OGH Okt1/89

OGHOkt1/8920.9.1989

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch seinen Vorsitzenden Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Hon.Prof. DDr. Dittrich, Dkfm. Dr. Grünwald, Mag. Kinscher, Dr. Lettner und Dr. Placek in der Kartellrechtssache des Antragstellers S*** G***U*** W***, Wien 4., Schwarzenbergplatz 14, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin H*** Handelsgesellschaft mbH, Steyr, Taschelried 20, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Untersagung gemäß § 3 a NVG, infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß (vorläufige Untersagung) des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 29. Dezember 1988, NaV 21/88-7, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluß untersagte das Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien der Antragsgegnerin vorläufig, nämlich bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Sache selbst, die Ware A 4-Farbkopien zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten; ein Mehrbegehren wurde unangefochten abgewiesen.

Das Kartellgericht bejahte die von der Antragsgegnerin nicht bestrittene Aktivlegitimation des S*** G***DEN

U*** W*** nach § 7 Abs 2 S 2 NVG und die Passivlegitimation der Antragsgegnerin, eines führenden Handelsunternehmens der Fotobranche, ging von dem von ihr zugestandenen üblichen Großhandelseinstandspreis von 7 S pro Stück aus und stellte für das Provisorialverfahren folgenden weiteren Sachverhalt fest:

Die Antragsgegnerin hat mit der C*** Gesellschaft mbH die Lieferung von Kopien für einen bestimmten Zeitraum zu einem Preis von 5 S je Kopie inklusive Umsatzsteuer vereinbart, wozu (wovon) noch ein 5 %-iger Nachlaß kommt (besser: abzuziehen ist), den die Antragsgegnerin bei sämtlichen Geschäften mit der C*** Gesellschaft mbH erhält. In den einzelnen Filialen werden Kopien der von den Kunden mitgebrachten Originale hergestellt, wobei lediglich Papier und Toner vom Lieferanten kommen.

Das Kartellgericht hielt die Einwendungen der Antragsgegnerin gegen den Anspruch im Bescheinigungsverfahren für nicht berechtigt. Wenn die Antragsgegnerin ihren Kunden nur den Preis des beim Kopieren verwendeten Papiers in Rechnung stelle, verlange sie für die Dienstleistung des Kopierens nichts. Es handle sich deshalb um einen Warenverkauf, der mit der Benützung des Kopiergeräts und der Tätigkeit des Angestellten verbunden sei. Bei der Prüfung der Preisgestaltung seien nicht nur der vereinbarte Einstandspreis und der behauptete weitere Nachlaß von 5 % zu berücksichtigen, sondern im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 359/86 (= WBl 1989, 23) auch zu prüfen, ob die gewährten Rabatte oder Preisnachlässe mit dem in § 1 NVG geforderten kaufmännischen Wohlverhalten in Einklang stünden. Was nach § 1 NVG verboten sei, könne nicht einen Einstandspreis nach § 3 a NVG rechtfertigen. Demnach schieden alle nicht gerade auf Grund einer bestimmten Bestellung gewährten, also nicht generell vom Lieferanten jedem seiner Händlerkunden, die gewisse sachlich gerechtfertigte Voraussetzungen erfüllen, gewährten Preisnachlässe aus. Nach dem sogenannten "Wohlverhaltenskatalog" der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, der als Bescheinigung über die Erwartungen jener Geschäftsleute zu beurteilen sei, die ihr Verhalten zur Abwehr von Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Nahversorgungsgesetzes an einem leistungsgerechten Wettbewerb orientieren, sei eine Rabattgewährung durch einen Lieferanten sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie nicht in genereller Weise für alle Händler, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, gestaffelt sei. Im vorliegenden Fall entspreche der auf die Antragsgegnerin zugegebenermaßen "zugeschnittene", besonders vereinbarte Rabatt dem kaufmännischen Wohlverhalten nicht, weil er nicht gerade jenen Einsparungen der Lieferungen entsprochen habe, die sich durch den Bezug des an die Letztverbraucher verbilligt abgegebenen Kontingents von Farbkopien tatsächlich ergeben hätten. Schließlich sei auch ein unwiederbringlicher Schaden für Konkurrenten der Antragsgegnerin durch deren Verhalten bescheinigt, weil ein solcher Schaden bei einem Verstoß nach § 3 a NVG stets drohe und die offenkundige Wiederholungsgefahr von der Antragsgegnerin nicht abgewendet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Antragsgegnerin ist nicht berechtigt. Der Erledigung des vorliegenden Rechtsmittels sind einige grundsätzliche Erwägungen voranzustellen:

1.) In parallelen, an das Kartellobergericht herangetragenen Fällen wurden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit verschiedener Bestimmungen des Kartellgesetzes 1988 und des Nahversorgungsgesetzes geäußert und angeregt, das Kartellobergericht wolle diese Bestimmungen beim Verfassungsgerichtshof anfechten. Da im vorliegenden Fall gleichartige Rekursausführungen fehlen, genügt es hier darauf hinzuweisen, daß das Kartellobergericht in den anderen Fällen keine Veranlassung gefunden hat, den Verfassungsgerichtshof anzurufen (Okt 2/89, Okt 3/89).

2.) Nach § 3 a NVG idF der Nov. BGBl. 1988/424 kann, wer im geschäftlichen Verkehr Waren zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkehr anfallen, verkauft oder zum Verkauf anbietet, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Einstandspreis ist der Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe ergibt, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungsstellung eingeräumt werden. Nach dem Abs 2 sind die Bestimmungen des Abs 1 nicht anzuwenden, wenn die Preiserstellung nach den Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Gebarung gerechtfertigt ist. Das Gesetz zählt vier solcher Fälle beispielsweise auf.

Zweck dieser Regelung ist nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers besonders die Bekämpfung von Marktmacht innerhalb gleicher Vertriebsstufe und der Schutz des leistungsgerechten Wettbewerbs davor, daß nachfragemächtige Unternehmen aus dem Verdrängungswettbewerb sachlich ungerechtfertigte Vorteile ziehen (AB 262 Blg NR 15.GP, AB 694 Blg NR 17.GP; Sladek, Zur Effizienz des Nahversorgungsgesetzes, ÖZW 1983, 41, 44; Schumacher, "Quo vadis", österreichisches Wettbewerbsrecht?, ÖJZ 1978, 314 f; Karsch, Verletzungen des NahversorgungsG als Wettbewerbsverstoß?, ÖBl 1979, 91 f). Ähnlich nennen Fitz-Roth, Verkauf unter dem Einstandspreis, RdW 1989, 241 ff, drei wesentliche Rechtsschutzziele des Gesetzes, nämlich die Erhaltung des mittelständischen Einzelhandels, den Verbraucherschutz und die Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs als solchen. Sie bezweifeln allerdings die Richtigkeit und die Erreichbarkeit dieser Ziele und bezeichnen die gesetzgeberische Reform als Fehlleistung. Zu dieser Kritik ist hier nicht Stellung zu nehmen, weil das Gericht das rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers nicht zu überprüfen hat und nicht zur Beurteilung berufen ist, ob das Gesetzgebungswerk diesem Ziel besonders der Wettbewerbs- und Konsumentenpolitik optimal dient. Es muß aber der Meinung von Fitz-Roth widersprochen werden, wegen der von ihnen angenommenen Fehlentscheidung des Gesetzgebers sei die Rechtsprechung aufgerufen, "in bewußter Ausnutzung aller tatbestandlichen Spielräume, die die gesetzgeberische Aussage gelassen hat, die Verbotswirkungen auf ein Minimum zu reduzieren". Die Auslegung des vom Gericht anzuwendenden Gesetzes muß sich vielmehr an dessen erklärtem Ziel mitorientieren (historisch-teleologisch und objektiv-teleologische Auslegung; vgl. Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 19 f zu § 6), womit dem freien Wettbewerb bewußt weitere Grenzen gesetzt wurden.

3.) Bei der Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel geht es noch nicht um die Sachentscheidung auf (endgültige) Untersagung eines Verkaufes zum oder unter dem Einstandspreis nach § 3 a NVG, sondern nur um die Berechtigung der begehrten vorläufigen Maßnahme iSd § 7 Abs 4 NVG. Dabei handelt es sich um einen Fall einer einstweiligen Verfügung iSd § 381 EO. Die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Exekutionsordnung ist zwar im Nahversorgungsgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Es ist aber anerkannt, daß einstweilige Verfügungen auch im außerstreitigen (hier gem. § 7 Abs 1 NVG anzuwendenden) Verfahren zulässig sind (SZ 34/105; EvBl 1971, 107 uva), und das billigt auch die Lehre zum Nahversorgungsgesetz (Farnleitner-Straberger, NVG 28 und Heil, GesRZ 1977, 88). Bei Erlassung einer einstweiligen Maßnahme reicht daher auch hier eine Bescheinigung des Anspruches aus (§ 389 Abs 1 EO). Ebenso sind Gegenbescheinigungen durch den Antragsgegner möglich (vgl. SZ 43/154; SZ 51/39; JBl. 1980, 374 ua). Es genügt daher, daß der Antragsteller einen Verkauf zum oder unter dem Einstandspreis durch den Antragsgegner glaubhaft macht; diesem obliegt dann die Bescheinigung der ernstlichen Möglichkeit eines abweichenden Sachverhaltes ähnlich wie beim Anscheinsbeweis (vgl. Fasching, Komm III 236 und Lehrbuch Rz 895; SZ 56/145 ua; Fitz-Roth aaO 248). Im Verfahren über die einstweilige Verfügung gilt der Untersuchungsgrundsatz nicht (Heller-Berger-Stix, EO4 2829; EF 37.044 ua; EvBl 1989/77).

Die Rekurswerberin beharrt zunächst auf ihrem Rechtsstandpunkt, bei der Ausarbeitung von Farbkopien von Originalfotografien ihrer Kunden auf Kopierpapier der C*** Gesellschaft mbH handle es sich nicht um den Verkauf einer Ware nach § 3 a NVG. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Antragsgegnerin kauft einerseits das Kopierpapier bei ihrem Lieferanten und stellt andererseits unter Verwendung dieses Papiers und Hinzutritt einer eigenen Dienstleistung Farbkopien der Originale ihrer Kunden her. Diese Kopien verkauft sie zu dem hier beanstandeten Preis statt des "bisher gültigen Normalverkaufspreises" (unbestrittene Zeitungsannonce). Der Begriff der "Ware", wie er im Nahversorgungsgesetz verwendet wird, findet seine grundsätzliche Wertung im § 1 Abs 2 Z 1 HGB derart, daß es sich um bewegliche Sachen handelt, die angeschafft und weiterveräußert werden, ohne Unterschied, ob die Weiterveräußerung unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung geschieht. Die Anwendung dieser Begriffsbestimmung in der das Handelsrecht beherrschenden Vorschrift des § 1 HGB auch bei der Auslegung des gleichen Begriffes im Nahversorgungsgesetz ergibt sich zwangsläufig, zumal auch dieses Gesetz wesentliche Vorgänge des Handels regelt. Das Kopierpapier der C*** Gesellschaft mbH ist der wesentliche Träger des von der Antragsgegnerin verkauften Produkts. Auch ein Größenschluß führt daher zum Ergebnis, daß die Ware, die nach § 3 a NVG nicht zum oder unter dem Einstandspreis weiterverkauft werden darf, in ihrer Gesamtheit, nämlich Material und Arbeit, über diesem Einstandspreis wenigstens des Materials verkauft werden muß. Dabei können zwei Grenzbereiche hier ausgeklammert bleiben: jener der industriellen oder gewerblichen Herstellung, weil die Antragsgegnerin unbestrittenermaßen ein Handelsunternehmen ist; und ebenso die bloße Anschaffung von Hilfsstoffen durch Handwerker (vgl. Straube, HGB, Rz 32 zu § 1), weil das Kopierpapier hier neben der hinzukommenden Dienstleistung der hauptsächliche Wertträger des Produkts ist. Zum selben Ergebnis führt die teleologische Auslegung des Begriffes Ware, weil sonst der Anwendungsbereich dieser Vorschrift entgegen dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers selbst dort wegfiele, wo die "Ware" bloß durch mengenmäßige Veränderung dem Käufer zukommt. Daß andererseits die Be- oder Verarbeitung in gewissen Fällen eine überragende Bedeutung gegenüber der angekauften Ware haben kann, spielt hier keine Rolle.

Nach § 3 a NVG kann die Antragsgegnerin demnach auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie die Farbkopien zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, verkauft oder zum Verkauf angeboten hat. Der Nachweis der Erfüllung dieser Tatbestandsmerkmale obliegt nach allgemeinen Beweislastregeln dem Antragsteller. Im vorliegenden Fall kann aber die schwierige Frage, wie diese Beweisführung zu geschehen hat, und besonders die Frage nach der Zulässigkeit eines Zwanges zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen (vgl. hiezu Barfuß, Verkauf unter dem Einstandspreis, WBl. 1989, 139) offen bleiben:

Entgegen der Meinung des Antragstellers sind allerdings bei der Berechnung des Einstandspreises Regie- oder Fixkostenanteile des Handelsbetriebes der Antragsgegnerin nicht zuzuschlagen. Das ergibt sich schon aus der Definition des Einstandspreises im Gesetz, das keinerlei Anhaltspunkt dafür bietet, daß die gesamten Selbstkosten des Produktes maßgeblich sein sollen. Eine Hinzurechnung eines Regieanteiles wäre auch ganz unpraktikabel, weil zur Zuweisung eines angemessenen Anteiles an eine bestimmte Ware die gesamte Kalkulation des Betriebes aufgedeckt werden müßte. Auch der Zweck des Gesetzes erfordert eine solche Mitberücksichtigung von Fixkostenanteilen nicht. Die Aufteilung der Regieanteile auf die verschiedenen Waren kann dem Unternehmer überlassen werden, ohne das Ziel, den Mißbrauch der Marktmacht zum Nachteil vor allem der kleineren Mitbewerber oder Konsumenten hintanzuhalten, zu gefährden; gerade auch den Mitbewerbern bleiben auf diese Weise Ermessensspielräume, um ihrerseits - ohne Verletzung des kaufmännischen

Wohlverhaltens - konkurrenzfähig zu bleiben.

Umgekehrt kann auch nicht der Ansicht gefolgt werden, Rabatte, die im Zeitpunkt der Rechnungsstellung noch nicht ziffernmäßig und endgültig feststellbar waren, könnten für die Bemessung des zulässigen Verkaufspreises mitberücksichtigt werden. Das Abstellen des Gesetzes auf den im Zeitpunkt der Rechnungsstellung eingeräumten Preis läßt es zwar als zulässig erscheinen, einen schon vorher vereinbarten bestimmten oder für den Zeitpunkt der Rechnungsstellung bestimmbaren Rabattsatz zu berücksichtigen; bei der Vereinbarung eines variablen Mengenrabattes etwa wäre aber eine bei Rechnungsstellung noch nicht erreichte Menge nicht geeignet, für diesen Zeitpunkt einen höheren als den in diesem Zeitpunkt tatsächlich erreichten Rabattanspruch zu begründen. Entgegen Fitz-Roth 250 widerspräche in einem solchen Fall die Anrechnung eines vorauskalkulierten ungefähren Rabattsatzes dem Abstellen des Gesetzes auf einen bestimmten Zeitpunkt, und es wäre überdies der Umgehung des Gesetzeszwecks Vorschub geleistet, wenn Rabatte, die noch nicht mit Sicherheit zustehen, berücksichtigt werden dürften. Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin allerdings eine Rahmenvereinbarung behauptet, innerhalb welcher auch schon im Zeitpunkt der Lieferung oder Rechnungsstellung der (angeblich mengenunabhängige) Generalrabatt von 5 % vom Rechnungsbetrag in Abzug gebracht werden dürfe. Diese Ansicht läßt sich nicht schon durch die vom Kartellgericht zitierte Entscheidung 4 Ob 359/86 = WBl. 1989, 23 widerlegen, nach welcher ein Preisnachlaß nur für die individuell davon betroffene Ware berücksichtigt werden darf. Es wäre vielmehr denkbar, daß der Generalrabatt auch für die hier betroffene Ware wirksam vereinbart wurde, wofür die Antragsgegnerin auch eine Bescheinigung angeboten hat.

Die heikle Frage der Bescheinigung des im sonstigen Geschäftsverkehr zwischen dem Lieferanten und anderen Händlern üblichen Einstandspreises und der Beweisführung des Antragstellers hierüber stellt sich hier aber nicht, weil die Antragsgegnerin die Behauptung des Antragstellers, wonach der Einkaufspreis für Farbkopien "derzeit" um 7 S und damit der Wiederverkaufspreis der Antragsgegnerin weit unter dem Großhandelseinstandspreis liege, nicht bestritten hat. Sie hat diese Behauptung vielmehr nur mit dem Hinweis beantwortet, daß es sich dabei nur um an sich allgemein gültige, nicht aber auf den gegenständlichen Fall zugeschnittene Erhebungen handeln könne und damit nicht nachgewiesen worden sei, daß die Antragsgegnerin nicht einen anderen Einstandspreis als die sonstigen Händler gehabt habe. Nach diesem eigenen Standpunkt der Antragsgegnerin ist es als hinreichend bescheinigt anzusehen, daß ihr Wiederverkaufspreis erheblich, nämlich rund 30 % unter dem allgemein üblichen Einkaufspreis des Kopierpapiers für Wiederverkäufer liegt.

In diesem Fall kommt der schon vom Kartellgericht aufgeworfenen Frage entscheidende Bedeutung zu, ob der mit dem Verkaufspreis zu vergleichende Einstandspreis Rabatte und Sonderkonditionen ohne Rücksicht darauf veranschlagen darf, ob es sich um ein nach § 1 NVG verbotenes, dem kaufmännischen Wohlverhalten widersprechendes Verhalten handelt. Diese Frage ist entgegen der Ansicht der Rekurswerberin zu verneinen:

Gegen die Prüfung der (Un-)Zulässigkeit besonderer Rabatte aus dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen kaufmännisches Wohlverhalten nach § 1 NVG könnte zwar sprechen, daß § 3 a NVG ausdrücklich alle Rabatte als abzugsfähig erklärt, ohne in irgendeiner Weise auf § 1 und die dortige Prüfungs- und Untersagungsmöglichkeit zu verweisen, und daß das besondere Antragsrecht der Schutzverbände nach dem § 7 Abs 2 NVG nur in den Fällen des § 3 a NVG besteht, während Verstöße nach den §§ 1 bis 4 NVG nur von der Finanzprokuratur, der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, dem Österreichischen Arbeiterkammertag und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs verfolgt werden können; wird über einen Antrag nach § 3 a NVG auch das kaufmännische Wohlverhalten im Sinn des § 1 NVG geprüft, so bedeutet das eine Einflußmöglichkeit des Schutzverbandes in einer Frage, in der er sonst nicht einschreitungsbefugt ist. Allerdings sind ohnehin nur solche Verbände nach § 3 a NVG antragsberechtigt, denen eine der öffentlich-rechtlichen Institutionen als Mitglied angehört. Nach der zutreffenden Ansicht des Kartellgerichtes sind aber die Bestimmungen der §§ 1 bis 3 a NVG nicht isoliert voneinander zu beurteilen. Jene Verhaltensweisen von Unternehmen im geschäftlichen Verkehr, die nach § 1 NVG untersagt werden können, soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden, das sind besonders das Gewähren oder Annehmen von Rabatten oder Sonderkonditionen zwischen Lieferanten und Wiederverkäufern, die sachlich nicht gerechtfertigt sind und die deshalb beiden Unternehmen nach § 1 Abs 1 und § 2 NVG untersagt werden können, dürfen auch nicht nach § 3 a NVG eine Unterschreitung des zulässigen Mindestpreises beim Wiederverkauf rechtfertigen. Es wäre ein arger Wertungswiderspruch, wenn das Gesetz einerseits kaufmännisches Wohlverhalten forderte, andererseits aber eine gröbliche Mißachtung dieses Gebots bei der Erstellung des Wiederverkaufspreises hinnähme. Der wenig sicher vorgetragenen und nicht überzeugenden Gegenmeinung von Fitz-Roth (aaO 251 f) kann daher nicht gefolgt werden. Preisnachlässe und Rabatte, die nach § 1 NVG verboten sind, können deshalb auch bei der Prüfung des richtigen Einstandspreises nicht berücksichtigt werden.

Für die Bescheinigung eines Verstoßes gegen kaufmännisches Wohlverhalten reicht der Nachweis eines Verstoßes gegen den Wohlverhaltenskatalog der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vom 10. Oktober 1977, ÖBl 1977, 150) bis zu einer Gegenbescheinigung aus, weil dieser Katalog, auch wenn er keine normative Wirkung hat (SZ 56/9), die Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise wiedergibt, welche auf dem österreichischen Markt in letzter Zeit verstärkt feststellbaren Sachverhalte dem kaufmännischen Wohlverhalten widersprechen und geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden. Nach Punkt 4. dieses Katalogs widerspricht unter anderem eine sachlich nicht gerechtfertigte Auffächerung der Rabattstaffeln dem kaufmännischen Wohlverhalten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der zusätzlich gewährte Rabatt jene Einsparungen überschreitet, die sich beim Lieferanten auf Grund der größeren Abgabemenge ergeben. Wer als Lieferant gewerberechtlich befugten Wiederverkäufern bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen gewährt oder anbietet, kann nach § 2 NVG auf Unterlassung dieses Verhaltens in Anspruch genommen werden.

Nach der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin hat sie, wie oben schon dargestellt wurde, vom Lieferanten, der C*** Gesellschaft mbH Einstandspreise zugestanden erhalten, die rund 30 % unter den sonstigen, allgemein üblichen Einkaufspreisen von Wiederverkäufern liegen. Sogar auf diese überaus niedrigen Preise hat sie nach ihren Behauptungen einen weiteren Dauerrabatt von 5 % eingeräumt erhalten. Ihr eigener Verkaufspreis lag (nach dem vorliegenden unbestrittenen Zeitungsausschnitt) vor dem Aktionspreis von 5 S noch bei 19,90 S. Dieser Sachverhalt spricht in seiner Gesamtheit dafür, daß die Antragsgegnerin höchstens unter Mitberücksichtigung von Rabatten, die dem kaufmännischen Wohlverhalten widersprechen, den ihr gewährten Einkaufspreis beim Wiederverkauf überschritten haben kann. Eine Bescheinigung des Gegenteils oblag ihr, wurde aber nicht erbracht. Sie kann im Verfahren über die Hauptsache nachgebracht werden, der dortigen Entscheidung wird hier nicht vorgegriffen.

Auch in der Frage der Gefahr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens, die nach § 7 Abs 4 NVG Voraussetzung für eine vorläufige Untersagung des Verkaufs zum oder unter dem Einstandspreis ist, kann dem Kartellgericht gefolgt werden. Es liegt in der Natur der Sache, daß der Schaden, der gesetzestreuen Mitbewerbern auf dem Markt durch die verpönten Verkäufe zum oder unter dem Einstandspreis entsteht, der Höhe nach kaum abschätzbar ist und deshalb nicht nachträglich in Geld voll ausgeglichen werden kann. Der unwiederbringliche Schaden aus einer Fortsetzung der verbotenen aggressiven Preismethoden bedarf dann aber in der Regel keiner besonderen Bescheinigung (vgl. JBl 1985, 423).

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