Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird Folge gegeben und von der Verhängung der Zusatzstrafe abgesehen.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. September 1960 geborene (mithin zur Tatzeit noch jugendliche) beschäftigungslose Stefan A des Verbrechens des jeweils in Wien im Herbst 1977 zweimal an seiner am 14. Juni 1964 geborenen Schwester Renate A sowie im Jahre 1977 (einmal) an seiner am 1. März 1966 geborenen Schwester Manuela A unternommenen - Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. und des - in Tateinheit damit begangenen - Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Blutschande nach §§ 211 Abs. 3, 15 StGB.
schuldig erkannt.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung eines gynäkologischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß Renate A virgo intacta sei und ein Geschlechtsverkehr mit ihr nicht stattgefunden habe (S. 42).
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge versagt, weil das Gericht inhaltlich der im Urteil nachgetragenen Begründung seines abweislichen Zwischenerkenntnisses ohnehin davon ausging, daß der Angeklagte die Renate A durch den wiederholt unternommenen Beischlaf nicht deflorierte; es nahm sohin das als erwiesen an, was durch die begehrte Beweisaufnahme dargetan werden sollte, legte allerdings gleichzeitig mit Hinweis auf die Art der festgestellten Beischlafshandlung schlüssig dar, daß diese durch die unterbliebene Defloration nicht ausgeschlossen werde (S. 51). Das Erstgericht hätte sich außerdem darauf stützen können, daß eine gynäkologische Untersuchung ein mit Bezug auf den Tatzeitpunkt brauchbares Ergebnis schon im Hinblick auf die bis zur Antragstellung verstrichene Zeitspanne von mehr als eineinhalb Jahren nicht erwarten ließ. Insoweit die Verfahrensrüge aber zum Ausdruck bringt, durch die Beiziehung des Sachverständigen hätte die Glaubwürdigkeit der Renate A erschüttert werden sollen, welche erheblich beeinträchtigt worden wäre, wenn die Befundaufnahme ihre Behauptung, (zur Tatzeit) 'virgo intacta' gewesen zu sein, widerlegt hätte, kann diese Rüge bereits angesichts dessen keine Berücksichtigung finden, daß sie durch das in der Hauptverhandlung angegebene (konträre) Beweisthema nicht gedeckt ist und daher schon das prozessuale Erfordernis für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels in dieser Richtung fehlt, ganz abgesehen von dem hier noch bedeutsameren vorerwähnten Zeitmoment.
Mit den auf die Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Ausführungen beschwert sich der Angeklagte unter dem Aspekt einer 'Scheinbegründung' des Urteils der Sache nach darüber, daß das Gericht der Zeugenaussage der Renate A Glauben geschenkt hat, obwohl sie in der Hauptverhandlung zunächst erklärt hatte, ihre ihn belastenden Angaben vor der Polizei entsprächen nicht der Wahrheit, und zu diesen erst über Vorhalt des Vorsitzenden, sie hätte dann eine Verleumdung begangen, zurückgekehrt war. Diese Divergenz in der Zeugenaussage der Renate A ließ das Erstgericht nicht unerörtert; es wertete vielmehr den anfänglichen Widerruf der polizeilichen Darstellung durch die Zeugin als Versuch, ihrem Bruder zu helfen (S. 40, 51) und berief sich im übrigen bei den auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Mädchens gegründeten Feststellungen auf den von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck. Die Mängelrüge erschöpft sich darum, auch wenn sie dies nicht wahrhaben will, in einem reinen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung.
Bei seinem auf die Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Beschwerdevorbringen, Idealkonkurrenz zwischen den §§ 201 und 206 StGB. sei nicht möglich, weil der Tatbestand des § 206 StGB. durch jenen des § 201 StGB. konsumiert werde, übersieht der Beschwerdeführer völlig, daß eine solche Idealkonkurrenz vom Erstgericht nicht angenommen wurde und eine Beurteilung seiner Tat als Notzucht konkret auch gar nicht in Betracht kam. Sofern er aber die Annahme eintätigen Zusammentreffens zwischen dem Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB. und dem Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs. 3 StGB. in Zweifel ziehen will, geht die Rechtsrüge fehl, zumal der ihm angelastete geschlechtliche Mißbrauch seiner unmündigen Schwestern verschiedene - in den genannten Gesetzesstellen (gesondert) geschützte - Rechtsgüter verletzte (SSt 47/12 u. a.), weshalb das Erstgericht das festgestellte Tatverhalten zu Recht beiden Tatbeständen unterstellte.
Richtig ist, daß § 211 Abs. 3 StGB. eine Vollziehung des Beischlafs voraussetzt und (bloß) unternommener Beischlaf zur Tatbestandsverwirklichung nicht ausreicht (vgl. EvBl. 1977/165 = LSK 1977/114). Um vollzogenen Beischlaf annehmen zu können, ist eine Vereinigung der Geschlechtsteile, wie sie das Erstgericht in Ansehung der Renate A mit dem mehrmaligen Eindringen des Gliedes des Angeklagten in die Scheide des Mädchens als erwiesen annahm, erforderlich, aber auch ausreichend, mag es dabei auch zu keinen weiteren beischlafsmäßigen Handlungen und zu keinem Samenerguß gekommen sein. Die Wertung des Verhaltens des Angeklagten als teils vollendete, teils (nämlich im Zusammenhang mit dem geschlechtlichen Mißbrauch der Manuela A) versuchte Blutschande nach §§ 211 Abs. 3 und 15 StGB. erfolgte sohin frei von Rechtsirrtum. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten (ersichtlich nach der - im schriftlich ausgefertigten Urteil nicht zitierten - Vorschrift des § 206 Abs. 1 StGB.) unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. und § 11 (im Urteil unrichtig: 1) JGG sowie gemäß §§ 31, 40 StGB. unter Berücksichtigung der Urteile des Jugendgerichtshofes Wien vom 22. September 1977, GZ. 2 Vr 1261-13 (zwei Monate Freiheitsstrafe wegen §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB.) und vom 23. Oktober 1978, GZ. 2 Vr 922/78-23 (zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe wegen §§ 142 Abs. 1, 143 StGB.) zu zehn Monaten Zusatzfreiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von zwei verschiedenen strafbaren Handlungen und die Wiederholung der Taten an Renate A als erschwerend, als mildernd hingegen das Alter unter einundzwanzig Jahren und den Umstand, daß es hinsichtlich Manuela A beim Versuch geblieben war.
Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung eine Erhöhung, der Angeklagte mit seiner Berufung die Herabsetzung der Zusatzstrafe bzw. die gänzliche Abstandnahme von deren Verhängung an. Die Berufung des Angeklagten erweist sich als berechtigt. Der vom Erstgericht angenommene Milderungsgrund des Alters unter 21 Jahren hat zwar zu entfallen, weil der Angeklagte zur Tatzeit noch Jugendlicher war und somit bei ihm § 11 Z 1 (letzter Satz) JGG. anzuwenden war. Auch ist zusätzlich noch der Umstand, daß 2 Kinder von Tathandlungen des Angeklagten betroffen waren als erschwerend anzusehen. Dennoch vermeint der Oberste Gerichtshof, daß bei gemeinsamer Aburteilung sämtliche einerseits im vorliegenden Strafverfahren und andererseits mit den eingangs zitierten Urteilen, auf die gemäß §§ 31, 40 StGB. Bedacht genommen worden ist, geahndeten Straftaten für alle deliktischen Handlungen keine höhere Strafe ausgesprochen worden wäre als jene, die sich aus der Summierung der in den beiden berücksichtigten Urteilen gesondert verhängten Strafen ergibt, zumal der Schuld- und Unrechtsgehalt der gegenständlichen Straftaten ein äußerst geringer ist; dies nicht nur wegen des Alters des Angeklagten zur Tatzeit und des verhältnismäßig nicht sehr großen Altersunterschieds zwischen ihm und seiner Schwester Renate (vgl. § 207 Abs. 3 StGB.), sondern außerdem und namentlich wegen der minderen Intensität des geschlechtlichen Mißbrauchs, der nach den Urteilsfeststellungen - wie nochmals betont werden soll - selbst in den Fällen eines vollzogenen Geschlechtsverkehrs lediglich im Einführen des Gliedes in die Scheide des Mädchens, also in der Herstellung eines zur Tatbestandsverwirklichung zwar genügenden, für die Vollziehung eines Beischlafs aber trotzdem unüblichen (atypischen) bloß statischen Kontakts bestand.
Gemäß § 40 letzter Satz StGB. war daher in Stattgebung der begründeten Berufung des Angeklagten von einer Zusatzstrafe abzusehen und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
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