OGH 8Ob515/90

OGH8Ob515/9022.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes

Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef G***, Landwirt, Gartenheimstraße 5-7, 1228 Wien, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Josef Peter W***, Kaufmann, Wiesenthalstraße 140, CH-7000 Chur, Schweiz, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 414.977,50 s.A. (Revisionsstreitwert S 198.000,-- s.A.), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. August 1989, GZ 41 R 436/89-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 30. März 1989, GZ 7 C 2707/87-23, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.029,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.338,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte wollte 1987 eine Tennisanlage errichten und auf gewerblicher Grundlage betreiben. Über einen Realitätenvermittler kam er mit dem Kläger, der in Eßling umfangreichen Grundbesitz hat, am 5. Juni 1986 in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Hartmut Mayer in Kontakt. Zweck dieses Treffens war es, die beiderseitigen Vorstellungen über die Ausgestaltung eines ins Auge gefaßten Pachtverhältnisses darzulegen, um Dr. Mayer zu ermöglichen, diese in rechtliche Form zu bringen. Dem Beklagten war es wichtig, daß er erst dann Verpflichtungen aus dem Pachtverhältnis übernimmt, wenn sein Projekt auf Grund der baubehördlichen Genehmigung realisierbar ist. Am 19. Juni 1986 besprachen die Streitteile den Rohentwurf des Pachtvertrages in der Kanzlei Dris. Mayer und gaben ihre Änderungswünsche bekannt. Am 24. Juni 1986 versandte Dr. Mayer die geänderten Vertragsentwürfe an die Beteiligten. Am 11. Juli 1986 sollte sich der Beklagte in dessen Kanzlei einfinden, um den Vertrag durch mündliche Erklärung abzuschließen, denn es sollte ihm, der nach der Vereinbarung für die Kosten der Vertragserrichtung allein aufzukommen hatte, die erst im Fall der Unterfertigung fällig werdende Vergebührung erspart werden, wenn es infolge Nichteintritts der aufschiebenden Bedingung, nämlich der baubehördlichen Genehmigung der geplanten Anlage, nicht zur Pacht kommt. Da der Beklagte damals verhindert war, kam es erst am 18. August 1986 zur Annahme des Pachtvertrages ÄBeilage ./CÜ: Damals las Dr. Mayer dem Beklagten den bereits vom Kläger unterschriebenen Vertragstext vor und machte den Beklagten darauf aufmerksam, daß aus gebührenrechtlichen Gründen vorerst auf eine Unterfertigung des Vertrages durch ihn verzichtet werde und bereits die mündliche Annahme den Vertrag vollinhaltlich in Wirksamkeit setze. Der Beklagte erklärte hierauf, daß er einverstanden sei. Der Pachtvertrag, der einen wertgesicherten monatlichen Pachtzins von S 30.000 zuzüglich Umsatzsteuer vorsieht, wurde unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, daß dem Beklagten eine Baubewilligung für das geplante Tennis-Center rechtskräftig erteilt wird.

In § 12 des Vertrages erklärten beide Teile, sich über den wahren Wert des gegenständlichen Vertrages Kenntnis verschafft zu haben und diesen aus besonderer Vorliebe zu schließen, weshalb sie auf eine Anfechtung dieses Pachtvertrages wegen Verletzung über oder unter der Hälfte des wahren Wertes verzichten.

Im Jänner 1987 wurde die Baugenehmigung erteilt und dem Beklagten im März 1987 zugestellt. Die gewerbebehördliche Genehmigung (Betriebsanlagengenehmigung) wurde im Februar 1987 erteilt. Der Beklagte weigert sich nun, Pachtzins zu bezahlen. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger u.a. den Pachtzins für die Monate März bis August 1987 in der Gesamthöhe von S 198.000 sowie weitere S 216.977,50 Anwaltskosten. Im Revisionsverfahren ist allein noch der Pachtzins strittig.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Pachtvertrag sei nicht zustande gekommen: Es sollte bei einer Vertragserrichtung lediglich der Kläger als Verpächter, nicht aber er als Pächter gebunden sein, weil das Projekt weder in seinem baulichen noch in seinem finanziellen Umfange ausreichend bekannt gewesen sei. Außerdem sei er, der Beklagte, immer der Meinung gewesen, zur Rechtswirksamkeit des Vertrages bedürfe es der Unterschrift beider Teile. Überdies sei der Pachtschilling überhöht, weshalb der Vertrag, sollte er zustandegekommen sein, wegen Verletzung über die Hälfte angefochten werde (S 35 dA). Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil hinsichtlich des Zuspruchs von S 198.000 an offenen Pachtzins und änderte es im übrigen - hinsichtlich der Anwaltskosten - unbekämpft im klageabweisenden Sinn ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, daß der Beklagte das schrifltich festgelegte "Versprechen" des Klägers mündlich angenommen habe, sodaß der Pachtvertrag zustandegekommen sei. Da die aufschiebende Bedingung eingetreten sei, sei der Pachtschilling fällig. Ein taugliches Vorbringen, daß die Verzichtserklärung auf Anfechtung des Vertrages wegen laesio enormis ungültig sei, habe der Beklagte nicht erstattet, sodaß er den Bestandvertrag nicht erfolgreich nach § 934 ABGB anfechten könne. Gegen den klagsstattgebenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Er beantragt, das Berufungsurteil im voll klageabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber versucht in seiner weitwendigen, in vielen Punkten gegen das Neuerungsverbot verstoßenden und vom festgestellten Sachverhalt abweichenden Rechtsrüge in Wahrheit hauptsächlich die Feststellung des Erstgerichts zu bekämpfen, er habe am 18. August 1986 den Pachtvertrag bindend abgeschlossen. Er versucht durch künstliche Unterscheidungen zwischen übereinstimmenden mündlichen Willenserklärungen und schrifltichem Anbot samt schriftlicher Annahme, denen er offensichtlich unterschiedliche und nicht substituierbare Wirkungen beilegen will, darzulegen, ein Pachtvertrag sei nicht zustandegekommen. Da die Streitteile weder übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben hätten, noch der Kläger ein gültiges Anbot, das er durch Abgabe einer Erklärung hätte annehmen können, gelegt habe, sei keine rechtliche Bindung eingetreten. Der "versendete Text" sei kein Anbot im Rechtssinn.

Ein Vertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen beider Teile zustande (§ 861 ABGB). Wie sich aus § 862 ABGB ergibt, kann die Willensübereinstimmung durch mündliche Erklärung unter Anwesenden oder durch Annahme eines schriftlichen Anbots zustandekommen, wobei das Gesetz vom Regelfall ausgeht, daß auch die Annahme schriftlich erfolgt. Dies ist jedoch nicht zwingend. Unzweifelhaft kann infolge der Formfreiheit ein schriftliches Anbot - und als ein solches muß der vom Kläger bereits unterfertigte Pachtvertrag verstanden werden - auch mündlich angenommen werden. Der Einwand, Dr. Mayer hätte die Erklärung nicht wirksam annehmen können, weil er nur Vertragserrichter, aber nicht zur Entgegennahme der Erklärung bevollmächtigter Vertreter des Klägers gewesen sei, ist ebenso eine unzulässige Neuerung wie der nur als Frage aufgeworfene Hinweis, ob nicht bereits die Bindungsfrist des Klägers abgelaufen gewesen sei (vgl dazu Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 2 und 4 zu § 862).

Bei der Behauptung, er sei nicht darüber aufgeklärt worden, daß der Vertrag bereits durch seine mündliche Annahmeerklärung wirksam werde, entfernt sich der Beklagte von dem ausdrücklich festgestellten Sachverhalt.

Dem Einwand, nur der Kläger, nicht aber der Beklagte - wie festgestellt aus Ersparnisgründen - habe den Vertrag unterschrieben, so daß dieser mangels daraus abzuleitenden Bindungswillens beider Teile nicht zustandegekommen sei, ist entgegenzuhalten, daß der Schluß von bestimmten Tatsachen auf das Vorhandensein eines bestimmten Bewußtseins, eines bestimmten Willens oder einer bestimmten Absicht der Parteien ist, sofern er nicht den Denkgesetzen widerspricht, als tatsächliche Feststellung zu werten ist. Dazu gehört auch der Verfplichtungswille der Parteien, der von den Unterinstanzen bejaht wurde (EvBl 1951/356; JBl 1983, 444 uva; zuletzt 8 Ob 565/87 und 8 Ob 578/88). Da Inhalt und Umfang des festgestellten Vertragswillens der Parteien für das Revisionsgericht bindend sind (8 Ob 578/88), ist hievon auszugehen und das Zustandekommen des Pachtvertrages unter der genannten aufschiebenden Bedingung zu bejahen.

Daß unter der Annahme, der Bestandvertrag sei am 18. August 1986 zustandegekommen, das Pachtverhältnis infolge Eintritts der aufschiebenden Bedingung an dem dem Eintritt der Bedingung folgenden Monatsersten begann und daher für die gepachtete Liegenschaft Pachtzins zu zahlen ist, bekämpft der Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr.

Soweit sich der Beklagte auch im Revisionsverfahren auf § 934 ABGB (laesio enormis) stützt, trifft es zwar zu, daß aus der rein formularmäßigen Erklärung, den wahren Wert einer Sache zu kennen und den Vertrag aus besonderer Vorliebe zu schließen, weshalb auf dessen Anfechtung wegen Verletzung über die Hälfte verzichtet werde, nicht ohne weiteres auf die Gültigkeit einer derartigen Verzichtserklärung geschlossen werden kann (vgl Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 935). Der Revisionswerber übergeht aber - wie das Berufungsgericht bereits ausführlich dargelegt hat (S 8) -, daß er in erster Instanz kein geeignetes Vorbringen erstattet hat, das die Beurteilung zuließe, die Erklärung nach § 12 des Vertrages sei ungültig. Dieses Versäumnis kann er im Revisionsverfahren nicht mehr nachholen; bei der Behauptung, ihm sei diese Bestimmung "oktroyiert" worden, handelt es sich um eine unzulässige Neuerung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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