OGH 8Ob278/70

OGH8Ob278/7015.12.1970

SZ 43/234

Normen

Außerstreitgesetz §16
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §10
Staatsbürgerschaftsgesetz §6
Staatsbürgerschaftsgesetz §12
Staatsbürgerschaftsgesetz §13
Staatsbürgerschaftsgesetz §14
Staatsbürgerschaftsgesetz §19
Außerstreitgesetz §16
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §10
Staatsbürgerschaftsgesetz §6
Staatsbürgerschaftsgesetz §12
Staatsbürgerschaftsgesetz §13
Staatsbürgerschaftsgesetz §14
Staatsbürgerschaftsgesetz §19

 

Spruch:

§ 19 StbG 1965 geht als spezielle Kollisionsnorm der allgemeinen Kollisionsnorm des § 10 der 4. DVEheG vor

OGH 15. Dezember 1970, 8 Ob 278/70 (LGZ Wien 43 R 457/70; BG Favoriten 1 P 488/69)

Text

Der am 9. Mai 1965 geborene mj Bassam Samir Mohamed Al T entstammt der standesamtlich geschlossenen, inzwischen mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Juli 1966 rechtskräftig aus beiderseitigem gleichteiligem Verschulden geschiedenen Ehe der Christine Al T, geborenen F, und des Samir Al

T.

Das Erstgericht verfügte mit Beschluß vom 2. Juli 1970: 1. Abweisung des Antrages des ehelichen Vaters, den Minderjährigen seiner Verfügungsgewalt nach jordanischem Recht zuzuweisen und bei seinem Verlassen Österreichs den Minderjährigen mit ihm reisen zu lassen;

2. Verbleiben des Minderjährigen bis auf weiteres zur Erziehung und Pflege im Haushalte der Großeltern mütterlicherseits;

3. Ersatz der verweigerten Zustimmung des Vaters zu einem Antrag der Mutter auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Minderjährigen;

4. Verpflichtung des Vaters zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 200 S ab 10. Juli 1968 unter Abweisung des Mehrbegehrens;

5. Kenntnisnahme der Erklärung des Vaters, bei der zuständigen jordanischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Reisedokumentes für den Minderjährigen ungesäumt zu veranlassen.

Das Erstgericht führte im wesentlichen aus: Nach § 10 der 4. DVEheG sei das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern eines Kindes (richtig zwischen Eltern und Kind) nach dem Rechte des Staates zu beurteilen, dessen Staatsangehörigkeit der Vater besitze, daher im vorliegenden Falle nach jordanischem Recht. Dieses bestimme, daß der Vater über Kinder aus einer standesamtlich geschlossenen Ehe die ausschließliche Gewalt habe. Eine solche Bestimmung, die keinerlei Rücksicht auf das Wohl des Kindes, aber auch nicht auf Beruf, Persönlichkeit und Eigenschaften der Eltern und auf die Ursache der Scheidung nehme, widerspreche dem ordre public. Es sei daher nach österreichischen Rechtsvorschriften zu entscheiden gewesen. Der Minderjährige lebe seit seiner Geburt im sehr ordentlich geführten Haushalt der mütterlichen Großeltern, bewohne dort ein Kabinett und sei tagsüber in einem städtischen Kindergarten untergebracht. Der Großvater betreibe eine Schlosserwerkstätte, die Großmutter versehe den Haushalt, die Großeltern seien in liebevoller Weise um das Kind bemüht. Die Mutter, die als Mannequin, Fotomodell und Filmstarlet in Deutschland und Österreich arbeite und eine eigene Zweizimmer-Küche-Wohnung im 10. Wiener Gemeindebezirk besitze, leiste für das Kind Unterhaltsbeiträge, der Vater, der mit dem Kind in ständiger Verbindung stehe und es wöchentlich besuche - nur im Jahre 1969 seien die Besuche monatelang unterbrochen gewesen - erbringe keine regelmäßigen Unterhaltsbeiträge. Es sei daher im Interesse des Kindes gelegen, wenn es in seinem bisherigen Lebenskreis belassen werde. Dagegen drohe die Gefahr, daß das Kind schwerste seelische Schäden leide, wenn es aus seinen bisherigen geordneten Verhältnissen gerissen und in eine völlig anders geartete Umgebung gebracht werden würde, wo es sich nicht einmal verständigen könnte. Daher sei es auch folgerichtig, dem Kind die Einbürgerung in Österreich zu ermöglichen. Das Wohl des Kindes verlange daher, die mangelnde Zustimmung des Vaters zum Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch das Pflegschaftsgericht zu ersetzen. Der Vater erhalte als Student nicht ganz regelmäßig monatliche Unterstützungsgelder von 2300 bis 2500 S durch seinen Vater, wovon er seinen Lebensunterhalt und sein Medizinstudium bestreite. Da eine genaue Erfassung der Geldüberweisungen kaum oder nur sehr schwer möglich sei, scheine ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von 200 S angemessen. Das Mehrbegehren der Mutter, die 450 S monatlich verlangt hatte, sei abzuweisen.

Der Beschluß wurde vom ehelichen Vater in seinen Punkten 2 und 5 sowie im Punkt 4 insoweit, als ein Unterhaltsmehrbegehren der Mutter abgewiesen und er zu einer Unterhaltsleistung von monatlich 200 S ab 15. Juni 1970 verhalten wurde, nicht bekämpft. Im übrigen, d h also in den Punkten 1 und 3 sowie in Punkt 4 hinsichtlich der Auferlegung eines Unterhaltes für die Zeit vom 10. Juli 1968 bis 14. Juni 1970 erhob der Vater gegen den erstgerichtlichen Beschluß Rekurs. Die Mutter ließ die Abweisung ihres Mehrbegehrens unangefochten.

Das Rekursgericht wies den Rekurs gegen P 1 des erstgerichtlichen Beschlusses als unzulässig zurück, bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß in seinem P 3 und hob diesen Beschluß im P 4 auf, insoweit dem Vater eine Unterhaltsleistung von 200 S monatlich vom 10. Juli 1968 bis 14. Juni 1970 auferlegt worden war. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus: Infolge der rechtskräftigen Regelung der Pflege und Erziehung des Minderjährigen durch P 2 des Beschlusses, mit welcher Regelung der Vater des Minderjährigen einverstanden gewesen sei, habe der Vater kein rechtliches Interesse an der derzeit nicht aktuellen Rechtsfrage, ob der Minderjährige in Zukunft ihm, auch mit der Befugnis zu der Ausreise aus Österreich, zuzuweisen sein werde. Es bestehe daher insoweit kein Rechtsschutzinteresse des Rekurswerbers. Der Rekurs gegen P 3 des erstgerichtlichen Beschlusses sei aus den Gründen des Erstgerichtes nicht gerechtfertigt. Auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber dem Minderjährigen sei jordanisches Recht anzuwenden, das vom Erstgericht nicht geprüft worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Vaters des Minderjährigen gegen die Zurückweisung des Rekurses, mit dem der Rechtsmittelwerber den erstgerichtlichen Beschluß in P 1 bekämpfte, keine Folge und wies den Revisionsrekurs des Vaters des Minderjährigen gegen die Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses P 3 zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Soweit sich das Rechtsmittel des Vaters gegen die Zurückweisung seines Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluß P 1 richtet, ist es ein zulässiger Rekurs (SZ 40/1). Es ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Worin die Nichtigkeit bestehen soll, wird im Rekurs nicht ausgeführt. Auch nach der Aktenlage ist eine Nichtigkeit nicht gegeben.

Der Rekurswerber macht geltend, die Zurückweisung verletze sowohl die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes als auch die heranzuziehenden Regeln des jordanischen Rechtes (ohne diese Bestimmungen näher anzuführen); das Rekursgericht hätte, wenn es von der rechtskräftigen Regelung der Pflege und Erziehung des Minderjährigen ausgehe, allenfalls P 1 des erstgerichtlichen Beschlusses dahin abändern müssen, daß der Antrag des Vaters, den Minderjährigen dem Vater in dessen Verfügungsgewalt nach jordanischem Recht zuzuweisen, und den Minderjährigen bei einem Verlassen Österreichs mit dem Vater mitreisen zu lassen, mangels Rechtsschutzinteresses zurückgewiesen werde.

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Vater des Minderjährigen, der sein Einverständnis damit erklärt hat, daß der Minderjährige vorläufig, bis auf weiteres - etwas anderes hat auch das Erstgericht nicht verfügt - in Pflege und Erziehung der mütterlichen Großeltern bleibe, nicht gleichzeitig die Zuweisung des Minderjährigen in seine Verfügungsgewalt begehren kann. Denn diese Verfügungsgewalt könnte sich derzeit, solange der Minderjährige in Pflege und Erziehung der mütterlichen Großeltern sei, nicht auswirken. Daher hat das Rekursgericht ein Rechtsschutzinteresse des Rekurswerbers an der derzeitigen Beschlußfassung über eine in Zukunft etwa zu treffende Verfügung mit Recht verneint. Ebenso kann dem Rekurswerber kein rechtliches Interesse an der Entscheidung der Frage zugebilligt werden, ob schon das Erstgericht seinen diesbezüglichen Antrag richtig hätte zurückweisen und nicht abweisen sollen. Der Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß P 1 war auf jeden Fall zurückzuweisen. Insoweit war dem Rekurs daher keine Folge zu geben.

Soweit sich das Rechtsmittel des Vaters gegen die Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses in P 3 richtet, ist es ein ao Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG. Dieser ist unzulässig.

Die allein zulässigen Anfechtungsgrunde sind nach der angeführten Gesetzesstelle Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und offenbare Gesetzwidrigkeit. Von den beiden erstgenannten Gründen wird vom Revisionswerber die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ausgeführt, eine Aktenwidrigkeit wird gar nicht geltend gemacht. Diese Anfechtungsgrunde sind auch nach der Aktenlage nicht gegeben. Es liegt aber auch keine offenbare Gesetzwidrigkeit vor. Nach allgemein anerkannten Grundsätzen ist Besitz und Erwerb der inländischen Staatsangehörigkeit nur nach inländischem Recht zu beurteilen (Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechtes[2], 167 f). § 19 Abs 3 StbG 1965 ist also eine spezielle Kollisionsnorm, die der allgemeinen Kollisionsnorm des § 10 der 4. DVEheG vorgeht. Wenn die Untergerichte daher, was P 3 des erstgerichtlichen Beschlusses betrifft, sowohl die Legitimation der Mutter des Minderjährigen zur Stellung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Minderjährigen als auch die Zweckmäßigkeit einer solchen Verleihung nach österreichischem Recht geprüft haben, entsprach dieses Vorgehen der Gesetzeslage. Es kann daher diesbezüglich nicht einmal von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung und noch viel weniger von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit die Rede sein. Die Entscheidung SZ 38/70 kann schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie vor Inkrafttreten des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 (1. Juli 1966) ergangen ist. Die Beurteilung der Frage aber, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nach § 19 Abs 3 StbG 1965 vorliegen, ob also die Verleihung der Staatsbürgerschaft dem Wohl des Minderjährigen dient, ist eine richterliche Ermessensentscheidung, die keine offenbare Gesetzwidrigkeit, d h einen Widerspruch gegen eine ausdrückliche und klare gesetzliche Regelung begrunden kann (SZ 27/159).

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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