OGH 4Ob124/90

OGH4Ob124/909.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** Zeitungs-, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH, Wien 7., Lindengasse 52, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei "DIE G*** W***" Zeitschriftengesellschaft mbH, Wien 16., Odoakergasse 34-36, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 500.000 S; Revisionsrekursinteresse 375.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 7. Juni 1990, GZ 2 R 86/90-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 26. März 1990, GZ 19 Cg 11/90-5, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.602,60 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 2.267,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der wöchentlich erscheinenden Zeitschriften "Bezirksjournale"; die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift "Die ganze Woche".

Der "Ganzen Woche" vom 8.2.1990, Nr. 6/1990, war ein Bücherprospekt beigelegt, dessen erste Seite folgendes Aussehen hatte:

Abbildung nicht darstellbar!

Auf der letzten Seite dieses insgesamt 16-seitigen, mit Abbildungen von Büchern und Preisangaben versehenen Prospekts war eine Bestellkarte befestigt, welche an "Die ganze Woche, Postfach 5000, 1171 Wien" adressiert war. Auf der Rückseite dieser Bestellkarte fand sich unten rechts in Normaldruck der Vermerk:

"Auslieferung durch A & M Salzburg".

Im Geschäftsverkehr traten damals die Kommanditgesellschaft "A*** & A*** Verlagsbuchhandel" und ihre persönlich haftende Gesellschafterin "A*** Verlagsbuchhandelsgesellschaft mbH" unter der - zumindest bis Dezember 1989 nicht registrierten - Bezeichnung "A & M A*** & Dr. M*** Verlagsbuchhandel Gesellschaft mbH" (im folgenden: "A & M Verlag") auf; die Beklagte hatte ihnen nur ihr Postfach treuhänderisch zur Verfügung gestellt. Die mit Hilfe der Bestellkarte bestellten Bücher wurden vom A & M Verlag im eigenen Namen fakturiert und ausgeliefert.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb der periodischen Druckschrift "Die ganze Woche", insbesondere durch Beilage eines Prospekts in der vorgelegten Form mit der Überschrift "Sonderdienst für unsere Leser! Sonderangebote, Bestseller, Neuerscheinungen: Gute Bücher preiswert per Post! Teils bis zu 70 % Preisvorteil. Kein Club, keine Mitgliedschaft oder ähnliches. Volle 14 Tage Rückgaberecht!" und dem Aufdruck "Die ganze Woche", den Vertrieb von Büchern anzukündigen oder vorzunehmen,

1. wenn sie über keine Gewerbeberechtigung für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel verfügt;

2. wenn es sich entgegen der Aufmachung nicht um Bücherangebote handelt, die nur bei der Beklagten zu diesem Preis bezogen werden können, sondern überwiegend auch von anderen Anbietern, insbesondere dem A & M A*** und Dr. M*** Verlagsbuchhandel und den Herausgebern der Zeitschrift "Sport am Montag", und somit irreführende Angaben über den Ursprung, die Bezugsquelle und die Preisbemessung der angebotenen Bücher gemacht werden;

3. wenn es sich entgegen der Aufmachung des Prospektes nicht um ein Angebot der Beklagten, sondern des A & M A*** und Dr. M*** Verlagsbuchhandels handelt und somit irreführende Angaben über den Ursprung, die Bezugsquelle und die Preisbemessung der angebotenen Bücher gemacht werden;

4. wenn der Prospekt nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" des A & M A*** und Dr. M*** Verlagsbuchhandels angekündigt bzw. gekennzeichnet ist und Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung nicht ausgeschlossen werden können, obwohl für das Beilegen zur Zeitschrift "Die ganze Woche" ein Entgelt gezahlt wird.

Die zu 1. und 4. gestellten Sicherungsanträge begründet die Klägerin damit, daß die Beklagte mit dem Bücherprospekt in sittenwidriger Weise (§ 1 UWG) einerseits gegen § 103 Abs 1 lit b

Z 6 GewO iVm § 1 Abs 4 GewO und andererseits gegen § 26 MedienG verstoßen habe. Sie erwecke durch die gesamte Aufmachung des Prospektes den Eindruck, daß sie dort die genannten Bücher zum Verkauf anbiete, sei aber nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung. Da offenbar nur eine Verkaufsaktion des A & M Verlages vorliege, verstoße der Prospekt gegen § 26 MedienG, weil er in keiner Weise als "entgeltliche Anzeige", "Anzeige" oder "Werbung" gekennzeichnet sei. Mit den Sicherungsanträgen zu 2. und 3. macht die Klägerin einen Verstoß der Beklagten gegen §§ 2 und 3 UWG geltend: Sie erwecke durch die Gestaltung des Prospektes den Eindruck eines besonders günstigen Exklusivangebotes nur für die Leser der Zeitschrift "Die ganze Woche". Das sei aber unrichtig, weil identische Bücherprospekte auch der Zeitschrift "Sport am Montag" beigelegt und in dm-Drogeriemärkten aufgelegt gewesen seien. In Wahrheit liege offenbar nur ein Angebot des A & M Verlages vor. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Sie habe kein Gewerbe unbefugt ausgeübt, weil der beanstandete Prospekt vom A & M Verlag stamme, dem die Gewerbeberechtigung zustehe; der Prospekt erwecke auch nicht den Eindruck, daß die dort angebotenen Bücher ausschließlich unter der angeführten Anschrift erhältlich wären. Die Beklagte spreche sich aber nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, mit der ihr verboten werde, beim Vertrieb der Wochenzeitschrift "Die ganze Woche" Angebote von Versandbuchhandlungen so zu veröffentlichen, daß der Eindruck entsteht, sie selbst sei im eigenen Namen Anbieter der zum Verkauf angebotenen Bücher. Auf Grund der Aufmachung des Prospektes sei eine Verwechslung mit einer redaktionellen Veröffentlichung ausgeschlossen. Eine Kennzeichnungspflicht nach § 26 MedienG habe auch deshalb nicht bestanden, weil Werbeprospekte nach der Verkehrsauffassung keine Zeitungsbestandteile seien. Das Erstgericht verbot der Beklagten zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb ihrer periodischen Druckschrift "Die ganze Woche" Prospekte beizulegen.

a) die entgegen ihrer Aufmachung mit der Überschrift "Sonderdienst für unsere Leser! Sonderangebote, Bestseller, Neuerscheinungen: Gute Bücher preiswert per Post! Teils bis zu 70 % Preisvorteil. Klein Club, keine Mitgliedschaft oder ähnliches. Volle 14 Tage Rückgaberecht!" und dem Aufdruck "Die ganze Woche", kein Angebot der Beklagten, sondern ein Angebot der "A & M A*** & Dr. M*** Verlagsbuchhandel" sind oder

b) wenn der Prospekt nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" des A & M A*** & Dr. M*** Verlagsbuchhandels angekündigt bzw. gekennzeichnet ist und Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung nicht ausgeschlossen werden können, obwohl für das Beilegen zur Zeitschrift "Die ganze Woche" ein Entgelt gezahlt wird. Die zu 1. und 2. gestellten Sicherungsanträge wurden abgewiesen, weil der Prospekt kein Angebot der Beklagten gewesen sei und die darin angebotenen Bücher überhaupt nicht bei der Beklagten, sondern nur beim A & M Verlag in Salzburg bezogen werden konnten. Der Prospekt habe jedoch den irrigen Eindruck eines Angebotes der Beklagten erweckt und so deren Wettbewerb gefördert, weil es viele Leser als vorteilhaft empfänden, wenn sie bei der von ihnen regelmäßig gelesenen Zeitung auch Bücher beziehen könnten. Die Beklagte habe auch gegen § 26 MedienG und damit gegen § 1 UWG verstoßen, weil der Prospekt entgegen seinem Anschein keine Eigenwerbung, sondern eine entgeltliche Fremdwerbung gewesen sei und daher als solche zu kennzeichnen gewesen wäre.

Das Rekursgericht wies auch den zu 4. gestellten Sicherungsantrag ab und hielt nur die zu a) erlassene einstweilige Verfügung (Pkt. 3. des Sicherungsantrages) aufrecht; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Gegen die Kennzeichnungspflicht nach § 26 MedienG habe die Beklagte nicht verstoßen, weil der beanstandete Prospekt als Werbeprospekt gestaltet gewesen sei und daher kein Zweifel bestehen könne, daß es sich nicht um einen redaktionellen Beitrag handelte; seien aber - wie hier - solche Zweifel über die Entgeltlichkeit bereits durch die Gestaltung oder Anordnung der Ankündigung ausgeschlossen, dann komme die besondere Kennzeichnungspflicht nach § 26 MedienG nicht mehr zum Tragen. Die zu 1. und 2. gestellten Sicherungsanträge seien vom Erstgericht mit Recht abgewiesen worden: Wer nur den - tatsachenwidrigen - Eindruck einer Tätigkeit erwecke, für die eine Gewerbeberechtigung erforderlich ist, übe damit diese Tätigkeit noch nicht aus; der Beklagten könne daher das Ankündigen und Durchführen des Vertriebes von Büchern ohne Gewerbeberechtigung schon deshalb nicht verboten werden, weil sie eine solche Tätigkeit gar nicht ausgeübt habe. Da die Bücher nicht bei der Beklagten bezogen werden konnten, sei der Prospekt auch nicht in dem vom Sicherungsantrag zu 2. beanstandeten Sinn unrichtig, daß die Bücher entgegen der Aufmachung des Prospektes nicht nur bei ihr, sondern auch von anderen Anbietern bezogen werden könnten. Der tatsächlich erweckte irreführende Eindruck, daß die Beklagte selbst Bücher vertreibe, sei aber durch die einstweilige Verfügung im Sinne des Sicherungsbegehrens zu 3. bereits erfaßt.

Gegen den abweisenden Teil der Rekursentscheidung (Pkt. 1., 2. und 4. des Sicherungsantrages) wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer vollen Stattgebung ihres Sicherungsantrages.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage, ob ein einer Zeitschrift beigelegter Bücherprospekt ohne besondere Kennzeichnung nach § 26 MedienG diese Vorschrift verletzt, wodurch sich der Medieninhaber und Verleger in sittenwidriger Weise (§ 1 UWG) einen Vorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern verschafft hätte, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 26 MedienG müssen Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, in periodischen Medien als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" gekennzeichnet sein, es sei denn, daß Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können. § 26 MedienG wurde aus der Erwägung eingeführt, daß das Leserpublikum redaktionellen Beiträgen ein größeres Vertrauen als Anzeigen entgegenbringe, weil diese offensichtlich den Interessen derer dienen, die dafür zahlen; das führe dazu, daß die Werbung mitunter bestrebt ist, Anzeigen den äußeren Schein redaktioneller Mitteilungen zu geben, um sich damit deren publizistisches Gewicht zu verschaffen (RV 39, abgedruckt in Hartmann-Rieder, Kommentar zum Mediengesetz 162). Tatsächlich mißt der durchschnittliche Zeitungsleser einem Beitrag, den er für eine von der Redaktion verantwortete Berichterstattung hält, wesentlich mehr Glaubwürdigkeit zu als einer Werbung. Im Hinblick auf diesen offenkundigen Gesetzeszweck bedarf daher § 26 MedienG einer teleologischen Reduktion (Koziol-Welser8 I 28; Bydlinski in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 7; SZ 52/132; JBl 1981, 326; SZ 56/116 ua) dahin, daß unter "Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstigen Beiträgen und Berichten" nur solche anzusehen sind, die ihrem Inhalt nach als redaktionelle Beiträge verstanden werden können. Das trifft aber entgegen der Meinung der Klägerin auf einen Prospekt, in welchem - wie hier - Bücher oder sonstige Waren zu bestimmten Preisen angeboten werden, nicht zu. Auch wenn die Leser der "Ganzen Woche" der irrigen Meinung gewesen sein sollten, daß die Beklagte für diese ihre eigene Beilage "Sonderdienst für unsere Leser" kein Geld bekommen habe, konnte doch nicht der Eindruck entstanden sein, die Beklagte mache, um möglichste Objektivität bemüht, Mitteilung von erschienenen Büchern, die sie auf Grund ihrer Prüfung den Lesern empfehle; vielmehr lag im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes eindeutig ein Werbeprospekt vor. War damit aber die vom Gesetzgeber befürchtete Irreführung nicht zu befürchten, dann kann der Beklagten kein Verstoß gegen § 26 MedienG vorgeworfen werden (4 Ob 129/90).

Im übrigen hat das Rekursgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes den von der Klägerin beanstandeten Verstoß der Beklagten gegen die GewO verneint (§ 510 Abs 3 ZPO): Ob schon ein Anbieten im Sinne des § 1 Abs 4 Satz 2 GewO vorliegt, entscheidet sich ausschließlich nach den objektiven Kriterien des dem Angebot zugrunde liegenden Sachverhaltes. Es begründet demnach keinen Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften, wenn ein Gewerbetreibender im Rahmen seines Betriebes für (branchenfremde) Veranstaltungen oder Tätigkeiten wirbt, die ein anderer Gewerbeberechtigter auf Grund seiner Konzession durchführt (eco 1990, 298; 4 Ob 113/90).

Ebenso zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, daß die mit der Fassung des Sicherungsbegehrens zu 2. beanstandete Irreführungseignung in dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt keine Deckung findet. Die von der Klägerin in erster Instanz noch darüber hinaus beanstandete Eignung zur Irreführung darüber, daß ein besonders günstiges Exklusivangebot nur für die Leser der "Ganzen Woche" vorliege, hat in der Fassung ihres Unterlassungsbegehrens zu

2. keinen Niederschlag gefunden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Dem Revisionsrekurs mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben. Der Kostenausspruch beruht auf § 402 Abs 2, § 78 EO und §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO. Dabei war wegen der rechtskräftigen Erledigung des - von der Klägerin nicht gesondert

bewerteten - Sicherungsantrages zu 3. lediglich von drei Vierteln des Gesamtstreitwertes als Bemessungsgrundlage auszugehen.

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