Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.August 1972 geborene - sohin noch jugendliche - Wolfgang S*** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB (1), des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB (2) und des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs. 3 und 15 StGB (3) schuldig erkannt und hiefür nach § 206 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 (Abs. 1) StGB sowie unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG 1988 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt. Unter Bedachtnahme auf die aus den Urteilsgründen ersichtlichen Präzisierungen hat der Angeklagte zumindest zwischen dem Beginn des Jahres 1987 und März 1990 in Mooskirchen in mehrfachen Angriffen
1. mit den zur jeweiligen Tatzeit noch unmündigen (siehe hiezu S 127, 128 unten) Mädchen, nämlich der am 9.August 1974 geborenen Petra S***, der am 24.Oktober 1975 geborenen Eva Maria S*** und der am 21.Juli 1978 geborenen Sandra S***, den außerehelichen Beischlaf unternommen,
2. dadurch, daß er die zur jeweiligen Tatzeit noch unmündigen Eva Maria S*** und Sandra S*** unabhängig von den zu 1. beschriebenen Beischlafshandlungen (siehe S 129) am entblößten Geschlechtsteil betastete und dabei auch mit den Fingern in deren Scheide eindrang, diese auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht und
3. mit seinen Schwestern Eva Maria S*** und Sandra S*** den Beischlaf vollzogen, mit Petra S*** zu vollziehen getrachtet. Dieses Urteil ficht der Angeklagte in den Schuldsprüchen mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a (inhaltlich Z 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpft er sowohl mit einer § 281 Abs. 1 Z 11 StPO anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde als auch mit Berufung.
Mit seiner Subsumtionsrüge bringt der Beschwerdeführer vor, daß er zu Unrecht wegen der in Idealkonkurrenz begangenen Delikte nach § 206 Abs. 1 StGB und § 211 Abs. 3 StGB verurteilt worden sei, weil aus der Privilegierung des Geschlechtsverkehrs zwischen Geschwistern (§ 211 Abs. 3 StGB) im Verhältnis zum Beischlaf unter Verwandten in gerader Linie (§ 211 Abs. 1 StGB) zu ersehen sei, daß § 211 Abs. 3 StGB eine abschließende Strafsanktion für den Beischlaf zwischen Geschwistern beinhalte, die das besondere "interfamiliäre Gelegenheitsverhältnis" berücksichtige.
Rechtliche Beurteilung
Abgesehen davon, daß nach den Urteilsannahmen die Beischlafshandlungen mit Eva Maria S*** auch noch nach Vollendung des 14. Lebensjahres der Genannten (am 24.Oktober 1989) fortgesetzt wurden, sohin insoweit keine Idealkonkurrenz mit dem Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB in Frage kommt, sondern nur das Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs. 3 StGB, kann dem Einwand, daß eine Idealkonkurrenz zwischen diesen beiden Tatbeständen nicht möglich sei, deshalb nicht gefolgt werden, weil die beiden Strafnormen verschiedene Rechtsgüter schützen: Soll doch durch die Strafsanktion des § 206 StGB (und auch des § 207 StGB) unterbunden werden, daß die normale sittliche Entwicklung noch nicht 14 Jahre alter und daher psychisch noch unreifer Mädchen (und Burschen) durch vorzeitige geschlechtliche Betätigung beeinträchtigt wird, während § 211 StGB den Geschlechtsverkehr zwischen Blutsverwandten welchen Alters auch immer pönalisiert, um der biologischen Gefährdung der Nachkommenschaft und der Gefahr für den Bestand der Familie und das Zusammenleben der Familienmitglieder Rechnung zu tragen (vgl. hiezu Leukauf-Steininger2 RN 2 zu § 206 StGB, Pallin in WK jeweils Rz 1 zu § 206 und § 211 StGB mwN). Die Rechtsprechung hat deshalb die Idealkonkurrenz zwischen den (drei) Tatbeständen des § 211 StGB und demjenigen des § 206 Abs. 1 StGB bisher immer bejaht (EvBl. 1977/165, SSt. 47/12, 10 Os 41/80 nv). Im vorliegenden Fall des Zusammentreffens des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB mit einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und dem Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs. 3 StGB mit einem Strafsatz (nur) bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe kann bei der erforderlichen wertenden Betrachtung auch keine Rede davon sein, daß der gesamte Unrechtsgehalt, der im Mißbrauch minderjähriger Geschwister zum Geschlechtsverkehr liegt, schon mit einer Bestrafung nur wegen des Vergehens der Blutschande abgegolten wäre. Dem Erstgericht ist sohin kein Subsumtionsfehler unterlaufen. Bei der Strafzumessung wertete das Schöffengericht das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, die Wiederholung der einzelnen Tathandlungen, den langen Deliktszeitraum und die Begehung der einzelnen Tathandlungen gegenüber drei Personen sowie die rücksichtslose Vorgangsweise als erschwerend, während als mildernd das Geständnis und der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, berücksichtigt wurden.
Der Strafzumessungsrüge (Z 11) zuwider können aber der lange Deliktszeitraum und die festgestellte Wiederholung der einzelnen Beischlafshandlungen an zwei Geschwistern (S 127, 129 oben) neben dem Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen als Erschwerungsumstände gewertet werden, weil § 33 Z 1 StGB mehrere eigene Erschwerungsumstände (arg: oder) aufzählt, die verschiedene Kriterien einer gesteigerten Schuld (demonstrativ) aufzeigen. Von dieser (von vereinzelt gebliebenen Entscheidungen abgesehen) nunmehr einheitlichen Rechtsprechung (10 Os 104/85, 10 Os 142/85, 9 Os 174/85, 10 Os 96/86 ua) abzugehen, gibt gerade der vorliegende Fall keinen Anlaß.
Dem Schöffengericht ist daher auch bei der Bewertung der festgestellten Strafzumessungstatsachen kein Rechtsirrtum unterlaufen, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde insgesamt zu verwerfen war.
Es kommt aber auch dem Berufungsbegehren, eine schuld- und tatangemessene (geringere) Strafe zu verhängen und die §§ 43, 43 a StGB anzuwenden, keine Berechtigung zu.
Wenn die Berufung die Tathandlungen auf eine Entwicklungsstörung zurückgeführt haben will, ist sie auf die gutächtlichen Äußerungen des psychiatrischen Sachverständigen zu verweisen, wonach beim Angeklagten keinerlei Symptome einer Entwicklungsverzögerung oder Retardierung festgestellt wurden. Er ging vielmehr im vollen Bewußtsein der Pönalisierung seiner Taten den Weg des geringsten Widerstandes, um seine Geschlechtslust ad hoc jederzeit hemmungslos ausleben zu können. Die Prognose ist diesem Gutachten zufolge nur dann günstig, wenn es zu einer wirksamen Selbstkorrektur kommt (ON 17 und S 120, 121). Dem Jugendschöffengericht kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn es meint, daß eine entsprechende Bewußtseinsbildung beim jugendlichen Angeklagten nur durch die Vollziehung einer entsprechend strengen Strafe erreicht werden kann. Die reklamierte Unterstützung dieser Entwicklung durch einen Bewährungshelfer kann im Rahmen der - bei der entsprechenden Führung zu erwartenden - bedingten Entlassung (§§ 46 StGB, 17 JGG) angeordnet werden. Zu einer Korrektur des Strafausspruches selbst besteht jedoch kein Anlaß, dies auch nicht durch Gewährung einer (auch nur teilweisen) bedingten Strafnachsicht.
Es war daher auch der Berufung der Erfolg zu versagen.
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