Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit der am 15.Jänner 1988 beim Bezirksgericht Donaustadt eingebrachten und in der Folge an das Erstgericht gemäß § 230 a ZPO überwiesenen Klage begehrte der Kläger als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Beklagten, diesen schuldig zu erkennen, ihm das gesamte erste Stockwerk des Wohn-Bürohauses auf der Liegenschaft Wien 21., Nordmanngasse 95 A, ausgenommen zwei bestimmt angeführte Räume von seinen Fahrnissen geräumt zu übergeben, weil der Beklagte den gesamten ersten Stock dieses Büro-Wohnhauses mit Ausnahme der beiden genannten Zimmer titellos benütze.
Der Beklagte wendete die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil über die Überlassung oder Räumung einer vom Gemeinschuldner bewohnten Wohnung gemäß § 5 Abs 3 KO das Konkursgericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden habe. Da er zu 3/8 Miteigentümer der Liegenschaft (EZ 397 KG Leopoldau) sei, benütze er die Räumlichkeiten nicht titellos.
Das Erstgericht verwarf diese Einrede. Gemäß § 5 Abs 3 KO sei eine Entscheidung durch das Konkursgericht im Verfahren außer Streitsachen nur dann möglich, wenn die auf Räumung beklagte Partei die Liegenschaft oder Wohnung gestützt auf einen Rechtstitel benütze. Im vorliegenden Fall werde jedoch gerade bestritten, daß der beklagten Partei ein Recht auf Benützung der Wohnung zustehe und titellose Benützung geltend gemacht. Die Klärung dieser Frage sei aber im streitigen Verfahren herbeibezuführen.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Beklagten erhobenen Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den streitigen Rechtsweg als unzulässig erklärte, das über die Klage abgeführte Verfahren mit Ausnahme der Verhandlung über die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges als nichtig aufhob und die Klage zurückwies, wobei es aussprach, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 15.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt und der weitere Rekurs zulässig sei.
§ 5 Abs 3 KO sehe vor, daß auf die Überlassung und Räumung der Wohnung des Gemeinschuldners die Vorschriften des § 105 EO sinngemäß anzuwenden seien, wenn der Gemeinschuldner in einem zur Konkursmasse gehörigen Haus wohne. Diese Vorschrift gewährt dem in einem zur Konkursmasse gehörigen Haus (sinngemäß auch für andere Formen der Benützung von Räumen kraft (Mit-)Eigentums anzuwenden, vgl. SZ 44/124) die Belassung der nach der Entscheidung des Konkurskommissärs (vgl. SZ 39/152) für ihn bzw. mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Familienmitglieder unentbehrlichen Wohnräume, solange nicht der Gemeinschuldner die Konkursverwaltung stört und dshalb das Gericht auf Antrag des Masseverwalters ihm die Wohnräume entzieht (vgl. Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht 234). Darüber, ob und welche Räume dem Gemeinschuldner zu belassen seien, entscheide der Konkurskommissär und ende diese Befugnis und Verpflichtung des Konkurskommissärs, in der Frage nach § 5 Abs 3 KO zu entscheiden und allenfalls vollstreckbare Anordnungen zu treffen, erst mit dem Ausscheiden des vom Gemeinschuldner bewohnten Hauses aus der Konkursmasse (vgl. MGA KO6 E 14 zu § 5 KO). Auf Grund der in § 5 Abs 3 KO ausdrücklich getroffenen Anordnung, daß § 105 EO sinngemäß anzuwenden sei, ergäbe sich somit, daß über die Frage, ob der Gemeinschuldner ein von ihm bewohntes, zur Konkursmasse gehöriges Haus zu räumen habe oder nicht, das Konkursgericht im Verfahren außer Streit zu entscheiden hat (vgl. MGA EO12 Anm.4 zu § 105 EO, vgl. auch SZ 25/154). Ausgehend davon komme den Ausführungen des Rekurswerbers, daß in sinngemäßer Anwendung des § 105 EO im vorliegenden Fall das Konkursgericht - und nicht das Prozeßgericht - über die Benützung der Wohnung zu entscheiden habe, Berechtigung zu. Der Masseverwalter habe in seiner Klage bzw. im vorbereitenden Schriftsatz zum Ausdruck gebracht, daß 3/8-Anteile des Hauses Nordmanngasse 95 A, 1210 Wien, in die Konkursmasse fielen; das Erstgericht habe auf Grund des durchgeführten Verfahrens auch abgeklärt, daß der Gemeinschuldner, die beklagte Partei, seit der Erbauung des Hauses, zu Beginn der 60er-Jahre, in der streitgegenständlichen Wohnung gewohnt habe bzw. nach den Außerstreitstellungen tatsächlich durch den Beklagten die Wohnung nach wie vor zu Wohnzwecken benützt werde. Die vom Erstgericht dargelegte Unterscheidung, daß der Masseverwalter einen Räumungsauftrag gegen den Gemeinschuldner im Sinne des § 5 Abs 3 KO nur dann erwirken könne, wenn der Gemeinschuldner das Haus gestützt auf Rechtstitel - und nicht titellos - benütze, ließe sich aus § 5 Abs 3 KO nicht entnehmen, da in der zitierten Bestimmung nur auf die Tatsache, ob der Gemeinschuldner in einem in die Konkursmasse gehörigen Haus wohnt, abgestellt werde. Dem Rekurs sei daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Den Ausspruch über den Wert des Beschwerdegegenstandes gründete das Rekursgericht auf die §§ 527 Abs 1, 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 1 und 3 ZPO, jenen über die Zulässigkeit des Rekurses auf die §§ 528 Abs 2, 526 Abs 3, 500 Abs 3, 502 Abs 4 Z 1 ZPO, wobei es die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin erblickte, ob einem Masseverwalter neben der Möglichkeit, einen Räumungsauftrag im Sinne des § 5 Abs 3 KO zu erwirken, auch der Rechtsweg offen stehe.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des klagenden Masseverwalters, mit dem die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses beantragt wird. Der Beklagte hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf das Fehlen einer eindeutigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig, aber nicht berechtigt.
In seinem Revisionsrekurs vertritt der Kläger die Ansicht, daß ein Miteigentümer nach ständiger Rechtsprechung einen titellosen Benützer einer Wohnung des Hauses auch gegen den Willen der anderen Miteigentümer auf Räumung klagen könne, dieses Recht somit auch dem Masseverwalter zustehe. Aus § 5 Abs 3 KO und der danach sinngemäß vorzunehmenden Anwendung des § 105 EO könne nicht geschlossen werden, daß nicht zumindest auch im streitigen Verfahren entschieden werden dürfe, weil § 5 Abs 3 KO wohl dem Konkursgericht bestimmte Kompetenzen habe einräumen, nicht aber die Zuständigkeit des streitigen Verfahrens habe beschränken wollen. Nach § 105 EO habe das Konkursgericht festzustellen, ob die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen sinngemäß anzuwenden seien oder nicht, somit ob der Gemeinschuldner im Haus wohne und welche Wohnräume für ihn unentbehrlich seien. Ein Eingriff in die Recht des "Verpflichteten", der von § 105 EO unabhängig sei, wenn dieser etwa seine Rechte von einem anderen dinglich Berechtigten, etwa eines Miteigentümers, ableite, "entziehe sich dem Anwendungsbereich des § 105 EO." Im vorliegenden Fall behaupte der Gemeinschuldner vom anderen Miteigentümer abgeleitete Rechte, weshalb das Konkursgericht darüber nicht entscheiden könne, das streitige Verfahren daher zulässig sei. Dem ist folgendes zu entgegnen:
Durch die Eröffnung des Konkurses wird das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt, dessen freier Verfügung entzogen; die Konkursmasse ist nach den Vorschriften der KO in Verwahrung und Verwaltung zu nehmen und zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Konkursgläubiger zu verwenden (§ 1 Abs 1 und 2 KO). Da Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft ohne Zweifel zur Konkursmasse gehören, sind auch sie vom Masseverwalter zu verwalten und zu verwerten. Ob und in welchem Ausmaß im Rahmen der Verwaltung dem Gemeinschuldner Erwerb durch eigene Tätigkeit oder unentgeltliche Zuwendungen zu überlassen oder ihm und seiner Familie das zur Lebensführung Unerläßliche zu gewähren ist, ist nicht vom Prozeßgericht, sondern von den Konkursorganen zu entscheiden (vgl. die zur vergleichbaren Rechtslage vor dem IRÄG ergangene Entscheidung ZBl 1917/43). Ebenso sind zur Entscheidung über die im Rahmen der Verwaltung der Konkursmasse zu klärende Frage, ob und inwieweit dem in einem zur Konkursmasse gehörigen Haus wohnenden Gemeinschuldner Räume der Wohnung zu überlassen oder von ihm zu räumen sind - wofür § 5 Abs 3 KO und damit die sinngemäß anzuwendende Vorschrift des § 105 EO maßgeblich ist - nicht die Prozeßgerichte, sondern die Konkursorgane berufen. Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof - wie das Rekursgericht zutreffend ausführte - bereits wiederholt ausgesprochen, daß erst das Ausscheiden des vom Gemeinschuldner bewohnten Hauses aus der Konkursmasse die Befugnis und die Verpflichtung des Konkurskommissärs - seit dem IRÄG: das Konkursgericht (Art.II Z 1 lit b IRÄG 1982) - , in der Frage nach § 5 Abs 3 KO zu entscheiden und allenfalls vollstreckbare Anordnungen zu treffen (MietSlg 17.938; SZ 39/152 = MietSlg 18.820) beendet. Das Rekursgericht hat auch zutreffend erkannt, daß nach der sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 105 EO lediglich darauf abzustellen ist, ob der Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung auf einem in die Konkursmasse fallenden Grundstück wohnt, was sinngemäß auch für die Benützung einer Liegenschaft kraft Miteigentums gilt. Die auch im Konkursverfahren anzuwendende Bestimmung des § 105 EO ist eine Schutzbestimmung eigener Art (vgl. Heller-Berger-Stix 984), über die in sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmung analog der Zuständigkeit des Exekutionsgerichtes (Heller-Berger-Stix, 983) das Konkursgericht zu entscheiden hat. Der Oberste Gerichtshof billigt daher die Ansicht des Rekursgerichtes, daß über die Frage, ob und in welchem Umfang der Gemeinschuldner von ihm in seinem Miteigentum stehenden Haus bewohnte Räume zu räumen hat, vom Konkursgericht im Rahmen des Konkursverfahrens selbst zu entscheiden ist.
Damit erweist sich aber der Revisionsrekurs als unberechtigt, weshalb ihm kein Erfolg beschieden sein konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
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