Spruch:
Zur Prüfung der Bescheinigungsmittel des Antragsgegners bei Bestimmung des Unterhaltes gemäß § 382 Z 8 EO
OGH 15. September 1970, 8 Ob 192/70 (OLG Linz 2 R 76/70; LG Salzburg 5 Cg 130/70)
Text
Zwischen den Streitteilen ist seit dem Jahre 1967 ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Mit dem vom Oberlandesgericht Linz bestätigten Beschluß des Erstgerichtes vom 12. Jänner 1970, wurde der Klägerin für die Dauer des Rechtsstreites der abgesonderte Wohnort bewilligt. Am 25. März 1970 beantragte die Klägerin, ihr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von ihr eingebrachte Ehescheidungsklage einen vorläufigen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1600 S zuzuerkennen. Der Beklagte, der den Anspruch auch der Höhe nach bestritt, brachte in seiner Äußerung zu diesem Antrag unter anderem vor, daß die Klägerin durch ihr grob ehewidriges Verhalten den Anspruch auf Unterhalt verwirkt habe; sie sei am 17. März 1970 in der von ihm bewohnten und infolge des abgesonderten Wohnortes ihm allein zur Verfügung stehenden Wohnung erschienen, habe diese vollkommen demoliert und verwüstet und einen Fernsehapparat, zehn Bilder, darunter eines im Werte von 10.000 S, und weitere Gegenstände, die in seinem Eigentum standen, entwendet, wodurch er einen Schaden von 25.090 S erlitten habe; hiezu käme noch ein Schaden aus weiteren Entwendungen am 15. Juli 1968 in der Höhe von 2180 S. Den Schadensbetrag von 27.270 S wende er aufrechnungsweise gegen die Unterhaltsforderung ein. Die Klägerin habe darüber hinaus schlüssig auf ihren Unterhalt verzichtet, da sie ohne sein Wissen aus der gemeinsamen Ehewohnung weggezogen sei, sich in Linz niedergelassen, ihren Unterhalt aus eigener Arbeit und eigenem Vermögen gezogen und sich geäußert habe, sie brauche von ihm nichts mehr.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten ohne Aufnahme von Beweisen zum Grund des Anspruchs ab 25. März 1970 für die Dauer des Ehescheidungsverfahrens zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 1300 S und wies das Mehrbegehren ab. Aus den Behauptungen des Beklagten könne ein wirksamer Unterhaltsverzicht der Klägerin nicht abgeleitet werden. Die Beschädigung der ehelichen Wohnung und die Wegnahme von Gegenständen könnten zwar schwere Eheverfehlungen darstellen, bewirkten aber noch keineswegs die Aufhebung des Unterhaltsanspruchs. Die Gegenforderung sei zur Aufrechnung gegen Unterhaltsansprüche nicht geeignet; vor allem aber sei es nicht Aufgabe des Provisorialverfahrens, über Schadenersatzansprüche abzusprechen.
Das Rekursgericht trat diesen Rechtsauffassungen des Erstgerichtes bei und änderte die auferlegte vorläufige Unterhaltsverpflichtung nur der Höhe nach dahin ab, daß der Beklagte nur zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 1000 S verhalten wurde.
Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsrekurs des Beklagten Folge gegeben, die Beschlüsse der Untergerichte aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist zulässig. Die Rechtsmittelbeschränkung des § 502 Abs 2 ZPO gilt allerdings auch für einstweilige Verfügungen, mit denen der gesetzliche Unterhalt bemessen wird, ist jedoch nicht anzuwenden, wenn die Frage zu prüfen ist, ob der Unterhaltsberechtigte einen den Unterhaltsanspruch verwirkenden Tatbestand gesetzt hat, ob also ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch dem Gründe nach besteht (vgl Jud 60 neu P V = SZ 27/177). Auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 1 ZPO, die gem §§ 402, 65, 78 EO auch für Rechtsmittel gegen Beschlüsse im Provisorialverfahren gilt (vgl SZ 20/91), findet im vorliegenden Fall nicht Anwendung, weil die zweite Instanz den Beschluß des Erstgerichtes nicht vollständig bestätigte und die Grundsätze des Jud 56 neu (SZ 24/335) auch im Rekursverfahren gelten (RZ 1967, 72, vgl SZ 25/224); das ist auch dann der Fall, wenn die zweite Instanz eine vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung über die Bezahlung eines einstweiligen Unterhalts nur der Höhe nach abänderte (5 Ob 151/70).
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Auszugehen ist davon, daß der Klägerin rechtskräftig der abgesonderte Wohnort bewilligt wurde, sodaß der Beklagte nicht mehr berechtigt ist, ein eigenmächtiges Verlassen der häuslichen Gemeinschaft durch die Klägerin zu behaupten und daraus den Verlust des Unterhaltsanspruchs der Klägerin abzuleiten. Zu Unrecht beschwert sich der Beklagte auch gegen die Auffassung der Untergerichte, die Klägerin habe nicht stillschweigend auf Unterhaltsleistung verzichtet. Ein solcher Verzicht kann weder in der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft noch in der vorübergehenden Beschaffung des Unterhalts aus eigenem Vermögen oder Einkommen, aber auch nicht in der bloßen Bemerkung der Klägerin, diese brauche vom Beklagten nichts, erblickt werden. Der Revisionsrekurs ist auch gar nicht in der Lage, Stichhältiges gegen die Ansicht der Untergerichte vorzubringen. Richtig ist allerdings die Auffassung des Beklagten, daß die Rechtsprechung unter Berufung auf die Bestimmung des § 293 Abs 3 EO die Aufrechnung einer Schadenersatzforderung als Gegenforderung gegen Unterhaltsansprüche u a dann anerkennt, wenn der Schaden absichtlich zugefügt wurde (EFSlg 10.758, EvBl 1957/304, SZ 26/200 u a). Mit Recht haben die Untergerichte jedoch hervorgehoben, daß im Provisorialverfahren für die Prüfung einer solchen Gegenforderung des Beklagten, welche Prüfung dazu noch ohne Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens nicht möglich wäre, kein Raum ist.
Dem Gegner der gefährdeten Partei muß allerdings das Recht eingeräumt werden, gegen den Anspruch der gefährdeten Partei Umstände vorzubringen, die sich gegen den Grund des Anspruches selbst richten. Der Gegner der gefährdeten Partei ist z B, wie der Beklagte es im vorliegenden Fall tut, berechtigt, auch im Provisorialverfahren die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs zu behaupten und zu bescheinigen. Es kann nämlich dem Gegner der gefährdeten Partei nicht verwehrt werden, den von der Antragstellerin behaupteten Anspruch durch geeignete Bescheinigungsmittel unglaubhaft zu machen (5 O 151/70). Nach ständiger Rechtsprechung ist nun der Ehemann zur Ablehnung der Unterhaltsleistung dann berechtigt, wenn es auf Grund schwerwiegender, gegen die wichtigsten Grundsätze der Ehe verstoßender Eheverfehlungen der Ehefrau, wie Ehebruches oder fortgesetzter empfindlicher Verletzungen der ehelichen Treue, schwerer körperlicher Mißhandlungen oder Drohungen u dgl, als sittenwidrig erschiene, ihr noch einen Unterhaltsanspruch in Geld zu gewähren (SZ 37/7, EvBl 1963/1, EvBl 1959/310, SZ 24/308 u a). Ob es dem Sinn des § 91 ABGB entspricht, der Ehefrau, die sich schwerer Eheverfehlungen schuldig gemacht hat, den Unterhalt zu gewähren oder zu versagen, muß hiebei jedes Mal nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden (SZ 38/7). Zur Begründung der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin hat der Beklagte nun allerdings im vorliegenden Fall weder eine schwere Verletzung der ehelichen Treue noch eine solche seiner körperlichen Integrität behauptet. Immerhin legte der Beklagte aber dar, die Klägerin habe ihn mehrfach bestohlen und dazu noch seine Wohnung "vollkommen verwüstet und demoliert". Auch ein solches allenfalls nur mit besonderer Bosheit gegen den Beklagten und äußerster Nichtachtung berechtigter Interessen desselben erklärbares Verhalten der Klägerin könnte es entgegen der Ansicht der Untergerichte als sittenwidrig erscheinen lassen, daß die Klägerin noch weiterhin Unterhaltsleistungen des Beklagten in Anspruch nimmt. Die Klägerin wurde allerdings zur Behauptung des Beklagten überhaupt nicht gehört, wie denn überhaupt in keiner Weise geklärt ist, ob und inwieweit die Behauptungen des Beklagten richtig sind. Nur nach den besonderen Umständen des Falles kann aber abschließend beurteilt werden, ob eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches der Klägerin eingetreten ist. Da vom Beklagten parate Beweismittel (ein Akt des BG Salzburg, am Gerichtsort wohnhafte Zeugen) namhaft gemacht wurden, wäre es notwendig gewesen, vor Beschlußfassung über den Unterhaltsanspruch der Klägerin zunächst - auch durch Anhörung der Parteien - zu klären, ob der Unterhaltsanspruch nicht tatsächlich verwirkt wurde. Da diese Klärung nicht erfolgt ist, sind die Beschlüsse der Untergerichte aufzuheben und ist dem Erstgericht eine Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung aufzutragen.
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