Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (Punkt 3 des Urteilssatzes) und überdies gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch im Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 StGB (Punkt 4 des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs gemäß § 38 StGB) aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Wolfgang F*** wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 19.November 1986 in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Siegfried F*** dadurch, daß er die Kennzeichentafel O 50.828 des Günther A*** und die Kennzeichentafel O 50.126 des Johann K*** auf einen PKW der Marke BMW 318 i, amtliches Kennzeichen PA-A 3828 montierte und mit diesem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen fuhr, versucht, dem Staat in seinem Recht auf Überprüfung und Ausforschung eines Fahrzeuginhabers absichtlich einen Schaden zuzufügen, indem er Straßenaufsichtsorgane durch die vorerwähnte Täuschung über Tatsachen an der Ausforschung eines Kraftfahrzeuginhabers zu hindern suchte und er habe hiedurch das Vergehen der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für das ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 StGB (Punkte 1 und 2 des Urteilssatzes) wird Wolfgang F*** nach § 128 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten verurteilt.
Mit dem den Schuldspruch wegen versuchter Täuschung betreffenden Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde und mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die vorstehende Entscheidung verwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angklagten auch die Kosten des Rechtmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang F*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 StGB (Punkte 1 und 2 des Urteilssatzes) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (Punkt 3 des Urteilssatzes) sowie der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (Punkt 4 des Urteilssatzes) schuldig erkannt.
Darnach hat er in Schärding am Inn
1. am 29.November 1985 in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Jürgen M*** als Beteiligten (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich im Ersturteil näher bezeichnete Jagdgewehre im Gesamtwert von
124.365 S, der Helena S*** durch Einschlagen der Auslagenscheibe mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
2. am 19.November 1986 in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Siegfried F*** als Beteiligten (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich die Kraftfahrzeug-Kennzeichentafeln O-50.828 des Günther A*** und O-50.126 des Johann K*** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
3. am 19.November 1986 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Siegfried F*** durch die Wegnahme der unter 2. angeführten Kennzeichentafeln Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Nachweis der Zulassung von Fahrzeugen gebraucht werden,
4. am 19.November 1986 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Siegfried F*** dadurch, daß er die unter 2. angeführten Kennzeichentafeln auf einen Personenkraftwagen Marke BMW 318 i (amtliches Kennzeichen PA-A 3828) montierte und mit diesem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen fuhr, versucht, dem Staat in seinem Recht auf Überprüfung und Ausforschung eines Fahrzeuginhabers absichtlich einen Schaden zuzufügen, indem er Straßenaufsichtsorgane durch die vorerwähnte Täuschung über Tatsachen an der Ausforschung eines Kraftfahrzeuginhabers zu hindern suchte.
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch wegen Diebstahls der Kennzeichentafeln (Punkt 2 des Urteilssatzes), wegen Urkundenunterdrückung (Punkt 3 des Urteilssatzes) und wegen versuchter Täuschung (Punkt 4 des Urteilssatzes) mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde: er strebt die Beurteilung der Wegnahme der beiden Kennzeichentafeln nach bloß einer Strafbestimmung - primär (nur) als Urkundenunterdrückung, hilfsweise (nur) als Diebstahl - sowie die Einstufung seiner Beteiligung an der versuchten Täuschung als Beitragstäterschaft anstatt als unmittelbare (Mit-)Täterschaft an.
Nach den für den angefochtenen Schuldspruch maßgeblichen Feststellungen kamen der Angeklagte und Siegfried F*** überein, am 19. November 1986 einen Einbruchsdiebstahl in das Waffengeschäft S*** in Schärding zu verüben. Sie fuhren mit dem Personenkraftwagen des F*** nach Schärding, wo sie von zwei abgestellten Autos jeweils die vordere amtliche Kennzeichentafel abmontierten und diese mit Gummibändern an dem von ihnen benützten Fahrzeug befestigten, um "die Ausforschung des rechtmäßigen Fahrzeuginhabers durch Gendarmeriebeamte zu verhindern". In der Folge stellten sie das Fahrzeug am Hauptplatz in Schärding ab und gingen zu dem Geschäft, in welches sie einbrechen wollten, ließen aber dann von ihrem Vorhaben ab. Sie kehrten zum Auto zurück, nahmen die entfremdeten Kennzeichentafeln wieder ab und verwahrten sie im Kofferraum, wobei F*** die Tafeln behalten wollte. In subjektiver Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß der Vorsatz des Angeklagten sowohl auf Verhinderung des Gebrauches der Kennzeichentafeln durch die berechtigten Zulassungsbesitzer als auch auf unrechtmäßige Bereicherung durch Zueignung der Tafeln gerichtet gewesen war.
Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.
Rechtliche Beurteilung
Nicht gefolgt werden kann der Beschwerde insoweit, als sie - ebenso wie die Generalprokuratur - die Ansicht vertritt, Kraftfahrzeugkennzeichentafeln könnten nicht Gegenstand eines Diebstahls sein, sodaß deren Entfremdung stets nur als Urkundenunterdrückung strafbar sei.
Denn weder die bezüglichen Beschwerdeausführungen noch auch die Stellungnahme der Generalprokuratur - wonach bei Beurteilung rechtswidriger Zueignung von amtlich ausgegebenen inländischen Kennzeichentafeln nicht an der notorischen Tatsache vorbeigegangen werden könne, daß solche Tafeln derzeit kein Ziel irgendeines wirtschaftlichen Erwerbsinteresses sind, weder durch Verkauf noch auf sonstige Weise zu Geld gemacht werden können und praktisch nur ihrer Widmung entsprechend zur kraftfahrgesetzlich angeordneten Kennzeichnung von Fahrzeugen Verwendung finden, ohne sonst in einem anderen Bereich auf eine Weise genützt zu werden, die eine ökonomische Wertbildung indizieren würde, weshalb die einzelnen ausgegebenen Kennzeichentafeln ungeachtet ihrer Gestehungskosten und des Werts des zu ihrer Herstellung herangezogenen Materials keinen Tauschwert haben und somit als Objekt eines Diebstahls nicht in Frage kommen - bieten zu einer Änderung der in dieser Frage einhelligen Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl EvBl 1976/132, EvBl 1978/109 = SSt 48/89, EvBl 1981/106; ZVR 1964/24 = SSt 34/32, ZVR 1979/171 uam) - von welcher gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 OGHG nur durch einen verstärkten Senat abgegangen werden könnte - hinreichenden Anlaß. Kommt es doch zum einen für die Diebstahlsfähigkeit einer Sache nicht darauf an, ob sie im rechtlichen Sinn "verkehrsfähig" ist (vgl SSt 54/36); zum anderen kann weder derzeit (vgl insb § 49 KFG) noch in Hinkunft (wenn etwa in Betracht gezogen wird, daß die Ausgabe von "Liebhaberkennzeichen" gegen einen entsprechend hohen Anschaffungspreis erwogen wird) gesagt werden, daß Kraftfahrzeugkennzeichentafeln, deren Gestehungskosten stets vom Berechtigten zu bezahlen sind und die als solche schon nach ihrer Beschaffenheit einen Sachwert darstellen, der keineswegs so geringfügig ist, daß er schlechthin vernachlässigt werden könnte (was allein entscheidend ist), realistischerweise niemals Ziel eines wirtschaftlichen Erwerbsinteresses sein können, wie etwa jene Fälle beweisen, in denen "Souvenierjäger" sich "Prominentenkennzeichen" zueignen. Auch daß Kennzeichentafeln mit Probefahrtkennzeichen oder mit Überstellungskennzeichen mit dem jeweiligen Fahrzeug nur behelfsmäßig verbunden sein dürfen (§ 49 Abs. 7 KFG) und die zuletzt angeführten Tafeln mehrmals (und zudem nur gegen Erlag einer kostendeckenden Benützungsgebühr und einer angemessenen Sicherstellung) ausgegeben werden können (§ 49 Abs. 1 KFG) deutet in die gleiche Richtung, nämlich daß derartige Tafeln, auch nachdem sie (rite) ausgegeben worden sind, keineswegs grundsätzlich und unter allen Umständen ökonomisch wertlos sind.
Es schlagen aber auch die weiteren, den Schuldspruch wegen Diebstahls betreffenden Beschwerdeausführungen nicht durch. Der Mängelrüge (Z 5), die darauf abstellt, daß sich nicht der Beschwerdeführer, sondern sein Komplize F*** bereichern wollte, genügt es zu erwidern, daß das Gesetz es daran genug sein läßt, wenn der Vorsatz des Täters sich darauf erstreckt, daß ein Dritter durch die Sachzueignung unrechtmäßig bereichert wird, wogegen die Rechtsrüge (Z 9 lit a) daran vorbeigeht, daß das Gericht einen derartigen Bereicherungsvorsatz ausdrücklich konstatierte (S 154, 155).
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist allerdings insoweit beizutreten, als sie sich gegen die (gleichzeitige) Beurteilung der Wegnahme der Kennzeichentafeln als Diebstahl und als Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB wendet. Denn angesichts dessen, daß das Opfer eines Kennzeichentafeldiebstahls nicht nur in seinen Vermögensrechten beeinträchtigt, sondern durch den diebischen Zugriff zwangsläufig auch am bestimmungsgemäßen Gebrauch der Urkunde gehindert wird (vgl 10 Os 101/82), besteht zwischen Diebstahl und Urkundenunterdrückung tatbestandsausschließende Exklusivität, weshalb die Wegnahme einer fremden Kennzeichentafel ausschließlich nach § 127 und nicht überdies noch nach § 229 StGB zu beurteilen ist (vgl ZVR 1984/253).
Demzufolge war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Schuldspruch zu Punkt 3 des Urteilssatzes zu kassieren.
In Ansehung des Schuldspruchs wegen versuchter Täuschung laut Punkt 4 des Urteilssatzes hinwieder erübrigt es sich, auf das - an sich verfehlte - Beschwerdevorbringen weiter einzugehen, weil dem Erstgericht in diesem Zusammenhang zum Nachteil des Angeklagten eine ungerügt gebliebene, aber gemäß § 290 Abs. 1 StPO) von Amts wegen zu berücksichtigende Nichtigkeit im Sinne der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO unterlaufen ist.
Nach dem Urteilssachverhalt haben nämlich der Angeklagte und Siegfried F*** die zur Täuschung von Straßenaufsichtsorganen befestigten Kennzeichentafeln entfernt, bevor die ursprünglich gewollte Irreführung bewirkt wurde. Diese Abstandnahme von der Fortsetzung der Versuchshandlung war zwar ersichtlich durch den Umstand bestimmt, daß die Täuschung - welche erst nach ihrem Gelingen und dem Eintritt des beabsichtigten Schadens vollendet gewesen wäre (ÖJZ-LSK 1978/246) - nur eine begleitende Tat zum (schließlich unterlassenen) Einbruchsdiebstahl sein sollte, erfolgte aber dennoch freiwillig in der Bedeutung des § 16 Abs. 1 StGB, weil es den Tätern durchaus möglich gewesen wäre, die Tafeln weiter in Täuschungsabsicht mit dem Ziel der Deliktsvollendung auf dem Kraftfahrzeug zu belassen. Demnach kommt dem Angeklagten strafaufhebender Rücktritt vom Versuch zugute (siehe hiezu JBl 1976, 494 = SSt 46/62), weshalb bezüglich des Schuldspruchs wegen versuchter Täuschung mit Kassation und Freispruch vorzugehen war. Bei der durch die Aufhebung (auch) des Strafausspruchs eforderlich gewordene Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, die Wiederholung der diebischen Angriffe und deren mehrfache Qualifikation. Als mildernd wurde demgegenüber das Geständnis des Angeklagten in Betracht gezogen und eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünfzehn Monaten als tatschuldgerecht erachtet. Einer Anwendbarkeit des § 43 Abs. 2 StGB stand zwingend entgegen, daß das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten die in dieser Gesetzesstelle geforderte qualifiziert günstige Verhaltensprognose nicht zuläßt.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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