Spruch:
Das Strafverfahren steht dem Landesgericht Linz zu.
Text
Gründe:
Der am 19.3.1968 geborene Helmut E***** wurde von der Bundespolizeidirektion Linz bei der Staatsanwaltschaft Linz (dort einlangend) am 3.8.1989 wegen der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG angezeigt, weil er am 11.7.1989 in Linz mit einem Motorrad, auf dem für ein anderes Fahrzeug ausgegebene amtliche Kennzeichentafeln montiert waren, betreten worden war, auf der Flucht vor der Polizei in alkoholisiertem Zustand andere Verkehrsteilnehmer gefährdet und im Zuge der polizeilichen Erhebungen zugegeben hatte, seit 1985 in Wien regelmäßig (mit einer haftbedingten Unterbrechung von 14 Monaten) in geringen Mengen Haschisch konsumiert zu haben. Bei seiner Festnahme trug er 0,3 Gramm Haschisch bei sich.
Die Staatsanwaltschaft Linz trat diese Anzeige gemäß § 29 JGG an die Staatsanwaltschaft beim Jugendgerichtshof Wien mit der Begründung ab, daß der Suchtgiftmißbrauch seit 1985 (mithin ab dem 17. Lebensjahr des Beschuldigten) als Jugendstraftat zu beurteilen sei, weshalb sich die örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Beschuldigten richte (S 3). Der Jugendgerichtshof Wien sprach daraufhin über Antrag der Staatsanwaltschaft die Rückabtretung des Verfahrens an das Landesgericht Linz im wesentlichen mit der Begründung aus, daß im konkreten Fall die Verdachtsmomente in Richtung des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB gemäß § 56 Abs 2 StPO für die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landesgerichtes Linz maßgebend seien (S 1 verso u. la). Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz hinwieder erachtete § 56 Abs 2 StPO als auf den in Rede stehenden Fall nicht anwendbar, weil sich der die amtlichen Kennzeichentafeln betreffende Tatverdacht rechtsrichtig nicht auf das (in die sachliche Kompetenz des Gerichtshofs fallende) Vergehen der Urkundenunterdrückung, vielmehr nach gefestigter Judikatur auf das der sachlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichtes zuzuordnende Vergehen des (nicht qualifizierten) Diebstahls erstrecke, weshalb die Zuständigkeitsfrage nach § 29 JGG zu lösen sei (S 55, 56).
Daraufhin sprach die Ratskammer beim Jugendgerichtshof Wien die Unzuständigkeit dieses Gerichtshofs zur Führung des Verfahrens aus und beschloß dessen Rückabtretung an das Landesgericht Linz, wobei sie hinsichtlich der amtlichen Kennzeichentafeln unter Hinweis auf im Schrifttum vertretene entsprechende Lehrmeinung erneut vom Vergehen der Urkundenunterdrückung ausging (S 59).
Die Ratskammer des Landesgerichtes Linz sprach demgegenüber nunmehr die Unzuständigkeit des Landesgerichtes Linz und die abermalige Rückabtretung des Verfahrens an den Jugendgerichtshof Wien gemäß § 29 JGG aus (ON 8), welchem Standpunkt sich der übergeordnete Gerichtshof zweiter Instanz anschloß (Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 7.2.1990, AZ 11 Ns 643/89).
Das Oberlandesgericht Wien hingegen nahm mit Beschluß vom 2.3.1990, AZ 24 Ns 193/90, die Unzuständigkeit des Jugendgerichtshofs Wien zur Führung der in Rede stehenden Strafsache im wesentlichen mit der Begründung an, daß das verfahrensgegenständliche Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG vom Beschuldigten teils vor, teils nach Vollendung des 19. Lebensjahres als fortgesetztes Delikt verwirklicht worden sei, weshalb mangels einer (Jugendstraftat und) Jugendstrafsache die Grundlage für die Anwendung der Kompetenzregelung des § 29 JGG überhaupt entfalle. Damit sei unbeschadet der die Kennzeichentafeln betreffenden Subsumtionsproblematik gemäß § 51 StPO der Tatort Linz von ausschlaggebender Bedeutung.
Rechtliche Beurteilung
Bei der Lösung dieses negativen Kompetenzkonfliktes kommt es im Sinn der im Ergebnis zutreffenden Auffassung des Oberlandesgerichtes Wien entscheidend darauf an, daß der verfahrensaktuelle Tatverdacht nicht nur Jugendstraftaten (§ 1 Z 3 JGG 1988) betrifft, vielmehr an vom Beschuldigten noch vor Vollendung des 19. Lebensjahres begangenen Tathandlungen überhaupt nur die erste Periode der Deliktsverwirklichung nach § 16 Abs 1 SGG zum Gegenstand hat. Danach ist aber bei der Ermittlung des anzuwendenden Strafsatzes gemäß dem § 28 Abs 1 StGB ein Vergleich der nach dem jeweiligen Alter des Täters zur Tatzeit aktuellen Strafdrohungen vorzunehmen, der hier - unabhängig davon, ob der jahrelange Haschischkonsum des Beschuldigten (vor allem in subjektiver Hinsicht) den Voraussetzungen fortgesetzter Tatbegehung im Sinn einer Deliktseinheit entsprach oder nicht - jedenfalls dazu führt, daß keinesfalls einer Jugendstraftat (als im Sinn des § 28 Abs 1 StGB mit der höchsten Strafe bedrohtem Delikt) strafsatzbestimmende Bedeutung zukommt. So gesehen entfällt aber jede Grundlage dafür, den spezifisch auf Jugendstraftaten ausgerichteten materiellrechtlichen wie auch formellrechtlichen Intentionen des Jugendgerichtsgesetzes 1988 auch in solchen Fällen des Zusammentreffens strafbarer Handlungen kompetenzrechtliche Prävalenz einzuräumen, in denen - wie hier - im Rahmen der Ermittlung des anzuwendenden Strafsatzes der Sanktionsvergleich die Unerheblichkeit des als Jugendstraftat zu beurteilenden Teilkomplexes ergibt (12 Os 65/89, 15 Os 106/89). Daraus folgt aber, daß das Landesgericht Linz im konkreten Fall seine Zuständigkeit zu Unrecht abgelehnt hat, wenngleich seine Beurteilung der Wegnahme der amtlichen Kennzeichentafeln als (nicht weiter qualifizierter und damit in die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallender) Diebstahl der gefestigten oberstgerichtlichen Rechtsprechung entspricht (9 Os 26/87 = EvBl 1988/38; 12 Os 160/87 = ZVR 1988/162 ua). Nach Vorliegen entsprechender Verfolgungsanträge und Klärung, ob der aktenkundige Wohnsitz des Beschuldigten noch aktuell ist, wird allerdings die Zweckmäßigkeit einer allfälligen Delegierung zu prüfen sein.
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