OGH 7Ob705/89

OGH7Ob705/8930.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred F***, geboren am 4. Juli 1949, Friseurmeister, Wien 8., Lederergasse 3/1/2, vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Jutta F***-W***, geboren am 16.Jänner 1950, ohne Beschäftigung, Wien 19., Sieveringerstraße 91/5, vertreten durch Dr. Kurt Lux, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.August 1989, GZ 18 R 123/89-76, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 14.Februar 1989, GZ 16 Cg 90/85-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 3.706,20 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 617,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 16.1.1973 miteinander die Ehe geschlossen. Die Ehe blieb kinderlos.

Der Kläger führt mit Standort Wien 8., Lederergasse 4, ein Geschäft als Friseurmeister. Die Beklagte war bei ihm angestellt. Sie hatte die Kundenbetreuung über. Seit Beginn der 80er-Jahre kam es zwischen den Streitteilen zu schweren Zerwürfnissen wegen des Verhaltens der Beklagten gegenüber Kunden und dem Personal, das vom Kläger als schwere Störung des Geschäftsbetriebes aufgefaßt wurde. Die Beklagte hat sich stets geweigert, dem Wunsch des Klägers nach Kindern zu entsprechen. Seit dem 1.3.1978 verweigert sie dem Kläger den ehelichen Verkehr.

In der ersten Hälfte der 80er-Jahre hatte der Kläger Beziehungen zu einer Angestellten der gegenüberliegenden Bankfiliale, die zum Austausch von Liebesbriefen und zahlreichen Telefonaten führten. Der Kläger mußte auch aus der Bank herübergerufen werden, um Kunden zu bedienen.

Im Herbst 1985 lernte der Kläger Edith R*** kennen. Diese war ursprünglich eine Kundin, später ein Modell des Klägers. Zwischen dem Kläger und der Zeugin bahnten sich sehr enge Beziehungen an (die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Kläger mit R*** Ehebruch begangen hat, wurde vom Berufungsgericht nicht übernommen). Der Kläger unternahm mit R*** auch Urlaubsreisen und ließ diese in einer von ihm bereits beschafften, aber noch nicht bezogenen Wohnung wohnen. In dieser Wohnung besuchte er sie jedoch öfter. Am 6.6.1987 hat der Kläger die eheliche Wohnung verlassen und ist in die bereits früher angeschaffte Wohnung im Hause Lederergasse 2 gezogen. Zu diesem Zeitpunkt zog R*** aus der Wohnung aus. (Bezüglich der Details der Feststellungen wird auf die Ausführungen des Erstgerichtes auf den Seiten 342 bis 347 d.A. verwiesen.) Beide Vorinstanzen haben die Ehe aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Der Beklagten wurde ihr liebloses und geschäftsstörendes Verhalten sowie die Verweigerung der Nachkommenschaft und des ehelichen Verkehrs angelastet, während die Vorinstanzen das Verhalten des Kläges gegenüber anderen Frauen und das Verlassen der Ehewohnung als schwere Eheverfehlungen werteten.

Rechtliche Beurteilung

Die von beiden Streitteilen gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und seitens der Beklagten auch wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erhobenen Revisionen sind nicht gerechtfertigt. Der Beklagten muß zugestanden werden, daß die Ausführungen des Erstgerichtes, denenzufolge der Kläger mit Edith R*** Ehebruch begangen hat, eine tatsächliche Schlußfolgerung darstellen, die nach den Beweisergebnissen nicht den Gesetzen der Logik widerspricht. Von derartigen Feststellungen darf das Berufungsgericht nur nach Beweiswiederholung abgehen.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die entsprechende Feststellung als bedenklich bezeichnet. Es wäre daher verpflichtet gewesen, diesbezüglich die Beweise zu wiederholen, falls diese Feststellung für seine Entscheidung wesentlich gewesen wäre. Dem Berufungsgericht muß jedoch zugebilligt werden, daß dies nicht der Fall ist, weshalb sich eine Beweiswiederholung erübrigte, weil das Ergebnis der Entscheidung unabhängig davon ist, ob der Kläger mit Edith R*** Ehebruch begangen hat oder nicht. Die festgestellten Beziehungen des Klägers zu dieser Frau waren nämlich auch in dem vom Berufungsgericht übernommenen Umfang derart intensiv, daß sie in ihrer Bedeutung als Eheverfehlung einem Ehebruch praktisch gleichkommen. Es spielt daher keine entscheidende Rolle mehr, ob es zwischen dem Kläger und Edith R*** zum Geschlechtsverkehr gekommen ist oder nicht. Die Feststellung des erwähnten Umstandes würde daher lediglich dazu führen, daß das Verhalten des Klägers nicht nach § 49 EheG, sondern nach § 47 EheG zu qualifizieren ist. An der bloßen Zuordnung einer Eheverfehlung zu einem bestimmten Ehescheidungsgrund besteht aber dann keine rechtliche Notwendigkeit, wenn diese Zuordnung für den Ausgang des Scheidungsverfahrens bedeutungslos ist. Vorauszuschicken ist, daß auch nach den Berufungs- und Revisionsanträgen der Beklagten von keinem der Streitteile die grundsätzliche Scheidung der Ehe abgelehnt wird. Auch die Beklagte wendet sich nur gegen den Verschuldensausspruch. Bezüglich dieses Ausspruches ist jedoch den Vorinstanzen zu folgen.

Von einer Verfristung der Eheverfehlungen der Beklagten kann keine Rede sein, weil die Beklagte ihr ehewidriges Verhalten ständig fortgesetzt hat. Ein fortgesetztes ehewidriges Verhalten ist aber als Einheit aufzufassen, so daß der Fristablauf auf die letzte Handlung abzustellen ist (6 Ob 635/89, 2 Ob 545/88, EFSlg.8.628 ua). Daß das Verhalten der Beklagten im Betrieb des Klägers eine schwere Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Klägers darstellte, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen und insbesondere auch aus den Beilagen, in denen sich Kunden über die Beklagte beschwerten. Ein dauerndes Verhalten eines Ehegatten, das das berufliche Fortkommen des anderen ernstlich beeinträchtigt, ist eine schwere Eheverfehlung. Selbstverständlich müssen die ständige Verweigerung des Geschlechtsverkehrs und der Fortpflanzung als weitere schwere Eheverfehlungen gewertet werden.

Daß die Beziehungen des Klägers zu der eingangs erwähnten Bankangestellten und insbesondere zu Edith R*** in krassem Widerspruch zu dem Verhalten, das in einer Ehe vorausgesetzt wird, stehen, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung. Derartige Beziehungen zu Personen des anderen Geschlechts, noch dazu wenn sie intensiv so sind, daß sie in ihrer Bedeutung dem Ehebruch nahezu gleichkommen, sind grundsätzlich geeignet, eine Ehe entscheidend zu zerrütten. Das Verlassen der ehelichen Wohnung muß als eine Art endgültige Besiegelung der Zerrüttung gewertet werden. Das Argument des Klägers, nicht er habe mit der Zerrüttung angefangen, kommt hier nicht zum Tragen. Natürlich spielt es bei der Verschuldensabwägung eine Rolle, wessen Verhalten die Zerrüttung primär ausgelöst hat. Eheverfehlungen eines Ehepartners fallen jedoch nur dann nicht ins Gewicht, wenn durch die vorangegangenen Eheverfehlungen des anderen Teiles die Zerrüttung bereits unheilbar geworden ist. Dies kann mangels entsprechender Feststellungen hier bezüglich der Eheverfehlungen des Klägers nicht gesagt werden. Vielmehr ergeben die Feststellungen das Bild einer sich im Laufe der Jahre immer mehr auflösenden Ehe. Die Streitteile haben sich eben auseinandergelebt, wobei jeweils das Verhalten eines Teiles ein weiteres ehewidriges Verhalten des anderen Teiles mitbewirkt haben mag. Keinesfalls kann dem festgestellten Sachverhalt entnommen werden, daß die Entfremdung zwischen den Ehegatten ausschließlich auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen war. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, der Kläger habe bereits anfangs der 80er-Jahre immer mehr aus der Ehe gestrebt. Das Fehlverhalten der Beklagten wurde von ihm nicht mit dem Versuch, allfällige Trübungen zu beseitigen, sondern mit eigenen Verfehlungen beantwortet. Zusammenfassend ergibt sich also, daß die Vorinstanzen beiden Ehegatten zu Recht die von ihnen angenommenen Eheverfehlungen vorgeworfen haben. In ihrer Gesamtbedeutung müssen diese Verfehlungen ungefähr gleich gewertet werden, weil sie alle zu der endgütligen Zerrüttung der Ehe in ungefähr gleichem Ausmaß beigetragen haben.

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen erweist sich demnach als richtig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs.1 und 50 ZPO. Dem Kläger waren für die erfolgreiche Abwehr der Revision der Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen. Da die Beklagte mit ihrer Revision keinen Erfolg hatte und von ihr eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, mußte ein Kostenzuspruch an sie unterbleiben.

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