Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gertrude M*** hat für den PKW Mercedes 190 E mit dem polizeilichen Kennzeichen W 264.379 mit der klagenden Partei eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Am 30.Oktober 1986 geriet der Beklagte mit dem PKW auf der Autobahnzufahrtsstraße in Strebersdorf bei regennasser Fahrbahn ins Schleudern und stieß gegen die linke Leitschiene, wodurch diese und der PKW beschädigt wurden. Unstrittig ist, daß den Beklagten an dem Unfall ein Verschulden trifft. Die klagende Partei begehrt, gestützt auf die Legalzession nach § 67 Abs. 1 VersVG und die Behauptung der Verletzung der Obliegenheit nach Art 6 Abs. 2 Z 2 AKIB, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen, vom Beklagten den Ersatz der an die Versicherungsnehmerin erbrachten Versicherungsleistung. Der Beklagte habe es unterlassen, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen leaste Gertrude M*** "rein nominell" das Fahrzeug von der W*** & Co GmbH. Tatsächlich sollte lediglich der Beklagte das Fahrzeug lenken, da Gertrude M*** keinen Führerschein hat. Es wurde bei der Leasingfirma auch ein diesbezüglicher Vermerk angefertigt und der Führerschein des Beklagten kopiert. Der Beklagte leistete auch sämtliche Zahlungen für das Fahrzeug. Die Erklärung, daß das Fahrzeug lediglich vom Beklagten gelenkt werden dürfe, wurde in Gegenwart des Angestellten der beklagten Partei macht, der den Versicherungsantrag aufnahm. Dieser unterließ jedoch einen entsprechenden Vermerk im Versicherungsantrag. Der Beklagte hatte mit dem Fahrzeug bereits einen Schaden, und zwar wurde die Windschutzscheibe beschädigt. Die klagende Partei liquidierte diesen Schaden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war dem Angestellten der klagenden Partei Peter K*** bekannt, daß lediglich der Beklagte Lenker des Fahrzeugs war. Nach dem Unfall am 30.Oktober 1986 ließ der Beklagte das fahruntüchtige Fahrzeug an der Unfallstelle und entfernte sich. Er meldete den Unfall erst am nächsten Tag bei der Polizeidienststelle in der Berlagasse in Wien 21. Als Begründung gab er an, nicht gewußt zu haben, daß sich in der Nähe der Unfallstelle eine Polizeidienststelle befindet. Der Beklagte lebte ca. Anfang 1986 mit Gertrude M*** in Lebensgemeinschaft. Das Pfandkreditinstitut W*** & Co GmbH, die Leasingfirma und Gertrude M*** verzichteten auf Ersatzansprüche gegen den Beklagten. Nach der Ansicht des Erstgerichtes habe für den Beklagten als berechtigtem Lenker Versicherungsschutz bestanden, sodaß die beklagte Partei zum Regreß nicht berechtigt sei. Es liege auch keine Obliegenheitsverletzung vor. Der Beklagte habe zwar den Unfall der Polizei erst am nächsten Tag angezeigt. Daß dadurch aber ein konkreter Verdacht in bestimmter Richtung nicht mehr habe aufgeklärt werden können, habe die beklagte Partei nicht einmal behauptet. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und erklärte die Revision für zulässig. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes habe ein Forderungsübergang auf die klagende Partei nicht stattgefunden. Nach § 67 Abs. 2 VersVG sei der Übergang ausgeschlossen, wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen richte, es sei denn, der Angehörige habe den Schaden vorsätzlich verursacht. Letzteres sei hier nicht einmal behauptet worden. Zu den Familienangehörigen im Sinne des § 67 Abs. 2 VersVG gehöre auch der Lebensgefährte. Nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes habe der Beklgte mit der Versicherungsnehmerin Gertrude M*** in Lebensgemeinschaft gelebt. Da der Beklagte nicht Versicherungsnehmer und in der Kaskoversicherung auch nicht Mitversicherter sei, habe ihn auch keine Pflicht zur Erfüllung von Obliegenheiten getroffen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 7 Ob 44/88 (= EvBl. 1989/59) ausgesprochen, daß zu den Familienangehörigen nach § 67 Abs. 2 VersVG auch der Lebensgefährte des Versicherungsnehmers zählt. Er ließ sich hiebei im wesentlichen von der Erwägung leiten, daß der Begriff der Familienangehörigkeit nach der zitierten Bestimmung sich nicht mit dem Verwandtschaftsbegriff decke. Zweck des Ausschlusses des Übergangs von Ersatzansprüchen sei in erster Linie nicht der Schutz des Angehörigen, sondern des Versicherungsnehmers. Dieser solle nicht darunter leiden, daß durch die Ersatzleistung des Angehörigen wirtschaftlich die Hausgemeinschaft und damit mittelbar er selbst belastet werde. Für die Lebensgemeinschaft sei charakteristisch, daß zwei Personen verschiedenen Geschlechtes eine in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichtete Haushaltsgemeinschaft bildeten, wozu auch die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft gehöre. Bei einer Wirtschaftsgemeinschaft treffe die finanzielle Inanspruchnahme des einen Teiles indirekt auch den anderen. Ein Regreß am Lebensgefährten würde daher ebenso wie ein Regreß an sonstigen Familienangehörigen indirekt den Versicherungsnehmer treffen. Die von der Revision dagegen vorgebrachten Argumente sind nicht geeignet, Bedenken gegen diese Rechtsansicht zu erwecken. Es wird daher an ihr festgehalten. Der von der Revision angezogenen Wortinterpretation ist entgegenzuhalten, daß der Begriff der Familienangehörigkeit nach § 67 Abs. 2 VersVG im Sinne "des gewöhnlichen Lebens" zu verstehen ist (Ehrenzweig, Deutsches-Österreichisches Versicherungsvertragsrecht 290). Neben der rechtlichen ist auch in der gesellschaftlichen Beurteilung einer Lebensgemeinschaft in letzter Zeit eine wesentliche Änderung eingetreten. Insbesondere im gewöhnlichen Leben werden Partner einer Lebensgemeinschaft als Angehörige angesehen. Das Schwergewicht der Betrachtung liegt hiebei auf der gleich einer Ehe eingerichteten umfassenden Haushaltsgemeinschaft. Wie schon in der genannten Vorentscheidung dargelegt wurde, wäre es auch sachlich nicht gerechtfertigt, in den Kreis der Familienangehörigen nach § 67 Abs. 2 VersVG zwar auch nicht blutsverwandte Personen, wie Pflege- oder Stiefkinder einzubeziehen, nicht aber den Lebensgefährten, obwohl die Bindung des Versicherungsnehmers zu diesem im Regelfall eine wesentlich engere ist als zu den genannten Personen. Die Gefahr des manipulativen Mißbrauchs, auf die sich die Revisionswerberin beruft, ist nicht größer als in bezug auf das Erfordernis der häuslichen Gemeinschaft bei sonstigen Familienangehörigen. Diese Gefahr wird dadurch wesentlich vermindert, daß nach nunmehriger Rechtsprechung und auch nach herrschender Lehre die häusliche Gemeinschaft und die Familienangehörigkeit bzw die Lebensgemeinschaft im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls gegeben sein muß (SZ 45/125; EvBl 1964/145; Bruck-Möller-Sieg, VVG8 II 757; Ehrenzweig aaO; Wahle in VersR 1963, 76; aM nur Prölss-Martin, VVG24 459). Einzuräumen ist der Revisionswerberin, daß die die Lebensgemeinschaft betreffenden Feststellungen des Erstgerichtes dürftig sind. Aus der gesamten Urteilsbegründung ergibt sich jedoch zweifelsfrei, daß zwischen der Versicherungsnehmerin der klagenden Partei und dem Beklagten im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls eine Lebensgemeinschaft bestand. Die Frage, ob einen Angehörigen im Sinne des § 67 Abs. 2 VersVG ungeachtet des Umstandes, daß er in der Kaskoversicherung nicht Mitversicherter ist, nicht dennoch die Pflicht zur Erfüllung vereinbarter Obliegenheiten trifft, weil er im Ergebnis von seiner Leistungspflicht befreit wird, kann unerörtert bleiben. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, wird die Aufklärungspflicht im Sinne des Art 6 Abs. 2 Z 2 AKIB nur dann verletzt, wenn im konkreten Fall etwas verabsäumt wurde, das zur Aufklärung des Sachverhaltes dienlich gewesen wäre. Die Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO ist für sich allein nicht schon einer Verletzung der Aufklärungspflicht gleichzuhalten. Es ist vielmehr notwendig, daß ein konkreter Verdacht in bestimmter Richtung durch objektives Unbenützbarwerden (objektive Beseitigung) eines Beweismittels infolge Unterlassung der Anzeige im Nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der konkrete Verdacht auf die Unbenützbarkeit des Beweismittels infolge Unterlassung (Verspätung) der Anzeige muß vom Versicherer behauptet und bewiesen werden. Entscheidend ist der Umstand, daß der Versicherungsnehmer durch die Nichtanzeige die Aufklärung in einer bestimmten konkreten Richtung dadurch vereitelt hat, daß ein Beweismittel aus diesem Grunde nicht mehr benützt werden kann (SZ 51/180 mwN). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei in erster Instanz überhaupt kein derartiges Vorbringen erstattet. Die erst in der Revision aufgestellten Behauptungen des Verdachtes der Alkoholisierung bzw der sonstigen Fahruntüchtigkeit sind infolge des Neuerungsverbotes unbeachtlich.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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