OGH 1Ob612/90

OGH1Ob612/9028.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred W***, Kaufmann, Wien 7., Schottenfeldgasse 67/6-7, vertreten durch Dr. Herbert Grün, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** Flug- und Schiffsreisen Gesellschaft mbH, Wien 5., Margaretengürtel 126, vertreten durch Dr. Konrad Faulhaber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Bucheinsicht (Streitwert 100.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15. Mai 1990, GZ 1 R 70/90-25, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 8. März 1990, GZ 27 Cg 111/88-21, ersatzlos aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens in der Hauptsache.

Text

Begründung

Mit Urteil vom 23. August 1989 erkannte das Erstgericht die beklagte Gesellschaft mbH für schuldig, dem Kläger während der Geschäftsstunden ...... ohne Voranmeldung und ohne Beisein einer Kontrollperson a) den Zutritt in alle Geschäfts- und Betriebsräume der beklagten Partei, b) die Einsicht in alle Handelsbücher, Papiere und sonstigen Geschäftsunterlagen der beklagten Partei zu gestatten, sowie c) die verlangten Aufklärungen (Auskünfte), die mit der Ausübung des Rechtes auf Bucheinsicht zusammenhängen, zu erteilen. Aus Anlaß der Berufung der beklagten Partei, die die Prozeßeinrede der Unzulässigkeit des (streitigen) Rechtsweges nicht erhoben hatte, hob das Berufungsgericht mit Beschluß vom 29. Jänner 1990 dieses Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO) auf und verwies die Rechtssache zur Entscheidung im außerstreitigen Verfahren an das Erstgericht zurück, weil auch über das Bucheinsichtsrecht des Gesellschafters einer Gesellschaft mbH grundsätzlich im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden sei. Den dagegen erhobenen Rekurs des Klägers wies das Erstgericht mit Beschluß vom 8.März 1990 zurück, weil nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO der Beschluß des Berufungsgerichtes nur bei - hier fehlendem - Ausspruch der Zulässigkeit der Anfechtung anfechtbar sei. Das Rekursgericht hob über Rekurs des Klägers diesen Beschluß ersatzlos auf, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 50.000 S und ließ den (ordentlichen) Revisionsrekurs zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht gerechtfertigt.

Vor der WGN 1989 waren Beschlüsse des Berufungsgerichtes, mit denen die Nichtigkeit des erstgerichtlichen Urteils und die Zurückweisung der Klage ausgesprochen, somit der Rechtsschutz definitiv verweigert wurde, gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO aF anfechtbar, ohne daß es des Ausspruches eines Rechtskraftvorbehaltes bedurfte (EvBl 1989/145; EFSlg 44.127, 39.284 ua); hatte hingegen das Berufungsgericht das Ersturteil und das Verfahren vor dem Erstgericht wegen Nichtigkeit aufgehoben, nicht aber auch die Klage zurückgewiesen, dann war dieser Beschluß nur anfechtbar, wenn ihn das Berufungsgericht gemäß § 479 Abs 1 ZPO aF mit einem Rechtskraftvorbehalt versah (EvBl 1989/145; SZ 59/16, SZ 52/153;

Fasching IV 410 ff, insbes. 412, und Lehrbuch Rz 1981). Bei einer Überweisung der Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren ohne Zurückweisung der Klage wurde seit der E SZ 27/95 in ständiger Rechtsprechung (EFSlg 34.509, MietSlg 24.458 ua) der Rekurs gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wegen der Versagung der im ordentlichen Rechtsweg angestrebten Sachentscheidung durch das Berufungsgericht für zulässig erachtet. Auch in einem solchen Fall werde die Streitanhängigkeit endgültig beendet, es entfalle lediglich die formelle Klagszurückweisung. Nach der Einführung des § 235 AußStrG - der eine Nichtigerklärung des Verfahrens nicht vorsieht - durch das EheRÄndG, BGBl 1978/280, hat der Oberste Gerichtshof in seiner grundlegenden E SZ 53/153 = EvBl 1981/75 an dieser Rechtsprechung festgehalten. In der E EvBl 1986/6 = MietSlg 37.716/14 wurde zur Rechtslage nach der ZVN 1983 auch unter Bedachtnahme auf die damals neu eingeführte Bestimmung des § 40 a JN ausgesprochen, daß die Regelung nach § 40 a JN jedenfalls allgemein deutlich mache, daß in der Überweisung einer Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren, wie das in der § 18 der 6. DVEheG nachgebildeten Bestimmung des § 235 AußStrG speziell festgelegt sei, ein zweiaktiger Vorgang liege; der erste Akt der Entscheidung beende das spezifische Prozeßrechtsverhältnis nach der ZPO und sei deshalb in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 2 ZPO aF anfechtbar. An dieser Auffassung hielt der Oberste Gerichtshof in der E EvBl 1988/101 fest.

Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO in der hier anzuwendenden Fassung der WGN 1989 ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluß des Berufungsgerichtes der Rekurs ohne die Beschränkungen der §§ 502, 528 ZPO immer zulässig, wenn das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. Der Gesetzgeber hat die WGN 1989 nicht zur Klarstellung der Anfechtung berufungsgerichtlicher Überweisungsbeschlüsse ins Außerstreitverfahren benutzt. Die neue Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist aber eine Zusammenfassung der bisherigen Z 1 und 2 des § 519 Abs 1, ohne daß dadurch die "alten" Z 1 und Z 2 eine inhaltliche Änderung erfuhren (Bericht des Justizausschusses zur WGN, 991 BlgNR XVII. GP 11). Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 519 Abs 1 Z 2 ZPO aF über die Anfechtbarkeit von berufungsgerichtlichen Beschlüssen, ohne Rechtskraftvorbehalt (jetzt Ausspruch der Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof), mit denen das Urteil als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung in das außerstreitige Verfahren überwiesen wurde, wird daher aufrecht erhalten. Diese Grundsätze gelten, wie bereits in der E EvBl 1986/6

angeklungen ist, nicht nur für die Überweisung nach § 235 Abs 1 AußStrG, sondern allgemein für Überweisungen von streitigen Rechtssachen in das außerstreitige Verfahren (so offenbar auch Fasching, Lehrbuch2 Rz 1981), zumal auch darin ein zweiaktiger Vorgang liegt und der erste Akt der (berufungsgerichtlichen) Entscheidung das spezifische Prozeßrechtsverhältnis nach der ZPO beendet (so auch 2 Ob 560/90 zu einem im streitigen Verfahren geltend gemachten Antrag auf Widerruf der Adoption). Ein Rekurs gegen einen Beschluß des Berufungsgerichtes nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nF ist auch immer ohne die Revisions- bzw. Revisionsrekursbeschränkungen zulässig; diese Abweichung ist damit zu rechtfertigen, daß hier erstmals das Berufungsgericht die Unzulässigkeit der Klage bzw. der Berufung aufgreift und daher funktionell gleichsam als erste Instanz abschließend über die Zurückweisung - und der ihr gleichzuhaltenden Überweisung - der Klage entscheidet (Bericht des Justizausschusses zur WGN 1989, aaO, 12; so auch Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 in ÖJZ 1989, 743 ff, 750). Dem Rekurs ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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