Spruch:
Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.299,76 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.216,63 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Verletzte machte gegen die beklagten Partein ein ziffernmäßig bestimmtes Schmerzengeld gerichtlich geltend. Der Erbe der Verletzten dehnte nach deren Ableben und nach Vorliegen der Sachverständigengutachten über Dauer und Grad der Schmerzen das Begehren aus. Strittig ist, ob die Vererblichkeit des Schmerzengeldanspruchs auf jenen Betrag beschränkt ist, den der Verletzte ziffernmäßig gerichtlich geltend machte.
Rechtliche Beurteilung
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Schmerzengeld nach § 1325 ABGB nur dann vererblich, wenn es zu Lebzeiten des Verletzten durch Vertrag (Vergleich) anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden ist (JB 204; JBl 1965, 33; SZ 19/293 ua). Zur gebotenen Bestimmtheit und Genauigkeit des vom Gesetz geforderten Verlangens nach Schmerzengeld wurde ein ziffernmäßiges Begehren als (selbstverständlich) erforderlich angesehen (JB 204;
JBl 1962, 560). Der Oberste Gerichtshof hat an seiner Rechtsansicht auch nach der Novellierung der §§ 290 und 293 EO und nach der EKHG-Novelle 1968 festgehalten (ZVR 1983/327;
SZ 54/25; SZ 19/293). Nach der Lehre ist insbesondere in wertungsmäßiger Einheit mit den §§ 12, 13 EKHG und den §§ 12, 13 AtomHG keine Willenserklärung des Verletzten für das Entstehen des Schmerzengeldanspruchs erforderlich und dieser daher auch unabhängig von jener vererblich (Koziol Haftpflichtrecht2 II 142; Reischauer in Rummel ABGB Rz 51 zu § 1325 je mwN; Jelinek in JBl 1977 1 f). Das Berufungsgericht schloß sich in Ablehnung der ständigen Rechtsprechung dieser Auffassung an. Von der Lösung dieser grundsätzlichen Frage hängt die Entscheidung hier jedoch nicht ab.
Nach Anerkennung des von der Verletzten noch zu ihren Lebzeiten in der Klage ziffernmäßig und ohne Vorbehalt der späteren Ausdehnung erhobenen Begehrens durch die Beklagten blieb nur mehr die Zulässigkeit der Klagsausdehnung durch den Erben strittig (AS 107 f ON 18). Diese Frage, zu der der Oberste Gerichtshof bisher, soweit ersichtlich, nicht Stellung genommen hat - im Falle der Entscheidung EvBl 1985/124 wurde eine Ausdehnung des Schmerzengeldes schon in der Klage ausdrücklich vorbehalten - ist auch auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung zur Verjährung des Schmerzengeldes nach § 1325 ABGB gegen die Beklagten zu entscheiden. Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beruht auf der Auslegung der Worte "auf Verlangen" in § 1325 ABGB, die nach dem Judikat 204 aus der Erwägung aufgenommen wurden, daß es dem persönlichen Gefühl des Verletzten widersprechen könne, ein Schmerzengeld fordern. Bei der gerichtlichen Geltendmachung ist ein ziffernmäßig bestimmtes Begehren schon eine prozessuale Klagsvoraussetzunge (vgl ZVR 1974/171). Die Höhe des Schmerzengeldes richtet sich aber immer nach den erhobenen Umständen, die letztlich vom Richter festzustellen und zu werten sind. Die Zulässigkeit einer Klagsausdehnung durch den Verletzten innerhalb der Verjährungsfrist, wenn die erhobenen Umstände seiner Meinung nach ein höheres Schmerzengeld rechtfertigen, kann auch nicht zweifelhaft sein. Die Rechtsprechung läßt eine Ausdehnung im anhängigen Prozeß auch nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist zu, wenn die Leistungsklage mit einer in der Folge erfolgreichen Festellungsklage verbunden war (ZVR 1979/113; ZVR 1977/217 uva, zuletzt 7 Ob 531/91). Es kann auch nicht fraglich sein, daß der Erbe die Forderungen des Erblassers nach ihrem tatsächlichen materiellen Bestand und nicht bloß in Höhe der Bezifferung durch den Erblasser erwirbt und in die gesamte Rechtsposition des Erblassers eintritt (vgl Welser in Rummel2 Rz 1 zu § 531; Kralik-Ehrenzweig Erbrecht 10). Die den Worten "auf Verlangen" im § 1325 ABGB zugrundeliegenden Erwägungen könnten daher einer Klagsausdehnung durch den Erben nur dann entgegenstehen, wenn der Verletzte etwa aus persönlichen Rücksichten auf ein den bereits geltend gemachten Betrag übersteigendes Schmerzengeld verzichtet hätte. Die, wenn auch ohne Vorbehalt der Ausdehnung erfolgte ziffernmäßige Geltendmachung rechtfertigt noch keinen Schluß auf einen Verzicht. Ein solcher kann nur angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, daß ein Verzicht ernstlich gewollt war (SZ 53/35 uva). Daraus folgt, daß der Erbe das vom Verletzten noch zu Lebzeiten, wenn auch ohne Vorbehalt der Ausdehnung, ziffernmäßig gerichtlich geltend gemachte Schmerzengeldbegehren ausdehnen kann, wenn nicht ein Verzicht des Verletzten auf ein Mehrbegehren vorliegt.
Soweit sich die Revisionen des Erstbeklagten und der Zweitbeklagten auch gegen die Ausmessung des Schmerzengeldes durch die Vorinstanzen wenden, ist ihnen die Schwere der Verletzungen (inkomplette Querschnittslähmung mit weiteren schweren gesundheitlichen Schäden mit der Folge eines langsamen Siechtums, AS 57 f ON 11) entgegenzuhalten. Davon und von den damit verbundenen Schmerzen ausgehend ist selbst unter Berücksichtigung des Alters der Verletzten bei Bedachtnahme auf das in vergleichbaren Fällen zuerkannte Schmerzengeld (2 Ob 15/88; 8 Ob 36/87) die Bemessung der Vorinstanzen vertretbar.
Demgemäß ist den Revisionen ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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