Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluß forderte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien die Antragsgegnerin über Antrag der Amtspartei Österreichischer Arbeiterkammertag gemäß §§ 57 f KartG 1988 ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen (§ 57 Abs 2 S 1), aber mit Belehrung über die Rechtsfolgen der Nichtbefolgung des Auftrages (§ 57 Abs 2 und § 130) und über die notwendige Vertretung durch einen Kartellbevollmächtigten (§ 54), als Mitglied eines Bagatellkartells auf, dieses Kartell binnen einem Monat ab Zustellung des Beschlusses dem Kartellgericht anzuzeigen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Antragsgegnerin durch einen gewählten Rechtsanwalt erhobene Rekurs ist zulässig und im Ergebnis berechtigt. Gemäß § 43 KartG 1988 entscheiden das Kartellgericht und das Kartellobergericht in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Nach § 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher ein schlüssig behaupteter Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (SZ 42/176; SZ 50/41 ua.). Unter einer anfechtbaren Verfügung ist eine auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichtes zu verstehen, deren Abänderung oder Aufhebung das dagegen erhobene Rechtsmittel bezweckt. Bei Prüfung in dieser Richtung ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist also mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung nur dort abzulehnen, wo die Rechtsstellung des Beteiligten nicht gefährdet ist (SZ 50/41 mwN).
Durch den angefochtenen Beschluß wird die Rechtsstellung der Antragsgegnerin verändert, und sie ist hiedurch auch - sollte sie tatsächlich Mitglied eines Bagatellkartells sein - beschwert. Bis zum Ablauf der gesetzten Frist durfte die Antragsgegnerin nämlich gemäß § 18 Abs 1 Z 1 KartG ein allenfalls bestehendes solches Kartell auch ohne Anzeige durchführen. Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist wäre ihr jedoch die auch nur teilweise weitere Durchführung gemäß § 58 iVm § 57 Abs 3 KartG sogar unter strafgerichtlicher Sanktion (§ 130 Abs 1 KartG) verboten. Die Erhebung des vorliegenden Rekurses durch einen gewählten Rechtsanwalt statt einen Kartellbevollmächtigten war erlaubt. Die vom Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichts gemäß § 58 iVm § 57 Abs 2 KartG in den Beschluß aufgenommene Belehrung über die Bestimmung des § 54 KartG - wonach sich die Kartellmitglieder vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht durch einen im Inland wohnhaften Kartellbevollmächtigten vertreten lassen müssen - gilt noch nicht für das Rechtsmittelverfahren über die Aufforderung durch das Kartellgericht zur Anzeige, weil hier noch keine Gemeinschaftsrechte auszuüben sind oder betroffen werden (siehe die Möglichkeit nach § 57 Abs 1 KartG, ohne Bestellung eines Kartellbevollmächtigten um Fristverlängerung anzusuchen; vgl. auch § 54 Abs 2 KartG und Jelinek, ÖBl. 1968, 25 Ä28Ü).
In der Sache selbst richtet sich der Rekurs dagegen, daß die Aufforderung zur Anzeige des angeblichen Bagatellkartells ohne jede Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für die Beschlußfassung erteilt worden sei. Der bloße Verweis auf den Text des Gesetzes stelle eine mit Nichtigkeit behaftete Scheinbegründung dar, eine vermeintliche Bindung des Kartellgerichtes an den Antrag einer Amtspartei verstoße gegen das Verfassungsgebot der Trennung von Justiz und Verwaltung, somit gegen Art. 6 MRK und Art. 83 Abs 2 B-VG.
Bei der allseitigen rechtlichen Überprüfung des angefochtenen
Beschlusses ist wahrzunehmen, daß der bekämpfte Auftrag des
Stellvertreters des Vorsitzenden des Kartellgerichtes dem § 58 iVm
§ 57 Abs 1 KartG 1988 schon formell nicht entspricht. Auf Antrag
einer Amtspartei sind nämlich gemäß § 58 KartG bei Bagatellkartellen
deren Mitglieder aufzufordern, binnen einem Monat das
Kartell dem Kartellgericht anzuzeigen. Nach dieser klaren
Gesetzesbestimmung kann die Aufforderung nicht wirksam allein an
e i n angebliches Mitglied eines Bagatellkartells gerichtet
werden. Eine solche Aufforderung wäre auch sachlich ohne Sinn. Dem
einzelnen Aufgeforderten wäre zwar sodann die weitere Durchführung
des Kartells untersagt (§ 58 iVm § 57 Abs 3 KartG), nicht aber allen
übrigen möglichen Kartellanten. Nur die Zustellung der
Aufforderung genügt gemäß § 58 iVm § 57 Abs 2 KartG an ein einziges Kartellmitglied. Das ist zwar auch nicht immer zielführend, weil sich ein Kartellmitglied, dem kein Verschulden an einer weiteren Durchführung des Kartells vorgeworfen werden kann (etwa infolge nicht einmal fahrlässiger Unkenntnis der Aufforderung), nicht nach § 130 KartG strafbar macht; die Bestimmung mag aber bei vermuteten Bagatellkartellen großen Umfangs und häufig wechselnden Teilnehmern ihren Sinn haben. Im allgemeinen ist jedoch auch die Zustellung an alle bekannten Kartellmitglieder zu empfehlen.
Das Erstgericht wird daher den vorliegenden Antrag der Amtspartei Österreichischer Arbeiterkammertag zunächst dahin zu prüfen haben, welche gerichtsbekannten oder von dieser Amtspartei namhaft gemachten Mitglieder des angeblichen Bagatellkartells im Sinne des § 58 iVm § 57 Abs 1 KartG zur Anzeige des Kartells aufzufordern sind.
Auf die weiteren im Rekurs angeschnittenen Rechtsfragen betreffend die Zulässigkeit dieses Auftrages ist vorläufig nicht einzugehen, um die übrigen möglichen Antragsgegner nicht zu präjudizieren.
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