OGH 9ObA185/90 (9ObA186/90, 9ObA187/90, 9ObA188/90, 9Ob189/90)

OGH9ObA185/90 (9ObA186/90, 9ObA187/90, 9ObA188/90, 9Ob189/90)12.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinrich Basalka und Margarethe Heidinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Milan M***, Arbeiter, Wien 3, Adamsgasse 17/3, 2. Slobodanka D***, Arbeiterin, Wien 17,

Bergsteiggasse 34/11, 3. Slobodan D***, Arbeiter, Wien 17,

Bergsteiggasse 34/11, 4. Hildegard H***, Arbeiterin, Wien 3, Blattgasse 11/2, und 5. Bozica M***, Arbeiterin, Wien 3, Hintzerstraße 6/2, alle vertreten durch Dr. Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Buchbinderei Hermann S***, Wien 3, Marxergasse 34, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, wegen zu 1. 90.441,87 S brutto und 307,70 S netto und Dienstzeugnis, zu 2. 66.899,23 S brutto und Dienstzeugnis, zu 3. 97.091,75 S brutto und Dienstzeugnis, zu 4. 123.597,23 S brutto, Feststellung (Streitwert 9.901,27 S) und Dienstzeugnis und zu 5. 86.550,94 S brutto und Dienstzeugnis (Gesamtstreitwert 624.789,99 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 1990, GZ 32 Ra 39/90-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14. Dezember 1989, GZ 16 Cga 12-16/89-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 22.068,41 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.678,07 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger waren durchwegs seit dem Jahre 1978 oder einem früheren Zeitpunkt als Hilfsarbeiter bei der beklagten Partei beschäftigt; Inhaber des Unternehmens war Hermann S***. Mit Notariatsakt vom 29. Mai 1984 wurden dieses Unternehmen und die Einzelfirma Buchbinderei Karl S*** an die "Karl S*** Gesellschaft mbH" - in der Folge geändert in "S***

Gesellschaft mbH" - veräußert. Die neue Firmenbezeichnung sollte lauten "Firma Hermann S***, Inhaber: S*** Gesellschaft mbH". Tatsächlich trat das Unternehmen auch nach der Veräußerung an die S*** Gesellschaft mbH unter der Firma "Hermann S***" auf. Weder die Mitarbeiter noch auch die Gebietskrankenkasse wurden über die Veräußerung des Unternehmens an eine Gesellschaft mbH informiert. Per 18. April 1989 erklärten sämtliche Kläger nach Setzung einer Nachfrist ihren Austritt gegenüber der beklagten Partei wegen Vorenthaltens der Bezüge.

Am 3. Mai 1989 wurde der Konkurs über das Vermögen der S*** Gesellschaft mbH eröffnet. Nach Einbringung der vorliegenden Klagen meldeten die Kläger ihre Forderungen auch im Konkurs der Gesellschaft mbH an. Sämtliche Forderungen wurden vom Masseverwalter in voller Höhe anerkannt.

Die Kläger machen der Höhe nach nicht mehr strittige Beträge an restlichem Entgelt und austrittsabhängigen Ansprüchen geltend und begehren ferner die Ausstellung von Dienstzeugnissen. Hermann S*** sei den Klägern gegenüber immer als Arbeitgeber aufgetreten. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren, wandte mangelnde Passivlegitimation ein und brachte vor, daß die Veräußerung des Unternehmens an die S*** Gesellschaft mbH den Klägern bekannt gewesen sei. Überdies seien die von den Klägern im Konkurs der S*** Gesellschaft mbH angemeldeten Forderungen vom Masseverwalter anerkannt worden.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt und vertrat die Rechtsauffassung, daß mangels Kenntnis vom Unternehmensübergang eine schlüssige Zustimmung der Arbeitnehmer zur Vertragsübernahme durch die Gesellschaft mbH nicht in Betracht komme, so daß als Arbeitgeber weiterhin die beklagte Partei anzusehen sei. Sollte eine Schuldübernahme oder ein Schuldbeitritt der Gesellschaft mbH vorliegen, wirke dies nur im Innenverhältnis gegenüber der beklagten Partei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, daß das Anerkenntnis des Masseverwalters - inbesondere bezüglich der Anspruchsbegrenzung des § 1 Abs 3 Z 3 IESG - noch der Prüfung des Arbeitsamtes unterliege, so daß nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Kläger durch dieses Anerkenntnis einen "tatsächlich und rechtlich durchsetzbaren Anspruch" auf Zahlung durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds erworben haben. Da die Zustimmung der Kläger zur Übertragung der Arbeitsverhältnisse auf die S*** Gesellschaft mbH nicht einmal schlüssig erfolgt sei, sei die beklagte Partei weiterhin als Arbeitgeber der Kläger anzusehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung der Klagebegehren abzuändern.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit der Revisionswerber die Auffassung vertritt, eine Zustimmung der Kläger zur Übertragung der Arbeitsverhältnisse sei nicht erforderlich gewesen, weil die S*** Gesellschaft mbH als Gesamtrechtsnachfolgerin des Einzelunternehmens anzusehen sei, ist ihm zu erwidern, daß bei Einbringung eines Unternehmens eines Einzelkaufmannes oder einer Personengesellschaft in eine Gesellschaft mbH immer nur eine Einzelrechtsnachfolge vorliegt, da das übertragende Rechtssubjekt (der bisherige Inhaber) nicht erlischt, sondern im Gegenteil den Gläubigern gegenüber für die bisherigen Unternehmensverbindlichkeiten weiterhin haftet (vgl. auch Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes4, 273; Reich-Rohrwig GesmbH-Recht, 35; Hügel, Gesamtrechtsnachfolge und Strukturverbesserungsgesetz, 22 f).

Die beklagte Partei hat im Verfahren erster Instanz das mangelnde Rechtsschutzbedürfnis der Kläger - zwar nicht ausdrücklich, aber durch die Berufung auf das Anerkenntnis der gegenständlichen Forderungen durch den Masseverwalter im Konkurs der S*** Gesellschaft mbH deutlich erkennbar - geltend gemacht. Von der Rechtsprechung (SZ 21/124; ÖBl 1979, 81; JBl 1980, 488;

JBl 1981, 41; ÖBl 1983, 16, zuletzt 4 Ob 31/88 und 8 Ob 713/89) und einem Teil der Lehre (Petschek-Stagel, Der österreichische Zivilprozeß, 245 f; Novak ÖJZ 1952, 27; Novak JBl 1964, 1 ff Ä6Ü;

ablehnend Fasching ZPR Rz 742; Schumann "Kein Bedürfnis für das Rechtsschutzbedürfnis" 438 ff) wurde das Rechtsschutzbedürfnis insbesondere in jenen Fällen verneint, in denen dem Kläger bereits ein Exekutionstitel gegen die beklagte Partei zur Verfügung stand. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Schaffung eines weiteren Titels gegen dasselbe Rechtssubjekt, sondern um die Durchsetzung einer bisher noch nicht erfüllten Forderung gegen einen weiteren Schuldner. Zieht man in Betracht, daß die Kläger für ihre Forderungen bisher nur einen Exekutionstitel gegen eine insolvente Kapitalgesellschaft erlangt haben, die mit der beklagten Partei nicht identisch ist, dann kann ihnen ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erlangung eines Exekutionstitels auch gegen die beklagte Partei nicht abgesprochen werden. Aber auch wenn man eine volle Sicherung der Forderungen der Kläger nach dem IESG unterstellt, führt dies nicht zur Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses, da selbst ein Titel gegen eine Körperschaft öffentlichen Rechts (etwa die Republik Österreich) den Gläubiger nicht hindert, einen weiteren Schuldner für seine Forderung in Anspruch zu nehmen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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