OGH 8Ob637/89

OGH8Ob637/8921.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der ehelichen Kinder mj. Thomas DE M***, geboren am 21.April 1979, und mj. Elisabeth DE M***, geboren am 27. Juli 1980, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr.Manfred DE M***, Facharzt für Innere Medizin, Adalbert-Stifter-Straße 25, 1200 Wien, vertreten durch Dr.Erich Proksch und Dr.Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26.Mai 1989, GZ 47 R 161/89-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 13.Jänner 1989, GZ 7 P 105/87-119, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach der im Jahre 1984 erfolgten einvernehmlichen Scheidung der Ehe der Eltern der beiden Minderjährigen wurden die elterlichen Rechte und Pflichten deren Mutter zugewiesen und dem Vater ein Besuchsrecht in Form von zwei Besuchstagen pro Monat eingeräumt. Im Zusammenhang mit der Ausübung dieses Besuchsrechtes kam es zwischen den Eltern immer wieder zu gegenseitigen Vorhaltungen und gegensätzlichen Anträgen um Erweiterung bzw. Einschränkung oder Aussetzung des Besuchsrechtes; die Mutter berichtete von Angstzuständen und starken psychischen Belastungen der Kinder bis hin zu Übelkeit und Bauchschmerzen am Morgen des jeweiligen Besuchstages und verwies darauf, daß die Kinder nach der Besuchsrechtsausübung verstört seien und 2-3 Tagen brauchten, um sich zu beruhigen, so daß psychische Schäden zu befürchten seien. Aus diesen Gründen beantragte sie am 19.Mai 1988 die Aufhebung des väterlichen Besuchsrechtes (ON 106).

Mit Beschluß vom 13.Jänner 1989 ON 119 sprach das Erstgericht aus, daß dem Vater das Besuchsrecht zu den beiden Minderjährigen bis auf weiteres entzogen werde. Es stellte auf Grund der Stellungnahmen des Bezirksjugendamtes und der diesen angeschlossenen fachpsychologischen Gutachten und Schulbeschreibungen der beiden Minderjährigen sowie insbesondere auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen für Kinder- und Jugendneuropsychiatrie Univ.Doz.Dr.Max F*** fest, daß die Eltern weiterhin in einem äußerst gespannten Verhältnis zueinander stünden, es im Zuge der Besuchsrechtsausübung zwischen ihnen offenbar zu häßlichen Szenen gekommen sein dürfte, die Kinder in einen Loyalitätskonflikt gekommen seien und ihre durch die Besuchskontakte gegebene psychische Belastung immer stärker geworden sei, so daß sie schließlich zu den Besuchswochenenden schwere körperliche Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Fieberanfälle und ähnliches zeigten. Diese vegetativen Reaktionen erreichten zwar keinen Krankheitswert mittleren oder höheren Ausmaßes, seien jedoch als erlebnisreaktive psychische Erscheinungen auf längere Dauer und in ihrer Summation ernst zu nehmen. Die Mutter sei für die Pflege und Erziehung gut geeignet und verhalte sich grundsätzlich durchaus loyal gegenüber den Besuchsansprüchen des Vaters. Dieser versuche im Rahmen der Besuchsrechtsausübung, Erziehungsfunktionen wahrzunehmen bzw. bei der Erziehung unterstützend mitzuwirken. Für seine Zuwendung erwarte er sich von den Kindern Liebe, Wärme und Dankbarkeit, die Kinder hätten jedoch das sichere Empfinden, daß diese väterliche Zuneigung wie ein Geschäft gehandhabt wird und wollen sich "auf diesen Handel" nicht einlassen. Sie sind der Beschimpfungen und des Spottes des Vaters überdrüssig, fürchten sich vor ihm und möchten zu ihm keinen Besuchskontakt mehr.

Unter Hinweis auf den für die Entscheidung in allererster Linie wesentlichen Maßstab des Wohles der Kinder vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, daß die Ausübung des Besuchsrechts des Vaters unter den derzeitigen Umständen diesem Wohle widerstreite und das Besuchsrecht daher bis auf weiteres auszusetzen sei. Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß. Es traf aus dem Akt noch weitere Feststellungen (S 3 f der Entscheidung) zu den Angaben der beiden Minderjährigen über die Gründe, weshalb sie den Vater ablehnten, und legte im einzelnen dar, warum es die erstgerichtlichen, insbesondere auch auf das eingeholte Sachverständigengutachten gegründeten Feststellungen für unbedenklich und ausreichend und die beantragte mündliche Erörterung dieses Gutachtens nicht für notwendig halte. In rechtlicher Hinsicht verwies es auf die Bestimmung des § 148 Abs. 1 ABGB, wonach das Gericht die Ausübung des Besuchsrechtes des nicht erziehungsberechtigten Elternteiles in einer dem Wohle des Kindes gemäßen Weise zu regeln oder nötigenfalls auch zu untersagen habe. Das Besuchsrecht des nicht erziehungsberechtigten Elternteiles sei zwar als Grund- und Menschenrecht anzuerkennen, doch sei oberster Grundsatz des Besuchsrechtes das Kindeswohl. Im Konfliktsfall gehe dieses dem Besuchsrechtsanspruch vor. Im gegenständlichen Falle lehnten die Kinder den Vater ab, weil er immer über sie und die Familienmitglieder schimpfe bzw. diese herabwürdige, dem mj. Thomas auch Angst mache und ihm drohe. Insgesamt sei jedenfalls schon jetzt absehbar, daß die Kinder mit zunehmendem Alter und erhöhter Kritikfähigkeit immer stärker in den Konflikt mit dem Vater hineingelangen würden, weshalb das Erstgericht, ausgehend vom Kindeswohl, zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen zu einer Aussetzung des väterlichen Besuchsrechtes angenommen habe. Es erscheine aber möglich, daß nach einer gewissen Zeit die Emotionen zwischen den Eltern einerseits und den Kindern und dem Vater andererseits doch abgebaut würden und ein neuer Anfang für die Kontaktaufnahme zwischen Vater und Kindern gemacht werden könne. Es sei dem Vater unbenommen, nach Beruhigung der gesamten familiären Situation und Abbau der gegenseitigen Mißverständnisse einen neuen Besuchsrechtsantrag zu stellen.

Der rekursgerichtliche Beschluß wird vom Vater mit einem auf die Beschwerdegründe der Nichtigkeit, der Aktenwidrigkeit und der offenbaren Gesetzwidrigkeit gestützten Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG angefochten. Er beantragt die Abänderung im Sinne einer Erweiterung seines Besuchsrechtes, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Als Nichtigkeitsgrund wird geltend gemacht, entgegen dem Antrag des Vaters sei das ihm zugestellte Sachverständigengutachten nicht mündlich erörtert und ihm solcherart die Möglichkeit zur Stellungnahme entzogen worden, so daß eine Verletzung des Parteiengehörs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung ist das rechtliche Gehör der Partei im außerstreitigen Verfahren selbst dann gewahrt, wenn sie sich nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (EFSlg. 49.985, 7 Ob 664/87 uva). Eine mündliche Verhandlung ist grundsätzlich nicht vorgeschrieben, es genügt, wenn den Parteien die Möglichkeit einer Stellungnahme, zB im Rekurs (7 Ob 651/84, 8 Ob 530/85 uva), eröffnet wird.

Der behauptete Beschwerdegrund liegt somit nicht vor. Zum Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit des rekursgerichtlichen Beschlusses wird vom Rekurswerber keine konkrete Ausführung getroffen, sondern lediglich am Ende seiner Rechtsmittelausführungen erklärt, es ergebe sich "zusammenfassend, daß die getroffene Entscheidung sowohl aktenwidrig als auch offenbar gesetzwidrig" sei. Konkret wird aber der behauptete Anfechtungsgrund nicht dargestellt, so daß auf ihn auch nicht weiter eingegangen werden kann. Als offenbare Gesetzwidrigkeit macht der Vater geltend, nach der Rechtsprechung zu § 148 Abs. 1 ABGB könne ein Besuchsrecht nur entzogen werden, wenn konkrete Befürchtungen für das Wohl der Kinder vorlägen. Bloße ängstliche oder selbst neurotische Reaktionen der Kinder auf den Besuch des anderen Elternteiles oder dessen Ablehnung durch das Kind reichten nicht aus, den Kontakt zum Kind zu untersagen. Noch weniger könnten dies daher die vorliegendenfalls vom Sachverständigen geäußerten bloßen Befürchtungen. Spannungen zwischen den Elternteilen seien kein Grund für die Entziehung des Besuchsrechtes, soferne sie die Erziehungsmöglichkeit nicht unerträglich störten. Überdies sei zunächst eine bloße Einschränkung des Besuchsrechtes zu erwägen.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine offenbare

Gesetzwidrigkeit nur vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende

Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß an der

Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann und trotzdem

anders entschieden wurde. Bei Ermessensentscheidungen kann eine

offenbare Gesetzwidrigkeit schon begrifflich nicht gegeben sein

(siehe hiezu die in Verfahren Außerstreitsachen MGA2 30 abgedruckten

E 19, 23). Bei der Entscheidung gemäß § 148 Abs. 1 ABGB handelt es

sich um eine Ermessensentscheidung, bei welcher das Wohl des Kindes

ausschlaggebend ist (§ 148 ABGB: "..... Das Gericht hat auf Antrag

die Ausübung dieses Rechtes in einer dem Wohle des Kindes gemäßen

Weise zu regeln oder nötigenfalls ..... ganz zu untersagen.").

Von einer Außerachtlassung des Wohles der Kinder kann nach der Rechtsprechung schon dann keine Rede sein, wenn sich die Vorinstanzen mit der Frage, ob das Besuchsrecht dem Wohl des Kindes entspreche, ausdrücklich auseinandergesetzt haben (6 Ob 624/84, 6 Ob 560/88, 3 Ob 543/89 uva). Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen diesem Wohle entsprochen ist, sind im Gesetze nicht aufgestellt und es fehlt auch eine abschließende Regelung dahin, in welchen Fällen ein Besuchsrecht ganz zu untersagen ist. Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers zeigen demnach insgesamt keine offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochenen Entscheidung auf, denn sie bringen nur eine angeblich unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Rekursgericht zum Ausdruck, welches entgegen der Rechtsprechung zu § 148 Abs. 1 ABGB, nämlich ohne Vorliegen konkreter Befürchtungen für das Wohl der Kinder, dem Vater das Besuchsrecht entzogen habe.

Selbst wenn ein solcher Widerspruch zur Rechtsprechung vorläge - siehe jedoch die auf AS 265 gegründeten erstgerichtlichen Feststellungen -, wäre aber für den Rechtsmittelwerber nichts gewonnen, weil eine unrichtige rechtliche Beurteilung einer offenbaren Gesetzwidrigkeit, wie sie § 16 AußStrG fordert, nicht gleichkommt.

Mangels Vorliegens eines der im § 16 AußStrG genannten Beschwerdegründe war der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters daher zurückzuweisen.

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