemmenden Umstandes von den Eltern zu beweisen sein sollte. Zugleich wurde eine Regelung getroffen, nach der die Tochter das Wohnungseigentumsobjekt gegen Abdeckung aller sie treffenden Verbindlichkeiten ohne weitere Gegenleistung an die Eltern oder eine von diesen namhaft gemachte Person zu veräußern und einen Überschuß an ihre Eltern abzuliefern hat. Die Eltern anerkannten, daß sie allein alle Kreditverbindlichkeiten und laufenden Bewirtschaftungskosten zu tragen und die Wohnung zu räumen haben, wenn die Tochter oder deren Ehemann insoweit zu irgendwelchen Zahlungen herangezogen werden.

Auf Antrag der Tochter bewilligte das Erstgericht ihr am 8. November 1990 die Exekution durch zwangsweise Räumung. Der Termin wurde für den 15.Jänner 1991 anberaumt.

Am 14.Jänner 1991 brachten die Verpflichteten eine auf die §§ 35 und 36 EO gestützte Klage ein, in der sie das Erlöschen des Räumungsanspruches, allenfalls die Unzulässigkeit der Exekutionsbewilligung geltend machen und unter anderem die Einwendung gegen den Anspruch und gegen die Exekutionsbewilligung vorbrachten, ihre die Exekution betreibende Tochter habe ihnen verbindlich zugesagt, mit einer Räumungsexekution zuzuwarten, bis geklärt sei, ob sie aus der Haftung für die Kredite entlassen werde. Dies stehe unmittelbar bevor. Mit dieser Klage haben die Verpflichteten den Antrag auf Aufschiebung der Räumungsexekution verbunden.

Das Erstgericht schob die Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Prozeß gegen Erlag einer Sicherheit von S 30.000,- auf. Es sei möglich, daß die betreibende Partei auf ihren Räumungsanspruch inzwischen verzichtet habe; die Gefährdung eines schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles sei bei der Räumungsexekution offenkundig; eine Sicherheit sei geboten, um den Mietausfall für eine mögliche Dauer des Verfahrens über die Einwendungen von sechs Monaten zu decken. Der Verzicht auf einen Räumungsaufschub beziehe sich nur auf die in Schutzgesetzen vorgesehenen Aufschiebungsmöglichkeiten, nicht aber auf die Aufschiebung nach § 42 Abs 1 Z 5 EO.

Das Rekursgericht wies über den Rekurs der betreibenden Partei den Aufschiebungsantrag der Verpflichteten ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Verpflichteten hätten im prozeßbeendigenden Vergleich auf "jedweden Räumungsaufschub" verzichtet und sich damit wirksam des Rechtes begeben, die Aufschiebung der Räumungsexekution zu erreichen. Eine Einschränkung ihres Verzichtes sei nicht erkennbar. Andere als die im § 42 EO vorgesehenen Gründe für einen Räumungsaufschub seien nach dem Inhalt des Prozeßaktes kaum in Betracht zu ziehen. Auch die Aufschiebung nach § 42 EO sei nicht zwingend, sondern in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes gestellt. Der Antrag auf Aufschiebung der Exekution sei schon wegen des im Titel erklärten Verzichtes abzuweisen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Verpflichteten haben sich in dem der Exekutionsbewilligung zugrunde liegenden Titel verpflichtet, die benützte Wohnung zu räumen, und auf "jedweden Räumungsaufschub" verzichtet. Daß sie mit den übernommenen Zahlungen in Rückstand gerieten und die schon im Vergleich vereinbarte Voraussetzung für die Räumungsexekution erfüllt ist, bestreiten sie nicht. Sie machen aber geltend, daß die betreibende Partei nach dem Vergleichsabschluß auf den Räumungsanspruch (§ 35 EO), zumindest aber auf die Einleitung der Räumungsexekution überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Zeit (§ 36 Abs 1 Z 3 EO) verzichtet habe. Soweit ein Recht nicht nach seiner Zweckbestimmung unverzichtbar ist oder das Gesetz einen Verzicht ausschließt, kann darauf verzichtet werden (SZ 41/33; SZ 52/57 ua), doch ist ein Verzicht im Zweifel einschränkend auszulegen (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 1440 mwN). Bei einem Verzicht auf künftige Rechte ist zu fordern, daß sich die Rechtsverhältnisse, auf die sich der Verzicht bezieht, schon von vorneherein übersehen lassen. Soweit dies nicht der Fall ist, bleibt der Verzicht unwirksam (Rummel aaO Rz 4 zu § 1440; EvBl 1979/221; EvBl 1984/124 = MietSlg 36.543/25 ua). Es kommt daher nicht darauf an, welcher Rechte sich die Verpflichteten durch ihren Verzicht auf "jedweden Räumungsaufschub" wirksam begeben konnten, und ob ihnen bei Vergleichsabschluß überhaupt eine Aufschiebungsmöglichkeit zustand, oder der Verzicht eine überflüssige Leerformel bedeutete. Daß sich ihr Verzicht auch auf den Fall beziehen sollte, daß der Räumungsanspruch später durch Erklärung der Anspruchsberechtigten (Verzicht) erlöschen oder die Vollstreckbarkeit verlieren sollte (Exekutionsverzicht oder Exekutionsstundung), kann nicht angenommen werden. Bei Vergleichsabschluß war diese Entwicklung nicht zu erwarten, weil sie erst durch eine nachfolgende, dem titulierten Anspruch entgegengesetzte Erklärung der betreibenden Partei eintreten konnte. Es ist daher dem Erstgericht und nicht dem Rekursgericht zu folgen und davon auszugehen, daß der Verzicht auf einen Räumungsaufschub in diesem Fall die Aufschiebung nach § 42 Abs 1 Z 5 EO nicht hindert.

Das Erstgericht hat auch zutreffend die Voraussetzungen für eine solche Aufschiebung angenommen. Es liegt eine der in den §§ 35 und 36 EO genannten Klagen vor, mit welchen gegen den Anspruch und gegen die Exekutionsbewilligung Einwendungen erhoben wurden. Es kann nicht ohne Vorgriff auf das Ergebnis dieses Prozesses vorweg gesagt werden, daß dieser von den Verpflichteten gesetzte Schritt aussichtslos oder sein Erfolg ganz unwahrscheinlich sei; der den Verpflichteten durch die Räumungsexekution drohende Vermögensnachteil ist offenkundig (MietSlg 40.837 uva).

Die Aufschiebung ist aber von einer entsprechenden Sicherheitsleistung der Antragsteller abhängig zu machen (§ 44 Abs 2 Z 1 und Z 3 EO). Dabei ist nach der besonderen Lage des Falles nicht davon auszugehen, welche möglichen Mieteinnahmen der betreibenden Partei durch die auf die Dauer des exekutionsrechtlichen Prozesses eintretende Verzögerung der Räumung der Wohnung entgehen, weil es hier darum geht, daß Gläubiger bei der betreibenden Partei Zugriff suchen, wenn die Verpflichteten die von ihnen übernommenen Zahlungen nicht pünktlich leisten. Der betreibenden Partei kann dadurch ein bedeutsamer Vermögensnachteil entstehen, der sich nicht bloß mit einem Ausfall an Mieteinnahmen veranschlagen läßt. Der Oberste Gerichtshof hält daher eine Erhöhung der Sicherheitsleistung für geboten, die von der betreibenden Partei in ihrem Rekurs gegen die erstgerichtliche Exekutionsaufschiebung als Eventualantrag auch angestrebt wurde, nicht aber in der von ihr begehrten Höhe.

Da die betreibende Partei mit ihrem Rekurs eine Erhöhung der Sicherheit erreichte, haben ihr die Verpflichteten die Rekurskosten nach § 74 EO zu ersetzen. Sie hat ihrerseits den Verpflichteten nach § 78 EO und den §§ 41 und 50 ZPO die Kosten des im Aufschiebungsbegehren erfolgreichen Revisionsrekurses zu ersetzen.

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