OGH 1Ob1576/90 (1Ob659/90)

OGH1Ob1576/90 (1Ob659/90)12.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Manfred F***, geboren am 1.November 1973, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Manfred F***, Schlosser, Vöcklabruck, Volkssiedlung 19/1/3, und des zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen als Sachwalter bestellten Bezirksjugendamtes für den 6. und 7.Bezirk, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 12.Februar 1990, GZ 43 R 295/90-237, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23.April 1990, GZ 3 P 486/82-233, zum Teil aufgehoben, zum Teil abgeändert und zum Teil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird zurückgewiesen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Bezirksjugendamtes für den 6. und 7.Bezirk wird in Ansehung des aufhebenden Teiles des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen. Im übrigen wird diesem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge gegeben, der angefochtene Beschluß in Ansehung seines abändernden Teiles aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters aufgetragen.

Text

Begründung

Die Obsorge für den mj.Manfred F***, geboren am 1.November 1973, aus der am 17.Dezember 1981 einvernehmlich geschiedenen Ehe der Eltern steht der Mutter zu. Der Vater war zuletzt auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 6.August 1987, 3 P 486/82-148, zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes von S 2.150 für den Minderjährigen verpflichtet. Der Vater verfügte 1989 über ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 18.114. Nach Abzug der Kosten für einen Wohnhaussanierungskredit (der Vater und seine zweite Frau Christine F*** sind Invaliden) von monatlich S 642 ergibt sich eine Unterhaltsbemessungsgrundlage von monatlich S 17.472.

Infolge eines Unterhaltserhöhungsantrages des zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen als besonderer Sachwalter bestellten Bezirksjugendamtes für den 6. und 7.Bezirk erhöhte das Erstgericht die Unterhaltsverpflichtung des Vaters von monatlich S 2.150 ab 1.Jänner 1989 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes, auf S 3.700 und wies das Mehrbegehren ab. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß die Mutter ihre Unterhaltspflicht iS des § 140 Abs 2 ABGB durch die Betreuung des Kindes in ihrem Haushalt erfülle. Im übrigen sei der Unterhalt minderjähriger Kinder grundsätzlich im Bereich der Prozentkomponente festzusetzen. Auf Grund seines Alters habe der Minderjährige Anspruch auf 21 % (22 % abzüglich 1 % für die mj.Sandra F***). Der dem Minderjährigen ab 1.Jänner 1989 zugesprochene monatliche Unterhaltsbeitrag von S 3.700 liege im Bereich des aufgezeigten Prozentwertes und entspreche auch der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vaters. Die monatlichen Aufwendungen für Kredite, ausgenommen des Wohnhaussanierungskredites, und die Kosten des täglichen Lebens seien nicht geeignet, den Unterhaltsanspruch des Minderjährigen zu verringern; der vom Vater behauptete vierteljährliche Mehraufwand von S 512 stelle eine zu vernachlässigende Größe dar. Daß der Vater ab 1.April 1990 ein geringeres Einkommen erzielen werde, könnte erst nach Überprüfung des Einkommens über einen repräsentativen Zeitraum beurteilt werden. Es stehe jedoch dem Vater frei, einen entsprechenden Herabsetzungsantrag zu stellen.

Infolge Rekurses des Vaters hob das Gericht zweiter Instanz den erstgerichtlichen Beschluß für den Zeitraum ab 1.Jänner 1990 auf; bis 31.Dezember 1989 setzte es den monatlichen Unterhaltsbeitrag des Vaters auf S 3.000 herab. Da den Vater noch eine weitere Sorgepflicht für die mj.Sandra treffe und weder behauptet worden noch erkennbar sei, daß die Sorgepflicht des Vaters für seine Gattin weggefallen sei, werde ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 3.000 den Lebensverhältnissen des Vaters als angemessen erachtet. Dieser Betrag sei ihm auch zur Leistung zumutbar; er könne mit dem verbleibenden Restbetrag in ähnlicher Relation seine Bedürfnisse decken, wie dies das Kind mit einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 3.000 könne.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem er erkennbar die Abweisung des gesamten Erhöhungsantrages anstrebt, ist unzulässig, weil er keine erheblichen Rechtsfragen iS des § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989 aufzeigt.

Soweit sich der außerordentliche Revisionrekurs des besonderen Unterhaltssachwalters gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung richtet, ist er gleichfalls unzulässig, weil das Rekursgericht nicht aussprach, daß in diesem Umfang der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei (§ 14 Abs 4 AußStrG idF der WGN 1989); im übrigen ist er jedoch iS des § 14 Abs 1 und 3 AußStrG idF der WGN 1989 zulässig und gerechtfertigt.

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen, doch leistet Abs 2 zufolge der Elternteil, der den Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag; er hat zum Unterhalt des Kindes darüber hinaus nur beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müßte, als seinen Lebensverhältnissen angemessen wäre. Bei der Unterhaltsbemessung kommt es daher vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an, doch darf der Unterhaltsschuldner nicht über seine konkrete Leistungsfähigkeit hinaus zu Unterhaltsleistungen verhalten werden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seinen Entscheidungen 4 Ob 532/90 und 6 Ob 563/90 ausgesprochen hat, bietet das Gesetz für die Lösung der Frage, nach welchen Kriterien der Beitrag der Eltern zu ermitteln ist, durch die Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern sowie deren Verpflichtung, zum Unterhalt nach ihren Kräften beizutragen, einen Anhaltspunkt. Ein konkretes ausschließlich heranzuziehendes Berechnungssystem kann allerdings dem Gesetz, das die Bemessungskriterien nur durch unbestimmte Rechtsbegriffe umschreibt, nicht entnommen werden. Auch der Oberste Gerichtshof kann daher nicht Regeln der Unterhaltsbemessung derart zu einem System verdichten, daß als Ergebnis geradezu eine Tabelle für jeden möglichen Anspruchsfall zur Verfügung stünde. In Fragen der Unterhaltsbemessung hat sich der Oberste Gerichtshof vielmehr darauf zu beschränken, jene Umstände zu bezeichnen, auf die es im Einzelfall ankommt (vgl Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 in ÖJZ 1989, 743, 748; 4 Ob 532/90, 6 Ob 563/90). Demnach kann er auch entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs keine Prozentsätze festlegen. Solche Hundertsätze werden allerdings bei der konkreten Berechnung eines Unterhaltsanspruches im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle heranzuziehen und offenzulegen sein. Der Zuspruch des Unterhaltes jeweils in Höhe des Regelbedarfes würde freilich dem Gesetz widersprechen, soweit ein solcher Betrag nicht auch den Lebensverhältnissen der Eltern gerecht würde (vgl Pichler in Rummel2 Rz 5 a zu § 140). Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 6 Ob 563/90 klarstellte, ist es für die hier im Vordergrund stehende Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gerechtfertigt, jenen Teil des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Unterhaltsschuldners, der diesem auch im Falle der exekutiven Durchsetzung des Unterhaltstitels (§ 6 LPfG) verbleiben muß, von der Bemessung auszunehmen und damit bloß den der Pfändung unterworfenen Bezugsteil entsprechend dem festgestellten Bedarf der Unterhaltsberechtigten auf die miteinander konkurrierenden Unterhaltsberechtigten aufzuteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß den Eltern die Einrede, bei der gegebenen Unterhaltsbemessung sei ihr eigener angemessener Unterhalt gefährdet (sogenanntes "benficium competentiae"; vgl Pichler aaO Rz 5 zu § 141), nicht zusteht, andererseits aber auch, daß der Unterhaltsschuldner nicht über Gebühr in Anspruch genommen werden darf, weil er sonst in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre oder an der Erzielung weiteren Einkommens kein Interesse mehr haben könnte. Das Rekursgericht hat in seiner Entscheidung die erstgerichtlichen Tatsachengrundlagen übernommen, eshat aber nicht dargelegt von welchen nachvollziehbaren Erwägungen es bei seiner Unterhaltsfestsetzung ausging. Dem angefochtenen Beschluß läßt sich weder entnehmen, wieso gerade ein monatlicher Betrag von S 3.000 bei den wirtschaftlichen Verhältnissen des Vaters zu einer gleichmäßigen Befriedigung sämtlicher Unterhaltsberechtigten führen würde, noch findet sich eine Aufklärung, wie das Rekursgericht, das die von ihm früher angewendete Prozentmethode, die jedenfalls eine Orientierungshilfe bieten würde, nicht heranzog, in gleichgelagerten Fällen entschieden hat und in welchem Umfang es allenfalls bei der konkreten, dem Einzelfall gerecht zu werdenden Bemessung des Unterhaltsbetrages davon abwich. Nur wenn das Rekursgericht seine Entscheidungsgrundlagen offenlegt, wie dies Rechtssicherheit und Vergleichbarkeit erfordert, wird eine Prüfung durch den Obersten Gerichtshof in der Richtung möglich sein, ob es diesen Fall in Übereinstimmung mit gleichgelagerten Fällen löste, somit nicht unter Ermessensmißbrauch willkürlich vorging. Dies wird es nachzuholen haben.

Demgemäß ist dem Rechtsmittel Folge zu geben und der mit einem Begründungsmangel behaftete Beschluß der zweiten Instanz in seinem abändernden Teil zur Fällung einer neuerlichen Entscheidung aufzuheben.

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