OGH 4Ob537/90

OGH4Ob537/9030.5.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Miriam R***, geboren am 30. November 1982, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen vertreten durch ihre Mutter Maria R***, derzeit Schweden, sowie der Mutter selbst, diese vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St.Pölten, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Jänner 1990, GZ 47 R 24/90-187, womit die Rekurse der Minderjährigen und ihrer Mutter gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 27. September 1989, GZ 3 P 117/89-168 und 169, zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 10. 2. 1987, 2 P 6/86-59 - welcher im Instanzenzug bestätigt wurde - hatte das Bezirksgericht St.Pölten alle rein persönlichen elterlichen Rechte und Pflichten im Sinn des § 144 ABGB aF der Mutter übertragen. Das Erstgericht, das mittlerweile die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache nach § 111 JN übernommen hatte (ON 97), übertrug mit Beschluß vom 27. 9. 1989, ON 168, die Obsorge für die Minderjährige vorläufig dem Vater und setzte diese Maßnahme sofort in Vollzug; am selben Tag bestellte es für die abwesende Mutter einen Abwesenheitskurator zu ihrer Vertretung im Verfahren wegen Übertragung der Obsorge (ON 169). Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Gericht zweiter Instanz (ua) den Rekurs der Minderjährigen gegen den Beschluß ON 168 und den Rekurs der Mutter gegen den Beschluß ON 169 als unzulässig zurück. Da mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 17. 1. 1990, 47 R 36/90, die Erstrichterin als befangen erkannt und gleichzeitig die von ihr gefaßten Beschlüsse ON 168 und 169 gemäß § 25 JN als nichtig aufgehoben worden seien, fehle den Rechtsmittelwerbern die Beschwer. Ein Ausspruch über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen diese Entscheidung sei nach Ansicht des Rekursgerichtes nicht erforderlich, weil § 519 Abs 1 Z 1 ZPO auch im außerstreitigen Rekursverfahren sinngemäß angewendet werden könne.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der "Rekurs" (richtig: Revisionsrekurs) der Minderjährigen sowie ihrer Mutter (S. 732) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Rechtsmittelwerber auf die im Ablehnungsverfahren ergangene Rekursentscheidung verwiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist unzulässig.

Die Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß es im Fall der Zurückweisung eines Rekurses keinen Ausspruch nach § 13 Abs 1 Z 3 AußStrG zu machen habe, kann allerdings nicht geteilt werden:

Nach § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989 ist gegen den Beschluß des Rekursgerichtes der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn eine Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Ein "Revisionsrekurs" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist aber entgegen der Meinung des Gerichtes zweiter Instanz nicht nur das Rechtsmittel gegen eine abändernde oder bestätigende Entscheidung eines Rekursgerichtes, wäre doch bei dieser Auslegung mangels einer dem § 514 Abs 1 ZPO entsprechenden allgemeinen Vorschrift des Außerstreitgesetzes über die Zulässigkeit von Rekursen - § 9 AußStrG regelt nur die Rekurse gegen Beschlüsse erster Instanz - gegen Zurückweisungsbeschlüsse des Rekursgerichtes überhaupt kein Rechtsmittel zulässig (Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, ÖJZ 1989, 743 ff Ä751Ü). Nach der ständigen Rechtsprechung zu § 14 AußStrG idF vor der WGN 1989 war der (Revisions-)Rekurs gegen einen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz, mit dem ein Rekurs zurückgewiesen worden war, zulässig (SZ 43/234; EFSlg. 47.135, 58.304 uva); eine Änderung dieser Rechtslage war aber vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt. Da § 14 Abs 1 AußStrG keinen Unterschied zwischen Beschlüssen des Rekursgerichtes macht, mit denen in der Sache selbst erkannt, und solchen, mit denen nur formell über ein Rechtsmittel entschieden wird, ist daher der "Revisionsrekurs" gegen einen Zurückweisungsbeschluß gleichfalls nur dann zulässig, wenn - abgesehen von den Fällen des § 14 Abs 2 AußStrG - die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG abhängt (vgl die Rechtsprechung zu § 528 ZPO idF vor der WGN 1989: ÖBl 1984, 50; RZ 1988/18 ua). Für eine analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist hier angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 14 Abs 1 AußStrG kein Raum. Im vorliegenden Fall wäre es aber ein überflüssiger Formalismus, wollte man die Akten dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückstellen, seinen Beschluß durch einen Ausspruch nach § 13 Abs 1 Z 3 AußStrG zu ergänzen, an den der Oberste Gerichtshof ohnehin nicht gebunden wäre (§ 16 Abs 3 AußStrG; § 508 a Abs 1 ZPO); schon jetzt kann nämlich kein Zweifel darüber bestehen, daß der Revisionsrekurs - wie auch immer der Ausspruch des Rekursgerichtes ausgefallen wäre - mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG als unzulässig zurückzuweisen ist, steht doch die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes:

Die Rechtsmittelwerber geben als richtig zu, daß die von ihnen beim Rekursgericht angefochtenen Beschlüsse des Erstgerichtes im Ablehnungsverfahren als nichtig aufgehoben worden und demnach "nicht mehr existent" sind; bei dieser Sachlage waren aber die Minderjährige und ihre Mutter zur Zeit der Entscheidung über ihre Rechtsmittel nicht mehr beschwert. Eine solche Beschwer ist nach Lehre und Rechtsprechung eine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (EvBl 1963/346; EvBl 1988/100 uva). Gegen die Richtigkeit dieser Rechtsprechung führen die Rechtsmittelwerber keinerlei Argumente ins Treffen. Die von ihnen angestrebte "Verweisung" auf die Entscheidung, mit denen die vom Erstgericht gefaßten Beschlüsse ON 168 und 169 als nichtig aufgehoben wurden, bedeutet im übrigen inhaltlich nichts anderes als eine Zurückweisung des Rechtsmittels mangels Beschwer.

Da im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Entscheidung nicht von der Lösung einer im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage abhängt, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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