Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin war vom 18. Juli 1988 bis 12. Mai 1989 wegen der Geburt eines Kindes in Karenzurlaub und bezog während dieser Zeit gemäß den §§ 26 ff AlVG Karenzurlaubsgeld. Ab 13. Mai 1989 nahm sie ihre Tätigkeit bei ihrem Dienstgeber wieder auf; sie war zu dieser Zeit neuerlich schwanger. Ab 14. Juni 1989 wurde sie wegen eines Beschäftigungsverbotes gemäß § 3 Abs 3 MSchG nicht mehr beschäftigt. In der Zeit vom 13. bis 31. Mai 1989 bezog sie von ihrem Dienstgeber ein Nettoentgelt von S 8.328,69. Die beklagte Partei gewährte ihr ab 14. Juni 1989 Wochengeld in der Höhe von S 225,58 täglich und lehnte das Begehren auf Bezahlung eines höheren Wochengeldes ab. Der Berechnung des Wochengeldes legt sie den auf den Kalendertag bezogenen Durchschnitt des Arbeitsentgelts von S 8.328,69 und des der Klägerin in den Monaten März, April und Mai 1989 bezahlten Karenzurlaubsgeldes zuzüglich eines Zuschlags von 17 % für Sonderzahlungen zugrunde.
Die Klägerin begehrte zuletzt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr an zusätzlichem Wochengeld für die Zeit vom 14. Juni bis 30. Oktober 1989 S 39.933,31 "netto" samt 4 % Zinsen ab 31. Oktober 1989 zu bezahlen, und festzustellen, daß ihr Wochengeldanspruch ab 14. Juni 1989 S 512,87 je Kalendertag betrage. Hilfsweise begehrte sie den Zuspruch von S 13.304,78 sA für den angeführten Zeitraum und die Feststellung des Anspruchs auf ein Wochengeld von S 321,90 täglich ab 14. Juni 1989. Zum Hauptbegehren vertrat sie die Ansicht, die Höhe des Wochengeldes sei so zu berechnen, daß das bezogene Arbeitsentgelt von S 8.328,69 zuzüglich 17 % für Sonderzahlungen durch die Anzahl der Kalendertage zu teilen sei, die in den Zeitraum fallen, für den das Entgelt gebührte (d.i. der 13. bis 31. Mai 1989). Das Eventualbegehren stützte sie darauf, daß das Karenzurlaubsgeld, wenn es zu berücksichtigen sei, mit 180 % berücksichtigt werden müßte, weil gemäß § 41 Abs 1 AlVG als Wochengeld ein Betrag in der Höhe des um 80 % erhöhten Leistungsbezuges nach dem angeführten Bundesgesetz gebührt. Das Erstgericht wies sowohl das Hauptbegehren als auch das Eventualbegehren ab, wobei es die Berechnung der beklagten Partei billigte. Die Rechtsmeinung der Klägerin, daß nur jene Einkünfte aus dem Dienstverhältnis heranzuziehen seien, die sie bezogen hätte, wenn der Versicherungsfall nicht eingetreten wäre, finde im Gesetz keine Deckung, weil dort das Durchschnitts- und nicht das Ausfallsprinzip festgelegt werde.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Bei der Ermittlung des für den Anspruch auf Wochengeld maßgebenden Durchschnittsverdienstes in dem im § 162 Abs 3 ASVG festgelegten Beobachtungszeitraum müsse auch das Karenzurlaubsgeld berücksichtigt werden, weil es - ebenso wie das Arbeitslosengeld - ein Surrogat des Arbeitsverdienstes sei. Die Sonderregelung, die im § 162 Abs 3 ASVG für Lehrlinge sowie für Zeiten der im § 11 Abs 3 dieses Gesetzes bezeichneten Art und für Zeiten der Krankheit oder Kurzarbeit getroffen worden sei, könne nicht angewendet werden. Die im Ersturteil enthaltene rechtliche Beurteilung sei daher richtig. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhob die Klägerin Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Weiblichen Dienstnehmerinnen gebührt gemäß § 162 Abs 3 ASVG das Wochengeld in der Höhe des auf den Kalendertag entfallenden Teiles des durchschnittlichen in den letzten dreizehn Wochen (bei Versicherten, deren Arbeitsverdienst nach Kalendermonaten bemessen oder abgerechnet wird, in den letzten drei Kalendermonaten) gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge; die auf diesen Zeitraum entfallenden Sonderzahlungen sind nach Maßgabe des Abs 4 zu berücksichtigen. Der Auslegung dieser Bestimmung durch die Klägerin, wonach für die Berechnung des Wochengeldes nur der Zeitraum der tatsächlichen Arbeitsleistung und das in diesem Zeitraum bezogene Entgelt heranzuziehen sei, ist allerdings nicht zu folgen. Der Oberste Gerichtshof hat diese Auffassung schon in der Entscheidung SSV-NF 1/38 mit ausführlicher Begründung abgelehnt. Es besteht kein Anlaß, hievon abzugehen, zumal die Rechtsprechung vom Schrifttum offensichtlich gebilligt wird (vgl Binder in Tomandl, System 2.2.6.4.1 B 4. ErgLfG 256) und in der Revision keine neuen Argumente enthalten sind.
Unklar ist, was die Klägerin mit dem Argument erreichen will, daß das Karenzurlaubsgeld nicht zum Arbeitsverdienst zähle. Dies hat nichts mit der Frage zu tun, welche Zeit der Beobachtungszeitraum, also der Zeitraum, der für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgebend ist, erfaßt. Selbst wenn ihre Ansicht zuträfe, wäre dies kein Argument dagegen, daß der Arbeitsverdienst durch die Gesamtanzahl der in den Beobachtungszeitraum fallenden Kalendertage zu teilen ist. Ihre Ansicht hätte daher nur ein niedrigeres als das von der beklagten Partei zuerkannte Wochengeld zur Folge. Auf diese Frage muß hier aber aus folgenden Gründen nicht eingegangen werden:
Der Oberste Gerichtshof hat in der bisher noch nicht veröffentlichten Entscheidung vom 27. Februar 1990, 10 Ob S 445/89, für einen im wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalt ausgesprochen, daß die Sonderregelung, die im § 162 Abs 3 ASVG für den allein in Betracht kommenden, im § 11 Abs 3 lit a ASVG geregelten Fall einer Arbeitsunterbrechung infolge Urlaubs ohne Entgeltzahlung getroffen wird, nicht und zwar auch nicht analog, angewendet werden könne, weil ausdrücklich nur ein Karenzurlaub mit einer einen Monat nicht überschreitenden Dauer erfaßt sei. Es stützt also auch diese Regelung nicht die Ansicht der Klägerin. Offen bleibt aber noch, von welchem Zeitpunkt an der Beobachtungszeitraum beginnt. Die geltende Regelung hierüber wurde durch die 9. ASVGNov BGBl 1962/13 eingeführt, wobei sich eine vergleichbare Regelung aber schon in der Stammfassung des ASVG fand. Sowohl nach § 162 Abs 1 ASVG id Stammfassung als auch nach § 162 Abs 1 idF der 9. ASVGNov gebührte das Wochengeld erst für die letzten sechs Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung. Es war unter diesen Umständen eindeutig, daß die "letzten" dreizehn Wochen oder drei Kalendermonate, die gemäß § 162 Abs 3 ASVG idF der
9. ASVGNov für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes herangezogen werden müssen, vom Beginn der vor der Entbindung liegenden Sechswochen-Frist an zu berechnen sind. Durch die 11. ASVGNov BGBl 1963/184 wurde im § 162 Abs 1 ASVG die hier maßgebende Regelung getroffen, daß das Wochengeld auch für den Zeitraum gebührt, während dessen Dienstnehmerinnen auf Grund besonderer Vorschrift des Mutterschutzrechtes im Einzelfall auf Grund des Zeugnisses eines Arbeitsinspektionsarztes oder eines Amtsarztes nicht beschäftigt werden dürfen, weil Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet wäre. § 162 Abs 3 ASVG wurde aus Anlaß dieser Gesetzesänderung nicht ausdrücklich geändert. Es ist also zu prüfen, ob durch die Änderung des Abs 1 auch der Abs 3 inhaltlich in der Richtung geändert wurde, daß der Beobachtungszeitraum von dreizehn Wochen oder drei Kalendermonaten nicht mehr, wie früher, vom Beginn der Schutzfrist von sechs Wochen (seit dem BG BGBl 1974/178 acht Wochen), sondern vom Beginn des (früheren) Zeitpunktes an zu berechnen ist, ab dem nach den Vorschriften des Mutterschutzrechtes ein individuelles Beschäftigungsverbot besteht (vgl § 3 Abs 3 MSchG). Der Gesetzeswortlaut spricht zwar für die Ansicht, daß sich der Beobachtungszeitraum nach dem Beginn des Beschäftigungsverbotes richtet. Dem Obersten Gerichtshof erscheint jedoch die Annahme gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber durch die 11. ASVGNov diejenigen Versicherten, die wegen eines individuellen Beschäftigungsverbotes schon vor der Frist von sechs (nunmehr acht) Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung Anspruch auf Wochengeld haben, nicht anders behandeln und vor allem nicht schlechter stellen wollte als jene, deren Anspruch nur während des generellen Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 1 MschG besteht. Wäre für den Beobachtungszeitraum der Be des individuellen Beschäftigungsverbotes maßgebend, so würde eine solche Benachteiligung aber nicht nur unter den hier gegebenen Verhältnissen, sondern auch dann eintreten, wenn sich der Arbeitsverdienst der Versicherten in der Zeit bis zum Beginn des generellen Beschäftigungsverbotes - etwa auf Grund einer Änderung des Kollektivvertrages - erhöht hätte. Eine sachliche Rechtfertigung läßt sich hiefür nicht finden, zumal der Anspruchsberechtigten ungeachtet des festgelegten Durchschnittsprinzips (s hiezu im folgenden) ein echter Einkommensersatz geboten werden soll (so zutreffend Firlei in ZAS 1990, 33).
Es erscheint dem Obersten Gerichtshof somit nur ein Versehen zu sein, daß § 162 Abs 3 ASVG nicht entsprechend geändert wurde, ein Versehen, das dem Gesetzgeber im übrigen auch im § 120 Abs 1 Z 3 ASVG unterlief, weil dort die Regelung über den Eintritt des Versicherungsfalles nicht angepaßt wurde (vgl hiezu Erl BMsV in SozSi 1964, 269; Scholz in SozSi 1985, 334; Binder aaO
2.2.6.1 4. ErgLfg 251). Die angeführten Überlegungen führten dazu, daß der Zeitraum von dreizehn Wochen oder drei Kalendermonaten immer - entsprechend der Rechtslage vor der 11. ASVGNov - vom Beginn der Schutzfrist von nunmehr acht Wochen vor der (voraussichtlichen oder tatsächlichen) Entbindung an zu berechnen ist. Soweit die Versicherte während dieser Zeit kein Arbeitsentgelt bezog (vgl § 14 Abs 3 iVm Abs 2 MSchG), weil sie gemäß § 162 Abs 1 letzter Satz ASVG Anspruch auf Wochengeld hatte, ist von jenem Arbeitsverdienst auszugehen, auf den sie Anspruch gehabt hätte. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber bei der Regelung des § 162 Abs 3 ASVG vom Durchschnitts- und nicht vom Ausfallsprinzip ausging (SSV-NF 1/38;
10 Ob 45/89 = SSV-NF 4/19-in Druck). Beim Durchschnittsprinzip wird zwar - anders als beim Ausfallsprinzip - auf eine zukünftige Entwicklung im allgemeinen nicht Bedacht genommen. Dies hindert es aber nicht, solche Entwicklungen zur Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes dann zu berücksichtigen, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung selbst ein Anhaltspunkt dafür ergibt. Ebensowenig ist es entscheidend, daß ein Entgelt herangezogen wird, das die Versicherte nicht bezog und für das daher keine Beiträge zur Krankenversicherung entrichtet wurden (vgl ZAS 1990, 31 mit insoweit zustimmender Besprechung von Firlei). Im Ergebnis weicht die getroffene Entscheidung allerdings von der Entscheidung 10 Ob S 445/89 ab, weil dort der Beobachtungszeitraum vom Beginn des Beschäftigungsverbotes an berechnet wurde. Dies war allerdings nicht strittig, weshalb der Oberste Gerichtshof hiezu nicht Stellung nahm.
Das Erstgericht hat den Tag der voraussichtlichen Geburt zwar nicht festgestellt, aus einer Eingabe der Klägerin ergibt sich aber, daß es der 23. November 1989 war. Die vor der Entbindung liegende Schutzfrist begann daher am 27. September 1989. Ebensowenig wurde festgestellt, ob das Arbeitsentgelt der Klägerin nach Kalendermonaten bemessen oder abgerechnet wurde; dies ist nach dem Akteninhalt jedoch unbestritten, weshalb hievon ausgegangen werden kann. Beobachtungszeitraum sind demnach die letzten vor dem 27. September 1989 liegenden drei Kalendermonate, also Juni, Juli und August 1989. Während dieses Zeitraums bezog die Klägerin kein Karenzurlaubsgeld mehr, weshalb es für die Ermittlung des ihr zustehenden Anspruchs auf Wochengeld auf keinen Fall heranzuziehen wäre. Es kann daher auch unerörtert bleiben, ob die Ansicht der Klägerin zutrifft, daß es im Hinblick auf § 41 Abs 1 AlVG mit 180 % zu berücksichtigen wäre.
Die Vorinstanzen habe, von einer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht ausgehend, keine Feststellungen darüber getroffen, welches Entgelt der Klägerin in den Monaten Juni bis August 1989 gebührt hätte, wenn ihr nicht Wochengeld bezahlt worden wäre, und welche gesetzlichen Abzüge hievon vorzunehmen gewesen wären. Diese Feststellungen sind aber Voraussetzung für die Lösung der Frage, in welcher Höhe ihr Wochengeld gebührt. Das Verfahren wird daher in dieser Richtung zu ergänzen sein.
Das Klagebegehren ist allerdings jedenfalls insoweit verfehlt, als es auf Feststellung gerichtet ist. Ein Feststellungsbegehren wird nämlich durch die Möglichkeit eines Leistungsbegehrens ausgeschlossen, sofern durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch erschöpft wird. Ist der gesamte Leistungsanspruch aus einem strittigen Rechtsverhältnis fällig, so ist das Feststellungsbegehren unzulässig, weil mit dem Leistungsbegehren das strittige Rechtsverhältnis endgültig bereinigt wird (SZ 58/175 mwN). Unter diesem Gesichtspunkt fehlt der Klägerin aber das für das Feststellungsbegehren erforderliche Feststellungsinteresse, und zwar nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft. Gemäß § 89 Abs 1 ASGG können nämlich Urteile in Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 1 dieses Gesetzes (worunter der hier zu entscheidende Rechtsstreit fällt) auch Leistungen auferlegen, die erst nach Erlassung des Urteils fällig werden. Die Klägerin hätte daher auch den Zuspruch dieser Leistungen begehren können und das strittige Rechtsverhältnis wäre hiedurch vollständig erschöpft worden, weshalb sie kein Interesse an der Feststellung der Höhe der Leistungen hat. Obwohl demnach die Rechtssache bezüglich des Feststellungsbegehrens zur Entscheidung reif ist, sieht sich der Oberste Gerichtshof zur Fällung eines Teilurteils nicht veranlaßt, weil damit Vorteile für das fortzusetzende Verfahren nicht verbunden wären.
Im Hinblick auf das Begehren der Klägerin auf Bezahlung von Verzugszinsen in der gesetzlichen Höhe von 4 % ist schließlich noch folgendes zu bemerken:
Die Sozialversicherungsgesetze sehen für den Anspruch auf Leistungen die Verpflichtung von Bezahlung von Verzugszinsen nicht vor. Dieser Anspruch ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch (Nott in SozSi 1968, 333; Tomandl in Tomandl, System 0.2.3.4. ErgLfg 11). Die Frage, wann im Bereich des öffentlichen Rechtes ein Anspruch auf Verzugszinsen besteht, wird von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes verschieden beantwortet. Während der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis Slg 28/1919 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, daß die §§ 1333 und 1334 ABGB über Verzugszinsen auch bei Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses anzuwenden seien, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, und daß unter diesen Voraussetzungen im Fall jedes, auch des objektiven Verzuges des Schuldners von diesem dem Gläubiger Verzugszinsen zu leisten seien (so etwa VfSlg 7571/1975 und 8542/1979 je mwN), verneint der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die erwähnte Frage (VwSlg 6741 A/1965; ZfVB 1987/102; ZfVB 1988/71). Im Schrifttum zum Privatrecht wird offensichtlich die Meinung des Verfassungsgerichtshofes geteilt (vgl Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1333; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 11 zu § 1333). Der Oberste Gerichtshof hat, soweit dies überblickt werden kann, zu der angeführten Frage noch nicht Stellung genommen (in JBl 1984, 374 bezieht er sich nur auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs).
Gemäß § 1333 ABGB wird der Schade, welchen der Schuldner seinem Gläubiger durch Verzögerung der bedungenen Zahlung des schuldigen Kapitals zugefügt hat, durch die von dem Gesetz bestimmten Zinsen vergütet. Diese Bestimmung gilt unmittelbar nur für Rechtsverhältnisse des Privatrechts (vgl § 1 ABGB) und kann daher im Bereich des öffentlichen Rechts nur im Weg der Analogie angewendet werden. Diese ist zwar - abgesehen vom Verwaltungsstrafrecht - auch im Bereich des öffentlichen Rechts zulässig (Adamovich-Funk, Verwaltungsrecht3 59; VwGH Slg 4066 A/1956, 6973 A/1966, 9677 A/1978), wobei die Frage, ob ein Analogieverbot dann besteht, wenn durch die analoge Anwendung eines Tatbestands die Individualsphäre des Bürgers beschränkt würde (so Öhlinger in JBl 1971, 287; Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2 94; vgl auch Bydlinski, Methodenlehre 600), hier offen bleiben kann. Vor allem kann es gerechtfertigt sein, allgemeine Regelungen des Privatrechts im öffentlichen Recht anzuwenden (Öhlinger aaO 288 f; ausdrücklich für den Bereich des Sozialversicherungsrechts Tomandl aaO 0.2.3
4. ErgLfg 13; vgl auch Krejci in VersRdSch 1973, 234 f). Voraussetzung für die analoge Anwendung einer Bestimmung ist aber eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes (SZ 57/194 mwN; SSV-NF 2/49, 2/82, 3/2).
Hier ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß das ASVG im § 368 Abs 2, der auch für den Bereich des GSVG (vgl dessen § 194 Abs 1), BSVG (vgl dessen § 182), FSVlg (vgl dessen § 3), B-KUVG (vgl dessen § 129) und NVG (vgl dessen § 65) maßgebend ist, eine Regelung für den Fall enthält, daß der Versicherungsträger einen Bescheid nicht innerhalb der ihm im vorangehenden Abs 1 gesetzten Frist erlassen kann; er hat dann, wenn seine Leistung dem Grund nach feststeht, die Leistung zu bevorschussen, wobei er solche Vorschüsse schon vor Ablauf der Frist gewähren kann, sobald seine Leistungspflicht dem Grund nach feststeht. Ferner ist im § 23 AlVG für Arbeitslose die Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung vorgesehen. Kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren, so ist im § 71 Abs 2 ASGG vorgesehen, daß der Versicherungsträger in einer Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 1, 6 oder 8 nach der Einbringung der Klage dem Kläger diejenige Leistung, die Gegenstand der Klage ist, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens vorläufig insoweit zu gewähren hat, als dies dem außer Kraft getretenen Bescheid entspricht. Ferner hat das Gericht nach § 89 Abs 2 ASGG dem Versicherungsträger aufzutragen, dem Kläger bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen, wenn es das Klagebegehren als dem Grund nach zu Recht bestehend erkennt. Schließlich enthält das ASVG im § 59 (ebenso wie das GSVG im § 55, das BSVG im § 51 und das B-KUVG im § 23) eine Regelung über Verzugszinsen, die der Beitragsschuldner unter bestimmten Umständen zu zahlen hat.
Bedenkt man, daß der Gesetzgeber mehrfach Leistungen vorgesehen hat, die dem Anspruchswerber für die Dauer eines Verfahrens zu gewähren sind, daß dazu Verzugszinsen aber nicht gehören, obwohl in anderem Zusammenhang die Pflicht zur Bezahlung solcher Zinsen festgelegt wird, so kann nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht angenommen werden, daß das Unterbleiben einer Regelung über die Bezahlung von Verzugszinsen für Geldleistungen nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht und daher eine planwidrige Unvollständigkeit bedeutet. Die Voraussetzungen für eine sinngemäße Anwendung des § 1333 ABGB sind somit nicht gegeben, weshalb für Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen Verzugszinsen nicht gebühren. Dies wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren bei der Entscheidung über das Klagebegehren zu beachten haben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.
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